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Erster Giftgasangriff
Der lautlose Tod

Am 22. April 1915 starteten deutsche Truppen bei Ypern in Belgien den ersten großen Gasangriff der Geschichte. Am Ende des Ersten Weltkrieges waren etwa 120.000 Tonnen 38 verschiedener Kampfstofftypen verschossen worden. Bis zu 100.000 Soldaten starben im Gaskrieg, mehr als eine Million Menschen wurden verletzt. Auch heute noch geht von den C-Waffen große Gefahr aus.

Von Anne Raith | 21.04.2015
    Eigentlich baut Dirk Cardoen auf seinen Feldern Kartoffeln, Weizen, Mais und Sellerie an. Sein Hof, die "Varlet Farm" liegt im Westen Flanderns, genau zwischen Poelkapelle und Passendale. Ein bisschen wie der Garten Belgiens sagt er mit Blick auf die Region, hält an und bückt sich.
    Doch der Boden, auf dem heute sein Getreide und Gemüse wachsen, erzählt auch eine andere Geschichte. Die Geschichte vom Krieg. Vier Jahre wütete hier vor einhundert Jahren der Große Krieg, wie sie ihn in Flandern nennen. Bis heute hat der Erste Weltkrieg hier seine Spuren hinterlassen.
    "Wenn wir pflügen oder pflanzen wissen wir nie, was uns erwartet. Erst gestern habe ich eine große deutsche Granate gefunden, alles kommt hier peu à peu wieder an die Erdoberfläche. Angst habe ich nicht, das ist Teil des Lebens hier."
    Sagt er und stapft Richtung Scheune.
    An den Wänden: Gewehre, Munition, Stahlhelme, sogar einen alten Rasierpinsel hat sein Pflug in den vergangenen Jahrzehnten ans Tageslicht befördert. Aber auch viele Fundstücke, die daran erinnern, dass in diesem Großen Krieg ein Tabu gebrochen wurde:
    "Das hier ist der Teil einer Gasmaske, einer deutschen. Und hier sehen Sie zwei Stahlrohre, wie sie anfangs im Gaskrieg benutzt wurden. Der erste Gasangriff hat etwa sieben Kilometer von hier entfernt stattgefunden."
    Heute flattern zur Erinnerung weiße Fahnen im Wind, dort, wo die deutschen Truppen am 22. April 1915 den ersten großen Gasangriff der Geschichte starteten.
    "Wir werden diesen Kampf bestehen, auch gegen eine Welt von Feinden. Auf zu den Waffen! Hurra!"
    Wenige Monate nach seinem Beginn war der Kampf, den Kaiser Wilhelm II. gegen eine Welt von Feinden bestehen wollte, bereits zu einem quälenden Stellungskrieg geworden. Ein Durchbruch war nicht in Sicht, verzweifelt suchten die Kriegsparteien nach einer Möglichkeit, den Gegner zu schwächen. Zudem kämpfte das Kaiserreich mit Munitionsengpässen.
    Ein billiges Abfallprodukt der chemischen Industrie
    Bald schon wurde der Einsatz von Chemikalien erwogen, doch erste Versuche brachten nicht den gewünschten Erfolg. Dann empfahl der deutsche Chemiker Fritz Haber den Einsatz von Chlorgas. Ein billiges Abfallprodukt der chemischen Industrie, das sich aufgrund seiner Dichte in Bodennähe konzentriert und hochgiftig ist.
    Am 2. April 1915 testete Haber den Einsatz von Chlorgas mit Oberst Max Bauer auf dem deutschen Truppenübungsplatz in Beverloo:
    "Das Gas blies vorschriftsmäßig ab, da plagte uns der Teufel und wir beide ritten, versuchsweise in die abtreibende Gaswolke hinein. (…) Ein wahnsinniger Husten setzte ein, die Kehle war wie zugeschnürt (…) In höchster Not lichtete sich die Wolke und wir waren gerettet."
    Einige Tage vergingen. Am 22. April 1915 schließlich stand der Wind günstig. Um 18 Uhr wurden auf einer Frontlinie von mehreren Kilometern Länge 180 Tonnen Chlorgas abgeblasen. Langsam bewegte sich die gelblich-grüne Wolke auf die feindlichen Truppen zu. Erfahrungen mit dem massenhaften Einsatz von Gas hatte bis zu diesem Zeitpunkt niemand, betont der flämische Historiker Franky Bostyn:
    "Die französischen Soldaten, die an dieser Stelle die Front verteidigten, waren vollkommen überrascht. Als sie die Gaswolke erreichte, sind sie in Panik geraten, haben das Gas dadurch tief eingeatmet und sind zusammengebrochen."
    Auch die deutschen Truppen waren von der durchschlagenden Wirkung überrascht. So überrascht, dass es ihnen nicht gelang, den Einbruch an der Front taktisch zu nutzen. 1.200 Soldaten starben bei diesem ersten Gasangriff, 3.000 wurden verletzt.
    Ein deutscher Soldat in einem Schützengraben vor Ypern am 24. April 1915.
    Ein deutscher Soldat in einem Schützengraben vor Ypern am 24. April 1915. (picture alliance / dpa)
    Nach Ypern setzten bald auch Briten, Franzosen und Russen Chlorgas ein. Das wetterabhängige Blasverfahren wurde durch Gasgranaten ersetzt, neue chemische Kampfstoffe wurden entwickelt. Ein Rüstungswettlauf begann.
    Vor allem in Deutschland war die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Industrie und Militär eng - auch schon bei der Entwicklung konventioneller Munition. Viele Chemiker aus dem bürgerlichen Milieu waren damals überzeugt von den Kriegszielen des Kaiserreichs, erläutert Florian Schmaltz, der am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte zum Thema forscht:
    "Ein zweites Motiv, was ich auch nicht unterschätzen würde, ist die wissenschaftsimmanente Triebkraft, also die Suche nach neuen Erkenntnissen. Das ist ein starkes Motiv für Wissenschaftler. Und dieser Forschungsdrang ist prinzipiell grenzenlos. Das heißt, wenn es keine gesellschaftlichen oder rechtlichen Regularien gibt, die das eindämmen, dann tun Wissenschaftler viele Dinge, die höchst ambivalent sein können."
    Wie viele Wissenschaftler hatte auch Fritz Haber, Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin, seine Dienste zur Verfügung gestellt. "Im Frieden der Menschheit, im Krieg dem Vaterland" war sein Leitspruch. Im Frieden hatte er sich um die Entwicklung der Ammoniak-Synthese verdient gemacht, für die er später den Nobelpreis erhielt - dank der jedoch auch Sprengstoff hergestellt werden konnte. Nun wurde er zum "Vater des Gaskriegs". Haber hielt Gas für eine humane Waffe. Erfahrungen mit C-Waffen gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, erklärt Wissenschaftshistoriker Florian Schmaltz. Dafür die Erfahrungen mit einem neuen, großen Krieg:
    "Das war der erste große technische Krieg, der auf Massenproduktion von Munition setzte, und auch die konventionellen Geschosse, Granaten, Schrapnellgeschosse haben furchtbare Verletzungen hervorgerufen. Das vor Augen hatte man die illusionäre Vorstellung in Kreisen von Chemikern, man könne mit dem überraschenden Einsatz chemischer Massenvernichtungswaffen den Krieg schneller beenden. So merkwürdig und vielleicht auch pervers uns das aus heutiger Sicht erscheint, war es sicherlich ein Grund, warum Chemiker diese Entwicklung mit vorangetrieben haben."
    Deutschland wurde nach Kriegsende nicht verurteilt
    Während sich Fritz Habers Frau, die Chemikerin Clara Immerwahr, kurz nach dem ersten Gaseinsatz das Leben nahm, forschte Haber weiter. Sein Kaiser-Wilhelm-Institut nahm dabei eine Schlüsselrolle ein, wurde zu einer Großforschungseinrichtung. Auch materiell profitierten die Wissenschaftler damals vom Krieg, betont Schmaltz.
    Um die verschiedenen chemischen Kampfstoffe an der Front zu unterscheiden, wurden die Behälter mit Kreuzen markiert: Grünkreuz etwa stand für die tödlichen Lungenkampfstoffe, die zum Beispiel bei einem Angriff bei Fleury verwendet wurden, den dieser französische Oberleutnant miterlebt hatte:
    "Die Unglücklichen (...) starben unter unsagbaren Qualen. Ich habe ihre Gesichter gesehen, voller Flecken, mit rötlichem Schaum vor dem mit Krämpfen verzerrten Mund, und Finger, die sich in die Brust einkrallten. Ich habe schreckliche Reizhustenanfälle mit angehört, Stöhnen und heisere Schreie, die das Blut auf farblose Lippen treten ließen."
    Mit den chemischen Kampfstoffen entwickelten sich auch die Schutzmöglichkeiten weiter. Doch auch dann blieb Gas eine heimtückische Waffe, betont Franky Bostyn.
    "Wenn man im Schützengraben lebt und arbeitet, mit einer Gasmaske auf dem Gesicht, stundenlang, ist das sehr klaustrophobisch, es schränkt sehr ein. Und so wurde Gas von Zeit zu Zeit auch genutzt, um den Gegner zu demoralisieren."
    1917 kamen zum ersten Mal die sogenannten "Maskenbrecher" zum Einsatz, die die damaligen Gasfilter durchdrangen, die Augen tränen, die Soldaten würgen, husten und erbrechen ließen, bis sie sich die Maske vom Gesicht rissen. Dann folgte der nächste Angriff mit Lungenkampfstoffen. "Buntschießen" nannte man das. Erst Blaukreuz, dann Grünkreuz.
    Am 13. Juli 1917 erreichte der Gaskrieg mit der Einführung von Gelbkreuz seitens der Deutschen einen neuen grausamen Höhepunkt:
    "Wir haben nicht nur die zweifelhafte Ehre, dass bei Ypern zum ersten Mal Chlorgas eingesetzt wurde, sondern auch, zwei Jahre später, Senfgas, daher auch Yperit genannt. Senfgas ist flüssig und wurde in Granaten verschossen. Und es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Schutz davor."
    Senfgas, auch Schwefellost, drang durch die Uniform, verätzte die Haut und zerstörte die Bronchien.
    Am Ende des Krieges waren etwa 120.000 Tonnen 38 verschiedener Kampfstofftypen verschossen worden. 80.000 - 100.000 Soldaten starben im Gaskrieg - eine im Vergleich geringe Zahl -, mehr als eine Million Menschen wurden verletzt.

    Kriegsentscheidend aber waren die chemischen Kampfstoffe zu keiner Zeit, hält der flämische Historiker Franky Bostyn fest. Und Oliver Meier, der bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zum Thema Massenvernichtungswaffen forscht, ist sich sicher:
    "Man war sich bewusst sich im Ersten Weltkrieg als man diese Waffen eingesetzt hat, dass man einen Tabubruch begeht, dass man eine Grenze überschreitet und hat das in Kauf genommen …"
    Obwohl die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen seit der Haager Landkriegsordnung 1899 verboten war, wurde Deutschland nach Kriegsende nicht verurteilt, weil sich am Ende auch die anderen Kriegsparteien schuldig gemacht haben.
    Der britische Friedhof bei Ypern (Belgien) 
    Auf dem Friedhof bei Ypern (Belgien) liegen die Gebeine von mehr als 600 Soldaten, die im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen sind. (picture alliance / dpa / Foto: Frank Schumann)
    Die Überreste des Gaskrieges wurden häufig verscharrt und vergessen
    Die Überreste des Gaskrieges wurden nach dem Ersten Weltkrieg häufig verscharrt und vergessen. In den Feldern Flanderns, aber auch in Deutschland. In der Lüneburger Heide zum Beispiel.
    "Dieser Bereich gehörte zum Gasplatz Breloh, der 1916 eingerichtet worden ist, um Kampfstoffmunition herzustellen. Also nicht die Kampfstoffe selber, die wurden von der Industrie angeliefert, aber das Verfüllen in Munition, das hat hier stattgefunden und anschließend ging die Munition dann an die Front."
    Erzählt Andreas Krüger. Auch nach einer verheerenden Explosion im Jahr 1919 wurde auf dem Gelände später weiter verfüllt und geforscht. Heute ist es weiträumig abgesperrt. Hinweisschilder warnen am Waldrand: "Kontaminiertes Gelände. Betreten und Befahren verboten." Hier sitzt die Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten, deren technischer Geschäftsführer Krüger ist:
    "Die GEKA ist die einzige Einrichtung in Deutschland, die mit chemischen Kampfstoffen umgehen darf - zum Zwecke der Vernichtung. Das heißt, wenn irgendwo in Deutschland Kampfstoffe oder Kampfstoffverdachtsmunition gefunden werden, kommt das hier nach Munster."
    Der größte Teil der sogenannten Fundmunition stammt tatsächlich noch aus dem Ersten Weltkrieg.
    "Das ist hier unser Bomben-Delaborierstand, delaborieren bedeutet eigentlich nur öffnen. Und wir haben hier draußen an der Wand eine schöne Tafel, wo dran steht: 'Arbeiten mit' und dann gibt’s hier entsprechende Schilder, wo dran steht mit Sprengstoffen, mit flüssigen Kampfstoffen, mit Lost zum Beispiel, das wäre einer der flüssigen Kampfstoffe …"
    Ingo Schories, zuständig für die Vernichtung von Munition und Explosionsstoffen, betritt den Leitstand. Er deutet auf die Monitore, über die man einen Blick in die angeschlossenen Kammern werfen kann. Dort landet die Fundmunition, nachdem sie geröntgt worden ist, um sie - je nach Inhalt - aufzusägen oder, im Falle von flüssigen Kampfstoffen, aufzufräsen. Anschließend wird der Schadstoffgehalt in der Raumluft gemessen, Proben werden entnommen. Dann wird der Inhalt in ein Fass gefüllt und der Rest erreicht seine nächste Station, einige hundert Meter entfernt:
    "Wenn die Granaten durch den Delaborierstand durch sind, kommen sie hier her und werden hier verbrannt."
    Die Munition setzt um, sie explodiert also. Bei 450°C zersetzt sich der Kampfstoff in seine festen und gasförmigen Bestandteile. Diese werden durch Nachverbrennung und Filterung in der Rauchgasreinigung separiert. Übrig bleiben nur minimale, feste Reste, die nicht mehr weiterbehandelt werden können und in einer Untertagedeponie eingelagert werden. Alles andere verlässt als gereinigtes Rauchgas den Kamin. Eine aufwendige Prozedur.
    Jedes Land ist für die Entsorgung der eigenen C-Waffen zuständig. Mit Ausnahme von Syrien. Denn C-Waffen wurden im Ersten Weltkrieg zum ersten, aber bei weitem nicht zum letzten Mal eingesetzt. Auch wenn der Völkerbund 1925 mit dem Genfer Protokoll "erstickende, giftige oder ähnliche Gase sowie bakteriologische Mittel im Kriege" geächtet hatte. Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik weist auf einen entscheidenden Punkt hin:
    "Dann hat man eben 1925 den Einsatz solcher Waffen verboten, allerdings nicht die Produktion und Erforschung von Chemiewaffen, das war die Lücke, die auch nach 1925 völkerrechtlich weiterhin fortbestand."
    Und genutzt wurde, schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg, in den Kolonien.
    Erst 1997 trat ein umfassendes Verbot in Kraft
    Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verfügten alle Großmächte über ein umfassendes C-Waffen-Arsenal. Die Deutschen setzten Gas in den Konzentrationslagern ein, als Mittel der Kriegsführung aber spielte es keine Rolle, auch aus Angst vor Vergeltung. Nur Japan hatte bereits ab 1937 chemische Kampfmittel gegen China eingesetzt - Hunderttausende starben.
    Später versprühten die USA im Vietnam-Krieg 40.000 Tonnen chemische Entlaubungsmittel. Agent Orange zum Beispiel, ein mit hochgiftigem Dioxin verunreinigtes Herbizid, das Krebs erregend ist und das Erbgut schädigt. Offiziell keine "chemische Kriegsführung", doch noch Jahre später brachten Überlebende Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt.
    In den 1980er Jahren setzte der Irak Chemiewaffen ein. Zunächst im Golfkrieg gegen den Iran, dann, zur Unterdrückung der kurdischen Minderheit, gegen die eigene Bevölkerung. Allein im kurdischen Dorf Halabdscha starben 5.000 Menschen.
    Stets gab es international Proteste gegen den Einsatz dieser grausamen und heimtückischen Waffen, die eine rote Linie bildeten, die nicht überschritten werden dürfe. Aber es sollte bis 1997 dauern, bis ein umfassendes Verbot in Kraft trat.
    Die Internationale Chemiewaffenkonvention. Ihr Ziel: Ein weltweites Verbot aller chemischen Waffen und die Vernichtung noch vorhandener Chemiewaffenbestände - was nach dem Kalten Krieg vor allem die USA und Russland betraf. Geächtet werden sollten von nun an nicht nur der Einsatz, sondern auch die Erforschung, Produktion, der Besitz und die Weitergabe chemischer Kampfstoffe. Schärfere Kontrollen sollten auch für bestimmte Chemikalien gelten, die für die Produktion solcher Waffen verwendet werden können. Im Sommer 2013 hatten fast 190 Staaten die Konvention ratifiziert.
    Im August 2013 soll Syriens Machthaber Baschar Al-Assad, entgegen anders lautender Ankündigungen, Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt haben.[*] Ein Tabubruch, der die Weltöffentlichkeit aufrüttelte, aber nicht unbedingt gleich einte - vor allem mit Blick auf den oder die Verantwortlichen und mögliche Reaktionen.
    Unter massivem internationalem Druck trat Syrien schließlich der Chemiewaffenkonvention bei und willigte in die Vernichtung seiner chemischen Kampfstoffe ein, die an Bord eines Spezialschiffes der USA zerstört wurden. Reststoffe landeten bei der GEKA im niedersächsischen Munster.
    "In der ersten Verbrennungsanlage fand die Vernichtung des Senfgas-Hydrolysats aus Syrien statt. Das wurde von dem Container direkt in einen Haltecontainer nochmal gepumpt und von dort direkt in die Anlage eingedüst und das Hydrolysat bei 1.000 Grad Celsius verbrannt."
    Draußen auf dem Gelände stehen noch die Container, in denen das Hydrolysat angeliefert wurde. 17 Stück für die 350 Tonnen Hydrolysat, die inzwischen vollständig beseitigt worden sind, erzählt GEKA-Geschäftsführer Andreas Krüger.
    Chlor - genau wie vor einhundert Jahren
    In Syrien selbst seien inzwischen die ersten der zwölf Chemiewaffenfabriken zerstört worden, teilte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OPCW, mit, die seit der Chemiewaffenkonvention dafür zuständig ist, deren Einhaltung zu kontrollieren.
    Was jedoch nicht bedeutet, dass sich Syrien an die Vereinbarung hält. Erst vor kurzem prangerte eine Oppositionsgruppe den Abwurf einer Fassbombe mit Chlor an. Es soll einer von vielen gewesen sein.
    Chlor. Genau wie vor einhundert Jahren im Ersten Weltkrieg. Doch anders als 1915 stehen sich die Gegner heute nicht mehr in Uniform auf dem Schlachtfeld gegenüber. Genau deshalb blieben C-Waffen trotz der fast universellen Ächtung eine Gefahr, glaubt Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie seien die "Atombombe des kleinen Mannes":
    "Wir haben eine Reihe von Ländern, die mittlerweile so fragil geworden sind, dass Konflikte hier innerhalb der Staaten toben oder auf dem Territorien mehrerer Staaten, aber nicht mehr zwischen den eigentlichen Regierungen toben, und dass dabei auch Chemiewaffen eingesetzt werden können, zum Teil auch die Kontrolle über diese Bestände verloren zu gehen droht. Wenn wir natürlich an Syrien denken, aber auch an Libyen, das auch einmal ein Chemiewaffenprogramm hatte. Und die andere Gefahr, die sehr viel wichtiger geworden ist, ist der Einsatz durch terroristische Gruppen."
    Umso wichtiger sei die strafrechtliche Verfolgung solcher Kriegsverbrechen. Anders als vor 100 Jahren, sagt der flämische Historiker Franky Bostyn, als das Tabu zum ersten Mal gebrochen wurde:

    "Damals wurden Türen geöffnet für Dinge, die außer Kontrolle geraten konnten. Kriegsentscheidend waren C-Waffen nie, aber sie sorgen bis heute für ein unbeschreibliches menschliches Leid."
    [*] Anm. d. Red.: In der Sendefassung war an dieser Stelle davon die Rede, dass Assad die Chemiewaffen eingesetzt habe. Bis heute ist jedoch nur bewiesen, dass Chemiewaffen eingesetzt wurden, jedoch nicht von wem.