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Erstes TV-Duell Clinton - Trump
Politprofi trifft auf Seiteneinsteiger

Mit rund 100 Millionen Zuschauern rechnen die Fernsehsender, wenn Hillary Clinton und Donald Trump in der Nacht zu Dienstag in ihrer ersten Fernsehdebatte gegeneinander antreten. Für die demokratische Kandidatin wie auch für ihren republikanischen Gegenspieler ist der Druck enorm, denn einer neuen Umfrage zufolge liegen sie in der Wählergunst gleichauf.

Von Thilo Kößler | 26.09.2016
    Donald Trump und Hillary Clinton
    Wer macht die bessere Figur im Fernsehduell? (AFP)
    Alles spricht dafür, dass dieses Fernsehduell zwischen Hillary Clinton und Donald Trump zum Quotenhit wird - mit 100 Millionen Zuschauern rechnen die Fernsehsender, fast so viele wie beim Super-Bowl, dem Endspiel der National Football-League. Der Grund hierfür dürfte nicht nur in den denkbar unterschiedlichen Charakteren, politischen Haltungen und Politikstilen zu suchen sein – und natürlich in der Tatsache, dass zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte eine Präsidentschaftskandidatin auf einen Kandidaten trifft.
    Vermutlich ist die Breitenwirkung dieser Debatte auch deshalb so immens, weil so viele Wähler noch unentschlossen sind: Fünf bis zehn Prozent der amerikanischen Wähler wissen noch nicht, wem sie am Ende ihre Stimme geben werden. Beide Kandidaten sind keine Sympathieträger – vermutlich gab es noch niemals zwei Bewerber um das höchste Staatsamt der USA, die so unbeliebt waren.
    Der Eindruck kann wahlentscheidend sein
    Das erhöht den Druck. Denn natürlich wissen sowohl Hillary Clinton wie Donald Trump, dass Fernsehdebatten wahlentscheidend sein können. Das weiß man seit der ersten Fernsehdebatte im Jahre 1960, auf den Tag genau vor 56 Jahren - damals machte Richard Nixon im Duell mit John F. Kennedy eine so unglückliche Figur, dass ihm auf die Argumente seines jungen und vitalen Kontrahenten tatsächlich nichts mehr einfiel: Dazu habe ich keinen Kommentar, sagte er auf Nachfrage.
    Allerdings weiß man seit dieser denkwürdigen Premiere auch, dass weniger zählt, was die Kandidaten sagen, sondern wie sie es tun - und welchen Eindruck sie hinterlassen. An der Seite des strahlenden, gut aussehenden John F. Kennedy wirkte der unrasierte und schwitzende Richard Nixon wie ein windiger Pokerspieler.
    Noch ein Beispiel: Als Al Gore sich im Jahr 2000 mit George W. Bush duellierte, machte er nicht nur rhetorisch eine schlechte Figur, als er Gesundheitsreform und Sozialbudget in eine Lockbox stecken wollte, in eine Geldkassette, die er verbal in eine Endlosschleife schickte. Viel ausschlaggebender war, dass er die Äußerungen von George W. Bush mit lautem Stöhnen kommentierte. Und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder.
    Erstes direktes Aufeinandertreffen
    Die Erwartungen vor diesem Fernsehduell an der Hofstra-Universität auf Long Island sind auch deshalb so hoch, weil beide Kandidaten zum ersten Mal direkt aufeinandertreffen. Eine ungleiche Begegnung unter der Überschrift: Politprofi mit 40-jähriger Berufserfahrung trifft auf politischen Seiteneinsteiger.
    Doch auch Hillary Clinton hat ihre schwachen Seiten: Sie hat ein Glaubwürdigkeits- und Vertrauensproblem, gilt als Vertreterin einer berechnenden Politikerkaste, die den Kontakt zum Bürger auf der Straße verloren hat und sich vornehmlich in elitären Kreisen bewegt. Hillary Clinton hatte in den vergangenen Tagen und Wochen keinen guten Lauf: Ihr hängt die Affäre um ihre E-Mails nach, und der Zusammenbruch nach einer verschleppten Lungenentzündung am 11. September ließ Zweifel an ihrer Belastbarkeit aufkommen. Hillary Clinton darf sich nicht den geringsten Anschein einer Schwäche erlauben, schreiben die Kommentatoren.
    Clinton bereitet sich minutiös vor
    Trumps Schwäche hingegen geht nicht minder an die Substanz: Er hat gravierende Wissenslücken, verfügt über Satzbau und Wortschatz eines Viertklässlers, wie Linguisten ermittelten, und droht, über seine impulsgesteuerten Reflexe zu stolpern.
    Hillary Clinton, die sich im Gegensatz zum lesefaulen Donald Trump minutiös auf dieses Duell vorbereitet, dürfte genau auf diese Schwachstellen abzielen: Auf der einen Seite wird sie mit untrüglichem analytischen Blick die Qualifikation ihres Gegenkandidaten für das Präsidentenamt in Zweifel ziehen, andererseits aber auch versucht sein, ihn zu provozieren. Sollte Trump ausfällig werden, wie so oft in diesem Wahlkampf, dürfte das als Punktgewinn für sie gewertet werden. Doch vor Überraschungen ist bei diesem Fernsehduell niemand gefeit: Und seien sie noch so marginal.