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Erwin Huber: Steuersenkungen sollten spätestens 2013 kommen

Nach der positiven Steuerschätzung für Deutschland fordert die CSU eine klare Entscheidung für Steuersenkungen von der Koalition. Finanzminister Schäuble (CDU) erfülle im Grunde den Auftrag des Koaltionsvertrags, die Steuern zu senken, nicht, meint der ehemalige bayerische Finanzminister Erwin Huber.

Erwin Huber im Gespräch mit Martin Zagatta | 05.11.2011
    Martin Zagatta: Der deutsche Staat – das hat die Steuerschätzung gestern ergeben – nimmt deutlich mehr Geld ein als erwartet. Auf der anderen Seite steht aber immer noch eine enorme Neuverschuldung und die Schuldenkrise schlechthin. Können unter diesen Umständen Steuern überhaupt gesenkt werden? Darüber berät morgen im Kanzleramt der Koalitionsausschuss, die Spitzen von CDU und FDP, und die CSU, die bei der Vorstellung der Pläne noch vergessen wurde und darüber ziemlich empört war, ist morgen auch mit von der Partie. Für uns Anlass, jetzt mit Erwin Huber zu sprechen, dem früheren Vorsitzenden der CSU und einst auch Finanzminister im Freistaat. Guten Morgen, Herr Huber!

    Erwin Huber: Guten Morgen!

    Zagatta: Herr Huber, Steuersenkungen, das ist ja eigentlich ein Lieblingsthema der FDP. Aber sollte man angesichts der Schuldenkrise, der Milliarden von neuen Schulden, die Deutschland wieder macht, nicht auch anerkennen, dass das jetzt einfach der falsche Zeitpunkt ist? Dass Steuersenkungen in dieser Situation eigentlich ein Unding wären?

    Huber: Nein, das sehe ich nicht so. Denn dann würden wir durch die heimlichen Steuererhöhungen die Steuerlasten nur immer mehr nach oben treiben. Und wenn man die neusten Zahlen der Steuerschätzung nimmt, ist ja ganz interessant: Im Jahr 2013 nimmt der Gesamtstaat, nimmt Deutschland 83 Milliarden Euro mehr ein als 2010. Das heißt also, die Steuerlast steigt innerhalb dieser drei Jahre um 16 Prozent, weit über das Wirtschaftswachstum hinaus. Und deshalb muss man von Zeit zu Zeit Korrekturen machen, denn sonst nimmt die kalte Progression gerade den Leistungsträgern immer mehr weg. Und das muss korrigiert werden.

    Zagatta: Aber da könnte man in dieser Situation ja auch Schulden abbauen?

    Huber: Ja, natürlich, das wird ja auch gemacht. Wenn man einmal sieht, der Bund ist ja gestartet 2009 mit einer Neuverschuldung von 80 Milliarden. Und wenn es gut geht, werden wir im Jahr 2012 zu einer Neuverschuldung von nur 25 Milliarden kommen. Das ist der richtige Weg …

    Zagatta: … ja, aber Neuverschuldung. Die könnte man ja auch irgendwann ganz einstellen, man will ja auch dann …

    Huber: … ja, ich bin ja auch sehr dafür, dass wir den größeren Teil der Steuermehreinnahmen verwenden für die Konsolidierung. Und wenn man nur zehn Prozent der Steuermehreinnahmen nimmt, auch um Leistungsträger zu entlasten, dann sieht man, das ist kein Konflikt. Es ist ja nicht die Frage, entweder mache ich Konsolidierung oder Steuersenkungen. Ich kann sinnvollerweise beides miteinander machen und ich bin auch der Meinung, der weitaus größte Teil muss in die Konsolidierung fließen. Aber ein kleiner Teil sollte ja auch dafür verwendet werden, die steigenden Steuerlasten durch die Progression jedenfalls abzubremsen. Und wenn SPD und Grüne im Bundesrat das blockieren und verhindern, dann heißt das nur, sie wollen im Grunde die laufende Steuererhöhung einfach hinnehmen, vielleicht sogar noch draufsatteln durch Vermögenssteuer und höheren Spitzensteuersatz.

    Zagatta: Aber da kann sich die Opposition immerhin auf Umfragen berufen, die jüngste jetzt von Infratest dimap, da sagen immerhin 62 Prozent der Deutschen, es sei ihnen wichtiger, weniger neue Schulden zu machen, als jetzt Steuern zu senken. Also, da hat doch die Opposition eigentlich eine ganz gute Position?

    Huber: Also, dem stimme ich ja zu, dass es wichtiger ist, die Konsolidierung … Und deshalb plädiere ich ja auch dafür, dass also von den Mehreinnahmen 90 Prozent in die Konsolidierung fließen. Nun muss man aber auch sagen: Viele Länder und auch Kommunen weiten auch ihre Ausgaben aus. Es ist ja doch nicht so, dass die ganzen Mehreinnahmen verwendet werden, um zu konsolidieren, sondern es finden ja ständig auch Ausgabenerhöhungen statt. Da sollte man zunächst einmal bremsen. Ich glaube, das erste Ziel der Konsolidierung wäre, einmal die Ausgabendynamik zu bremsen. Der Bund ist da vorbildlich, bei Ländern und Kommunen ist man da viel großzügiger. Und dann, dann wird man glaubwürdig. Also, ich bin dafür, dass wir sagen, der größere Teil der Mehreinnahmen wird für die Konsolidierung verwendet, aber ich bin auch der Meinung, entweder über den Abbau der kalten Progression oder über eine Reduzierung des Soli sollten spätestens zum Jahr 2013 Steuersenkungen kommen.

    Zagatta: Dieser Solidaritätsbeitrag, den zu senken, das hat Finanzminister Schäuble jetzt aber abgelehnt. Ist das Thema damit eigentlich nicht schon vom Tisch?

    Huber: Nein. Es ist ja nicht so, dass der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mehr oder weniger alles allein bestimmt. Ich sage sogar, Wolfgang Schäuble hat in den letzten zwei Jahren im Grunde den Auftrag des Koalitionsvertrags, die Steuern zu senken, nicht erfüllt. Er hat überhaupt nichts getan, er hat auch in einer Zeit, wo die Union und FDP im Bundesrat eine Mehrheit hatten, keine entsprechende Vorlage gemacht. Er blockiert nur und das geht nicht. Das ist die Festlegung im Koalitionsvertrag, wir wollen die Steuern senken und das muss auch gemacht werden. Die CDU hat hier in der Tat ein Problem, da gibt es welche, die die Steuern erhöhen wollen, andere wollen gar nichts machen, die dritten wissen nicht, was sie machen sollen. Also, da sollte einmal der CDU-Generalsekretär ein bisschen mal Ordnung in die eigenen Reihen bringen. Die CSU ist wie die FDP der Meinung, wir sollten die Steuern senken, und da ist auch die Anhebung der Freigrenze beim Soli ein wichtiger Beitrag. Im Übrigen, für die Mitbürger in Ostdeutschland: Das senkt nicht die Leistungen aus dem Solidarpakt, das ist auch ein Schwindel, der da gemacht wird. Der Soli geht als Einnahme in den Bundeshaushalt, auf der Ausgabenseite des Bundeshaushalts sind die Leistungen für den Solidarpakt, da gibt es keinen Konnex. Wir wollen also nur die Steuerbelastung der Bürger senken, wir wollen aber nicht die Aufbauleistung für Deutschland Ost damit reduzieren.

    Zagatta: Herr Huber, wenn Sie dem Finanzminister von Ihrer Schwesterpartei, wenn Sie Bundesfinanzminister Schäuble da jetzt Untätigkeit vorwerfen, ist das ja starker Tobak. Die CSU war ja auch verärgert, dass Schäuble da gemeinsam mit Wirtschaftsminister Rösler an die Presse gegangen ist, dass die CSU da außen vorgehalten wurde. Was steckt denn da dahinter?

    Huber: Ja, da müsste ich jetzt weitere Mutmaßungen anstellen, aber ich stelle einmal fest, dass in diesen zwei Jahren der Bundesfinanzminister nichts getan hat, um diesen Auftrag des Koalitionsvertrages zu erfüllen. Und wenn er jetzt wieder sagt, er ist beim Soli dagegen, dann verstehe ich auch dies nicht. Denn vor zehn Tagen meinte er, man kann also doch etwas machen im Bereich der Einkommenssteuer. Möglicherweise, hat er gesagt, na gut, da kann ich großzügig sein, denn der Bundesrat wird es sowieso stoppen. Ich meine, man sollte eine Steuerpolitik der Ehrlichkeit und der Gradlinigkeit machen. Schäuble ist ein Übertaktierer in dieser Frage, das beschädigt die Glaubwürdigkeit der Union.

    Zagatta: Jetzt heißt es, dass es in München sogar schon Gedanken gebe, man ärgere sich derart über den Finanzminister, über diese Politik, dass man sich mit dem Gedanken trage, notfalls aus der Koalition auszusteigen, über ein Platzen der Koalition wird da schon spekuliert. Wissen Sie davon etwas, ist das übertrieben?

    Huber: Also, das ist jedenfalls in Kreisen der CSU kein Thema. Dass in den Medien spekuliert wird, das gibt es immer, aber die CSU hat den Koalitionsvertrag unterschrieben und wir stehen zu diesen vier Jahren. Und wir sehen auch die Grundlagen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit weiterhin gegeben. Und ich hoffe, dass am Sonntag die Koalition wirklich in vielen Punkten vorankommt, also nicht nur bei der Steuer, sondern auch bei mehr Geld für den Bereich Verkehrsausbau, im Bereich der Pflege, bei den Konversionsprogrammen für Bundeswehrstandorte, beim Betreuungsgeld, das ist der CSU sehr wichtig …

    Zagatta: … und wenn nicht, Herr Huber, und wenn nicht?

    Huber: Dann hat die Koalition in der Tat ein Problem. Aber die Kanzlerin wird schon wissen, was gefordert wird. Man kann nicht alle 14 Tage einen Koalitionsgipfel platzen lassen oder verschieben. Jetzt ist die Koalition gefordert, dem Bürger Handlungsfähigkeit zu beweisen.

    Zagatta: Das war Erwin Huber, der frühere Vorsitzende der CSU. Herr Huber, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!

    Huber: Ein schönes Wochenende, Wiederhören!

    Zagatta: Wiederhören, Ihnen auch ein schönes Wochenende!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.