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Erzieher an Grundschulen
Zu wenig Zeit für effektives Arbeiten

Erzieher an Grundschulen sollen das Angebot von Schulen ergänzen. Eine aktuelle Studie zeigt jedoch, dass die Erzieherinnen an Berliner Schulen öfter als Ersatzlehrer herhalten müssen, als effektive pädagogische Arbeit leisten zu können. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert klare Regeln für den Arbeitsalltag.

Von Verena Kemna | 22.04.2015
    Leeres Klassenzimmer mit hochgestellten Stühlen, aus dem ein Drittklässler läuft.
    Erzieherinnen und Erzieher sind da, wenn die Schule aus ist - im Ganztag betreuen sie die Kinder. (picture alliance / dpa - Armin Weigel)
    Die Schülerinnen und Schüler einer Kreuzberger Grundschule stürmen nach der Pause in ihre Klassenzimmer. An der Tür zum Elterncafé stehen Hinweise nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Arabisch und Türkisch. Wir sind eine ganz normale Kreuzberger Grundschule, meint der Erzieher Gökhan Akgün:
    "Die Kinder haben unterschiedliche Backgrounds, wir haben viele Kinder, die arabisch oder türkischsprachig sind, aber wir haben auch Kinder, die aus unterschiedlichsten Ländern stammen. Für uns sind natürlich alle Kinder Berlinerinnen und Berliner."
    Eigentlich sollen Erzieherinnen und Erzieher die Lehrkräfte im Unterricht unterstützen, unter anderem den Schülern in den Freistunden bei den Hausaufgaben helfen, die Freizeit in der Schule bis um 16 Uhr mit gestalten, Arbeitsgemeinschaften organisieren, basteln und spielen, den Kontakt zu den Eltern suchen. Kurzum, sie sollen Ansprechpartner sein und sich kümmern, wenn es Probleme gibt. Doch für die eigentliche pädagogische Arbeit fehlt die Zeit. Allzu oft müssten Erzieherinnen einspringen, wenn Unterricht ausfällt. So fühlten sich viele als Lückenbüßer ausgenutzt, meint Gökhan Akgün. Er, selbst Erzieher und engagiertes Gewerkschaftsmitglied, erlebt das jeden Tag.
    "Wenn die Kolleginnen sich nicht vorbereiten können und keine pädagogische Aktivitäten anbieten können, dann ist das nicht gut für die Kolleginnen. Sie fühlen sich im Stich gelassen, sie fühlen sich überfordert, sie fühlen sich als Aufpasser, nicht als Person, die kompetent ist und was anbietet, einen pädagogischen Auftrag hat, sondern als Aufseherin."
    Lärm, enge Räume, keine Rückzugsmöglichkeiten
    Diese Erfahrung teilen fast alle der im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft befragten Erzieherinnen in Berliner Grundschulen. In der wissenschaftlichen Studie zu den Arbeitsbelastungen beklagen die meisten den knappen Personalschlüssel. So sind derzeit etwa vier Wochenstunden für die unterrichtsbegleitende Arbeit der Erzieher vorgesehen. Doch die Ergebnisse der Studie sprechen eine andere Sprache. Demnach unterstützen die Erzieher nach eigenen Angaben den Unterricht nicht nur vier, sondern bis zu 15 Stunden pro Woche. Dazu kommen Lärm, enge Räume, keine Rückzugsmöglichkeiten in der Pause. Wenn Lehrer sich krank melden, müssen Erzieherinnen wie Annette Stark einspringen. Erst gestern hat wieder einmal ein Anruf der Schulleitung all ihre Vorbereitungspläne zunichtegemacht:
    "Zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn meldete sich der Konrektor bei mir, er hat zwei nette Klassen im Angebot, die Kolleginnen haben gerade angerufen, sie fallen aus. Also blieb unsere Arbeit liegen und wir haben betreut und die zweite und dritte Stunde ging es dann auch wieder in den Klassen weiter."
    "Ich brauche einfach Zeit"
    Für die mehr als 5.000 Erzieherinnen an Berliner Grundschulen fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eine Personalausstattung von 110 Prozent. Vor allem sollten die Erzieherinnen nicht als Ersatzlehrer herhalten müssen, wenn Unterricht ausfällt. Stress, Termindruck, zu viele Arbeitsaufgaben, keine effektive Arbeit mit dem einzelnen Kind, das alles bemängeln die Befragten laut Studie. Der Erzieher Gökhan Akgün formuliert eine wichtige Forderung der Gewerkschaft:
    "Ich erwarte, dass die Senatsverwaltung klipp und klar den Kollegen Vor- und Nachbereitungszeiten zugesteht. Für eine qualitativ gute pädagogische Arbeit, das erwarte ich von der Senatsverwaltung. Und dass die Zeiten für die Unterrichtsbegleitung klar geregelt werden."
    Klare Regeln für den Arbeitsalltag und mehr Zeit, das fordert auch die Berliner GEW-Vorsitzende Doreen Siebernik:
    "Wenn ich in der Holzwerkstatt mit den Kindern etwas bauen möchte, dann brauche ich dafür Zeit, sowohl vorher, als auch hinterher. Wenn ich in der Turnhalle einen Sportkurs mache, dann sage ich nicht, wir schließen auf, da ist der Ball und nach einer Stunde gehen wir wieder raus. Ich brauche einfach Zeit. Diese Zeit wird Erzieherinnen nicht verlässlich gewährt."