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"Es gab da keinerlei Bedenken"

Frauke Greiner hat Vorwürfe zurückgewiesen, das diesjährige Jurymitglied Yu Nan sei zugunsten des Wettbewerbsfilms des Regisseurs Wang Quan'an befangen. Die Schauspielerin habe zwar mit dem Regisseur gearbeitet, gleichwohl werde sie "professionell unabhängig bleiben".

Frauke Greiner im Gespräch mit Karin Fischer | 09.02.2010
    Karin Fischer: Die chinesische Schauspielerin Yu Nan ist Mitglied der Berlinale-Jury. In ihrer Heimat gilt sie als Königin des Arthouse-Films, weil sie eine ganze Reihe von beeindruckenden Frauengestalten gespielt hat. Sie war die Hauptdarstellerin in "Tuyas Hochzeit", der vor drei Jahren in Berlin den Goldenen Bären gewann. Mit dessen Regisseur, Wang Quan'an, hat sie insgesamt schon vier Filme gemacht. In diesem Jahr wird Wang Quan'ans neuester Film sogar die Berlinale eröffnen. Kann das denn angehen, dass die bevorzugte Schauspielerin über den von ihr bevorzugten Regisseur zu entscheiden hat? Ist sie da nicht befangen, ja parteiisch? Das habe ich die Berlinale-Sprecherin Frauke Greiner gefragt.

    Frauke Greiner: Ich denke, das ist Teil der Professionalität unserer Jurymitglieder und aller Branchenvertreter, die sich solchen Juryaufgaben widmen, dass sie natürlich professionell unabhängig bleiben. Selbstverständlich achtet man bei einer Juryzusammensetzung darauf, dass zwischen den zu bewertenden Filmen und den Jurymitgliedern keine Verbindung besteht, aber das betrifft dann eher den Bereich, ist das Jurymitglied in irgendeiner Form am Drehbuch beteiligt gewesen, ist es produktionstechnisch drin, hat es eine kleine Nebenrolle oder irgendetwas. Also das muss auf jeden Fall vermieden werden. Aber es ist ja auch selbstverständlich, dass in einer Branche wie der Filmbranche alle irgendwann mal mit allen zu tun gehabt hatten, sei es bei alten Filmen, sei es bei kollegialen Zusammentreffen, seien es private Kontakte.

    Fischer: Das ist klar, das ist ja auch in der Buchbranche nicht anders. Aber noch mal zu unserem aktuellen Fall: Mir kommt das so vor, als ob, um mal eine Analogie zu wählen, die Schauspielerin Ingrid Bergmann in einer Jury über einen neuen Film von Roberto Rossellini zu befinden hätte, der sie berühmt gemacht hat. Das klingt jedenfalls nicht nach einem ganz objektiven Urteil.

    Greiner: Na, ich denke, das müssen wir dann auch Yu Nan überlassen. Sie ist professionell und sollte das auch als Jurorin sein, da sind wir von überzeugt. Wenn sie selbst Bedenken hat, kann sie immer noch entscheiden, dass sie sich aus bestimmten Juryentscheidungen, wenn es dann ganz auf Messers Schneide steht, sich zurückhält. Aber das, denke ich, müssen wir denen überlassen, weil die Jury ist unabhängig, und unabhängig ist auch jedes einzelne Jurymitglied.

    Fischer: Nun kann die von uns jetzt einfach mal unterstellte Befangenheit ja auch eine genau anderweitige Wirkung haben, nämlich eine Art Übervorsicht dem befreundeten Regisseur gegenüber auslösen, eine Schere im Kopf, so oder so. Das Urteil von Yu Nan wird keine volle Gültigkeit haben können, speziell, wenn sie sich bei bestimmten Entscheidungen raushalten muss, so wie Sie vorschlagen.

    Greiner: Nein, das ist kein Vorschlag, das ist natürlich dem jeweiligen Jurymitglied überlassen, wenn es sagt, ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht. Wir gehen nach wie vor davon aus, Yu Nan weiß, dass dieser Film im Wettbewerb ist, sie hat sich auf die Juryaufgabe eingelassen und darüber wurde auch gesprochen, und es gab da keinerlei Bedenken, dass es in irgendeiner Form sozusagen ihre professionelle Haltung gegenüber dem Film, den 20 Filmen, die hier um die Bären-Preise konkurrieren, irgendwie beeinflussen könnte.

    Fischer: Wang Quan'an ist sei seinem ersten Spielfilm Dauergast auf der Berlinale, mit seinem Debüt war er im Forum zu sehen, mit seinem zweiten Film 2004 im Panorama. Es gibt ja Absprachen zwischen Studios, Stars und Festivals, die man lieber nicht so ganz genau wissen will. Ich frage Sie jetzt einfach ganz offen: Kann es vorkommen, dass ein Regisseur sagt, ich gebe euch meinen nächsten Film für den Wettbewerb nur, wenn ihr meine Leib-und-Magen-Schauspielerin in die Jury nehmt?

    Greiner: Nein, auf keinen Fall. Das ist von den zeitlichen Abläufen auch völlig anders konstruiert. Also eine Juryzusammensetzung hat überhaupt gar nichts mit der Zusammensetzung oder Filmauswahl zu tun, das muss unabhängig laufen. Und es ist selbstverständlich so, dass die Filme eingereicht gesehen werden zu einem Zeitpunkt, wo vielleicht sogar schon erste Jurymitglieder bestätigt sind, das kommt durchaus vor, aber das muss völlig getrennt behandelt werden, das geht gar nicht. Also solche Absprachen finden definitiv nicht statt.

    Fischer: Das war Frauke Greiner mit Auskünften zu Yu Nan, die chinesische Schauspielerin ist Mitglied der diesjährigen Berlinale-Jury.