Dienstag, 23. April 2024

Archiv


"Es geht auch um die Verhinderung von Migrationsgründen"

Bernd Hemmingway, Leiter der Deutschen Mission der Internationalen Organisation für Migration, plädiert für ein geordnetes Migrationsprogramm, in das Herkunfts-, Transit- und Zielländer eingebunden werden. Damit könne man das Schlepperwesen eindämmen. Außerdem sei es wichtig, Gründe für Auswanderung in den betreffenden Ländern zu bekämpfen, betonte Hemmingway.

25.04.2006
    Durak: "Gefährlicher Transit – die afrikanische Wanderung nach Europa", so heißt eine Reportageserie, mit der wir uns hier im Deutschlandfunk in dieser und in der nächsten Woche befassen, mit den Wegen und Schicksalen, mit ihren Beweggründen, nach Europa zu kommen, mit den Geschäften von Schleppern und Bemühungen der europäischen Länder, der unkontrollierten Migration Herr zu werden. Heute um 8.20 Uhr schauen wir zum Beispiel nach Mali, wollen jetzt aber diese Problematik vertiefen im Gespräch mit Bernd Hemmingway. Er leitet die Deutsche Mission der Internationalen Organisation für Migration. Das wiederum ist eine weltweit agierende Hilfsorganisation, in der über 100 Staaten vertreten sind, die auch mit Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeitet. Deren Ziel ist es, bei der Rückführung und Wiedereingliederung von Flüchtlingen, von Migranten, von Vertriebenen zu helfen, in vielfältiger Weise inzwischen. – Herr Hemmingway, stimmt in etwa meine Beschreibung?

    Hemmingway: Es geht nicht nur um Reintegration und freiwillige Rückkehr, sondern auch um die Verhinderung von Migrationsgründen, die dann in eine irreguläre Migration hineinführen würden, das heißt also um ein geordnetes und gewolltes Migrationsprogramm für alle, die beteiligt sind, nämlich Herkunfts-, Transit- und Zielländer.

    Durak: Und wie wollen Sie das schaffen?

    Hemmingway: Das lässt sich sicherlich auf Dauer einrichten. Man kann sehr gute Maßnahmen treffen, um in dem Bereich erfolgreicher tätig zu werden. Man kann sicherlich kurzfristig Hilfe für Migranten anbieten, die gestrandet sind. Da komme ich in den Bereich, den Sie schon angesprochen haben, nämlich die freiwillige Rückkehr, aber insbesondere auch die Reintegration von gestrandeten Migranten, gerade wenn man sich Schwellenländer in Nordafrika anguckt, hauptsächlich nordafrikanische Länder, die ja sehr, sehr stark auch durch die Migration aus der Region Subsahara-Afrika betroffen sind.

    Durak: Woher kommt das Geld, das Ihre Organisation ausgibt?

    Hemmingway: Das Geld kommt von ganz unterschiedlichen Gebern. Das ist also einmal unsere Struktur, die finanziert wird von unseren Mitgliedsstaaten, 116 an der Zahl, aber unsere einzelnen Projekte werden finanziert von einzelnen Geldgebern, mehr und mehr der private Sektor, der sich daran beteiligt, weil auch der private Sektor mehr und mehr seine Interessen an einer geordneten Migration erkennt. Wir werden also gehalten von unseren Mitgliedsstaaten und sind eine zwischenstaatliche Organisation, die ihren Hauptsitz in Genf hat.

    Durak: Übernehmen Sie, was beispielsweise Deutschland betrifft, nicht Arbeiten und Aufgaben des zuständigen Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung?

    Hemmingway: Wir arbeiten sehr eng zusammen mit der Bundesregierung, nämlich in Bereichen der freiwilligen Rückkehr, aber auch insbesondere in Bereichen, die das Thema Migration mit dem Thema Entwicklung behandeln. Ich will da nur ein kurzes Stichwort nennen: Das große Potenzial, das die hier lebende Diaspora hat im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Das heißt also hier lebende Migranten, die man für Zwecke der Entwicklungszusammenarbeit für kurze Zeit in ihre Herkunftsländer entsenden kann, die dort sicherlich einen viel, viel größeren Einfluss und auch Erfolg haben können als Mitarbeiter von fremden Kulturen in der Zusammenarbeit haben, ein sehr, sehr erfolgreiches System in dem Bereich. Wir übernehmen dort aber keinesfalls Aufgaben, sondern arbeiten sehr, sehr eng zusammen.

    Durak: Herr Hemmingway, noch eine Frage zu jenen, die noch nicht da sind sagen wir mal in Europa, also jenen, die kommen wollen. Die europäischen Länder sind ja eigentlich auf Migration angewiesen, denn ihre Bevölkerungszahl schwankt. Wie aber kann sie eine kontrollierte Migration hinbekommen?

    Hemmingway: Wir haben so etwas ausprobiert beispielsweise zwischen Guatemala und den Vereinigten Staaten von Amerika, denn das Problem bei der irregulären Migration ist: die irregulären Migranten können aus dem Zielland nicht wieder ausreisen, weil sie sich dann ja wieder in die Gefahr der neuen Wiedereinreise setzen müssten, was ja auch sehr, sehr teuer ist. Für eine Einreise in die Europäische Union aus Subsahara-Afrika zahlt man heutzutage mindestens 10.000 €. Das heißt also das jetzige System spielt eigentlich sehr stark Gruppen organisierter Kriminalität in die Hände, die ein sehr, sehr großes Geschäft daraus machen, was momentan Größenordnungen erreicht hat, die eigentlich ähnlich dem des Drogengeschäftes sind.

    Durak: Über solche Dinge berichten wir in unseren Reportagen auch. Eine andere Möglichkeit, Herr Hemmingway, eine kontrollierte Migration zu ermöglichen und wirklich zu steuern, ist ja, dass man sozusagen Kontingente festsetzt, dass man also eine bestimmte Zahl von Migranten zulässt. Das ist eine sehr heikle Angelegenheit und sicherlich nur bilateral zu regeln?

    Hemmingway: Bilateral sicherlich, aber auch über europäische Fragen zu beantworten. Das ist aber sicherlich nur eine von sehr, sehr vielen Möglichkeiten, die man in dem Bereich der Zuwanderung machen kann. Auch wenn man sich dann Programme anguckt, die ja europaweit laufen, im Bereich der Legalisierung von irregulären Migranten, dann muss man sich doch fragen, warum kann man bei einer Zahl von beispielsweise 700.000 Migranten, die letztes Jahr in Spanien regularisiert worden sind, nicht schon von Vornherein ein Programm machen, wenn man weiß, dass man diese Arbeitskräfte auch braucht. Es ist ein Potenzial da, das es zu regulieren und zu managen gilt und dem auch das Wasser abzugraben, was momentan dort an Menschenschmuggel weltweit stattfindet.

    Durak: Ein anderer Punkt, um jetzt wieder zu jenen zu gehen, die schon in den europäischen Ländern sind, sind diejenigen, die Sie bewegen wollen, freiwillig zurückzukehren, denen Sie auch helfen mit verschiedenen Projekten oder Dingen. Auch mit Geld?

    Hemmingway: Denen wir auch helfen mit verschiedenen Dingen, unter anderem auch mit Geld, da aber sicherlich mit sehr, sehr geringen Beträgen, die sich abspielen in einer Größenordnung von höchstens 1.500 €. Was für uns viel wichtiger ist, sind gezielte Maßnahmen der Reintegration anzubieten, das heißt also auch nachhaltige Dinge, weil die Erfahrung hat gezeigt, dass Geld eigentlich nicht nachhaltig dort eingesetzt wird, sondern dass Maßnahmen, die Investitionen mit sich ziehen, viel, viel sinnvoller sind. Das heißt also beispielsweise ein freiwillig rückkehrender Schreinermeister nach Afghanistan, der dort zwei oder drei Stellen schafft, hat auch in der Entwicklungszusammenarbeit einen viel, viel größeren Einfluss als möglicherweise ein großes Projekt, was angelegt worden ist. Wir versuchen also, dort die unterschiedlichsten Maßnahmen einmal ordnungspolitischer Art und Weise, aber auch der Entwicklungszusammenarbeit miteinander zu verbinden, um dann halt eben einen Mehrwert daraus zu gewinnen.

    Durak: Bernd Hemmingway, Leiter der Deutschen Mission der Internationalen Organisation für Migration. Herr Hemmingway, besten Dank für das Gespräch!

    Hemmingway: Ich bedanke mich auch!