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"Es geht in hohem Maße um eine Wirtschaftskonferenz"

Klima- und Nahrungsmittelkrise werden sich untereinander schnell verbinden, warnt der ehemalige Umweltminister und jetzige Vizepräsident der Welthungerhilfe Klaus Töpfer angesichts der UNO-Klimakonferenz. Auch aus wirtschaftlichem Blickwinkel kann er das Zögern der Staaten beim Umweltschutz nicht nachvollziehen.

Klaus Töpfer im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 11.12.2010
    Jürgen Zurheide: Cancun soll uns noch einmal beschäftigen in dieser Sendung. Wir haben ja vorhin mit dem Kollegen vor Ort gesprochen: Bewegung, aber noch kein Ergebnis; das Zwei-Grad-Ziel wird akzeptiert; 100 Milliarden, der Fonds soll kommen – aber die Details liegen noch offen. Über all das wollen wir reden, soweit es zu diesem Zeitpunkt geht, und ich freue mich, dass Klaus Töpfer, der frühere Umweltminister, jetzt bei uns am Telefon ist. Guten Morgen, Herr Töpfer!

    Klaus Töpfer: Einen schönen guten Morgen!

    Zurheide: Zunächst einmal: Wir wissen, dass das Ergebnis noch nicht vorliegt, aber es scheint ja darauf hinauszulaufen, dass es Zielmarken sind, auf die man sich verständigt, aber wie man da hinkommen will, das lässt man dann offen. Ist das etwas, wo Sie sagen, na ja, auf der einen Seite bin ich froh über die Zielmarken, aber wie wir da hinkommen wollen, wäre ja auch ganz wichtig? Was hinterlassen solche möglichen Ergebnisse bei Ihnen für Gefühlslagen im Moment?

    Töpfer: Ja, was notwendig ist, ist, dass man handelt. Dieses steht im Vordergrund und das wird immer dringlicher. Deswegen ist es ja auch richtig und notwendig, dass man über diese Konferenz hinaus – also nicht nur zeitlich hinaus, sondern über die Instrumente, über die Diskussion hinaus – auch gerade national vorankommt, dass man sich bemüht, national Partnerschaften einzugehen mit solchen Staaten, die ebenfalls diese Verpflichtung zu einem aktiven Klimaschutz vorantreiben; dass wir Technologiezusammenarbeit voranbringen etwa mit China, mit Indien, mit den großen Schwellenländern, aber eben auch mit Afrika, dass wir dort die breiten Möglichkeiten der erneuerbaren Energien fördern. Dies ist ja immer und immer wieder festzuhalten: Es geht hier nicht um eine nur Umweltkonferenz, sondern es geht in hohem Maße um eine Wirtschaftskonferenz, die damit auch für die Arbeitsplätze bei uns und für die Perspektive einer Exportnation Deutschland von größter Bedeutung sind. Hier voranzukommen ist also sicherlich nicht nur über Ziele zu erreichen, sondern durch ganz konkrete, den eigenen Vorstellungen nahekommende Zusammenarbeit mit vielen Staaten.

    Zurheide: Es gibt ja etliche, die im Moment sagen, diese Art von Konferenzmarathon, wo da ich weiß gar nicht wie viele Menschen zusammenkommen in einem großen Hotel und in Konferenzsälen, die dann die Sonne überhaupt nicht mehr sehen, dass das vielleicht gar nicht so das Richtige ist. Höre ich bei Ihnen auch, dass möglicherweise man noch mal nachdenken muss: Brauchen wir diese Art von Großereignissen?

    Töpfer: Also Sie wissen, ich habe ja viele dieser Großereignisse mitgestaltet und man hat daran teilgenommen. Es ist sicherlich immer wieder frustrierend über die Tage, die Nächte hinwegzusehen, wie einzelne kleine Vorbehalte den gesamten Prozess aufhalten. Natürlich kann man sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass es eine umgekehrte Beziehung gibt zwischen der Zahl der Teilnehmer an einer Konferenz und den Ergebnissen dieser Tagung; man muss also ganz sicherlich auch über das Format nachdenken. Eins sollte aber wenn immer möglich nicht erreicht werden, nämlich dass man diesen Prozess aus den Vereinten Nationen herauszieht. Dann fehlt die völkerrechtliche Bindung, dann fehlt die Verpflichtung bei vielen auch so zu handeln, wie einige, etwa die G-20 oder andere, beschlossen haben. Aber auch nach einer solchen Konferenz: Es kann nicht einfach so gehen, dass man sagt, na ja dann nächstes Jahr in Durban, und wenn nicht in Durban, dann in 2012 in Rio, wenn wir 20 Jahre Rio – 1992 – zu begehen haben ... Also dieses Weiterhangeln ermüdet nicht nur die Verhandler, sondern lässt auch viele Menschen fragen, ob denn das nicht durch andere Verfahrensstränge besser gemacht werden kann. Wir sehen natürlich vergleichbare Dinge auch im Handelsbereich, mit der Welthandelsorganisation, sehen Sie sich den sogenannten Doha-Prozess an, auch der geht über Jahre, über Jahre, und immer wieder wird geblockt, immer wieder wird etwas festgehalten. Also man muss schon sagen, es geht hier auch um die Zukunft eines multilateralen Systems und einer multilateralen Handlungsmöglichkeit.

    Zurheide: Kommen wir noch mal auf die Europäische Union: Es gibt ja den einen oder anderen, der sagt gerade das, was Sie, Herr Töpfer, vorhin angesprochen haben, dass die Europäer eigentlich viel deutlicher dann sagen müssten, okay, wenn wir auf globaler Ebene da Dinge nicht durchsetzen können, dann zeigen wir als Europäer, wir können das technologisch und wir handeln dann mit denen zusammen. Was erwarten Sie da zum Beispiel von der Europäischen Union?

    Töpfer: Ja ich sage noch mal, die Hauptargumente gegen ein solches Vorgehen sind hier immer: Aber wenn wir handeln und die anderen nicht, dann haben die einen Wettbewerbsvorteil, und wir werden dadurch ökonomisch belastet.

    Zurheide: Und Sie sehen es genau andersrum?

    Töpfer: Und dies ist meiner Meinung doch sehr, sehr intensiv zu überprüfen, ob die Argumentation wirklich stimmt. Alles, was wir bisher gesehen und getan haben, zeigt, dass es genau anders ist. Wir haben in Deutschland angefangen, die Kohlekraftwerke zu entschwefeln und zu entsticken, als niemand anders das tat. Und man hat damals auch gesagt, das kann ja nicht sein, das wird uns sehr große Schwierigkeiten machen. Wir haben dadurch technologische Möglichkeiten vorangebracht, jetzt sind wir einer der wichtigsten Staaten im Export von Rauchgasentschwefelungsanlagen und jeder braucht sie, in besonderer Weise China, weil sie alle sehen, dass eine derartige hohe Schwefelbelastung für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt große Belastung mit sich bringt. Wir sehen das an vielen anderen, an der Kreislauf-Wirtschaft ... Sie können gar nicht aufhören. Es ist ja nicht so, dass die Staaten, die in besonderer Weise engagiert Umweltpolitik betrieben, gegenwärtig in besonderer Weise in der Schwäche der wirtschaftlichen Entwicklung stehen, das Umgekehrte ist der Fall: Dort, wo engagiert technologische Neuerungen herausgekitzelt wurden, dadurch dass man Knappheiten machte, dass man Vorgaben machte, sind diese Technologien zu einem Exportschlager geworden. Also man muss wirklich mal daran etwas rütteln, dass immer derjenige, der vorangeht, der eigentlich Dumme ist und die anderen lachen sich ins Fäustchen – genau so ist es nicht gewesen. Deutschland nebenbei ist ein sehr guter Belegfall dafür, dass dort, wo engagiert Umweltpolitik gemacht wird, auch und gerade die Exportwirtschaft außerordentlich boomt.

    Zurheide: Sie sind neben Ihren vielfältigen Funktionen auch Vizepräsident der Welthungerhilfe. Ich will deshalb noch mal auf die vielen Menschen in dieser Welt zu sprechen kommen, die eben zu wenig zu essen haben, die Hunger leiden, fast eine Milliarden Menschen. Auch dieser Zusammenhang zum Klima, der muss doch eigentlich aufrütteln, oder?

    Töpfer: Ja, wir müssen immer und immer wieder darauf hinweisen: Die Zahl der Menschen steigt an, sie alle wollen ernährt werden. Wir wissen, dass Klimawandel jetzt schon und in der Zukunft verstärkt, wenn da nicht gegen massiv gehandelt wird, die Ertragsfähigkeit von Böden mindert, dass wir durch extreme Wetterereignisse sehr große Rückschläge auch in der Nahrungsmittelproduktion bekommen. Also ein ohnedies extrem schwieriges Thema, die Ernährung von im Jahre 2050 neun Milliarden wird durch Klimaveränderung noch einmal deutlich erschwert. Sie können also gerade dahin sagen, dass die Krisen untereinander sich schnell verbinden werden, eine weitere Veränderung unseres Klimas wird die Nahrungsmittelkrise sicherlich erhören und gerade wiederum diese treffen, die in den Entwicklungsländern darunter leiden und die für den Klimawandel nun wirklich keine Verantwortung zu übernehmen haben – sie haben eine Pro-Kopf-Emission in Afrika von 0,3 Tonnen CO2, bei uns sind es über 10 Tonnen.

    Zurheide: Das war Klaus Töpfer mit einem weiteren Plädoyer für das Handeln in der Umweltpolitik. Herr Töpfer, ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch.

    Töpfer: Danke Ihnen auch sehr herzlich!