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"Es geht nicht um das Totalverbot"

Ein Massaker wie im amerikanischen Newton wäre in Deutschland "kaum denkbar", sagt der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl. Hierzulande sei seit dem Amoklauf von Winnenden viel getan worden, um das Waffenrecht zu verschärfen. Ein Verbot großkalibriger Waffen lehnt Uhl ab.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Silvia Engels | 17.12.2012
    Silvia Engels: Nach dem Schulattentat in Newtown hat in den USA eine neue Runde der Debatte um schärfere Waffengesetze begonnen. Solche Ansätze kommen nach Massakern immer wieder auf; bislang blieben sie allerdings ohne Ergebnis. Als Grund dafür wird regelmäßig die starke Waffenlobby in den Vereinigten Staaten angeführt. Daneben ergeben aber auch Umfragen regelmäßig eine Mehrheit für ein liberales Waffenrecht. Barack Obama hatte im Wahlkampf vor seiner ersten Präsidentschaft angekündigt, sich für strengere Waffengesetze einzusetzen; viel geschehen ist nicht. Nun hoffen Anhänger einer stärkeren Kontrolle, dass Obama seine zweite Amtszeit zu Maßnahmen nutzen wird. Gestern besuchte der US-Präsident die Trauerfeier für die Opfer in Connecticut.

    Ob Präsident Obama in den USA konkrete Verschärfungen des Waffenrechts auf den Weg bringen wird, ist noch offen. Die Debatte darüber schwappt nun auch nach Deutschland. Hier sind die Regeln, wer Waffen kaufen darf und wer nicht, viel strenger als in den Vereinigten Staaten. Doch die Tatsache, dass der Schütze in den USA sich die Waffen zuhause besorgte, wo seine Mutter sie aufbewahrte, hat auch hier die Diskussion wieder aufflackern lassen, wie Pistolen und Gewehre gelagert werden sollten oder eben auch nicht.

    Die Waffengesetze – wir haben es gerade gehört – wurden in den letzten Jahren nach dem Amoklauf von Winnenden noch einmal verändert, zuweilen auch verschärft. Am Telefon begrüße ich Hans-Peter Uhl, er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Inneres der Unions-Bundestagsfraktion und gehört der CSU an. Guten Tag, Herr Uhl.

    Hans-Peter Uhl: Ja, grüß Sie Gott aus München.

    Engels: Eltern sorgen sich, ob eine solche Tat wie damals in Winnenden und nun in Newtown auch nach wie vor in Deutschland geschehen könnte. Was antworten Sie ihnen?

    Uhl: Dass wir als Gesetzgeber das Menschenmögliche getan haben, um das Gesetz, das Waffenrecht so zu verschärfen, dass es unwahrscheinlich ist, dass so etwas passiert. Und dennoch können Sie es gänzlich nie ausschließen. Aber das, was jetzt passiert ist in den USA, so etwas kann man für Deutschland ausschließen. In den USA haben Sie so gut wie keine Vorschriften, was den Gebrauch, den privaten Gebrauch von Waffen anlangt. Und man fragt sich: Was hat diese Frau, die Mutter dieses Mannes, getan mit diesen Waffen, wozu braucht sie ein solches Waffenarsenal, von dem der wohl geistesgestörte Sohn dann Gebrauch machen konnte? Dies alles wäre so in Deutschland kaum denkbar.

    Engels: Der Täter in den USA, Sie haben es angedeutet, hat sich die Waffen seiner Mutter angeeignet, die von dieser zuhause aufbewahrt wurden. Auch in Winnenden hat damals der Täter eine Waffe seines Vaters entwendet. Da gibt es doch Parallelen?

    Uhl: Ja, aber wir haben nach Winnenden das Waffengesetz in der Weise geändert, dass wir gesagt haben, wir wollen auch durch eine Rechtsverordnung den Stand der Technik abbilden. Wenn es Sicherungssysteme in der Waffe gibt, zum Beispiel Blockiersysteme, dann kann dies durch eine Rechtsverordnung auch zugelassen werden, sodass der jeweilige Täter sich zwar die Waffen aneignen kann, damit aber nicht schießen kann, weil sie blockiert sind. So etwas ist denkbar.

    Engels: Ist das denn schon tatsächlich umgesetzt?

    Uhl: Dieses ist gerade dabei, umgesetzt zu werden als eine zusätzliche Möglichkeit der Sicherung von Waffen, sodass sie, wenn sie in falsche Hände gekommen sind, dennoch nicht benutzt werden können.

    Engels: Nach dem Amoklauf in Winnenden wurde ja unter anderem beschlossen, dass Waffenbesitzer, die Pistolen oder Gewehre zuhause aufbewahren, auch mit nicht angekündigten Kontrollen rechnen müssen. Welche Erfahrungen haben denn die Behörden bislang damit gemacht? Wird das in der Praxis überhaupt umgesetzt?

    Uhl: Das wird natürlich umgesetzt. Das ist zwar sehr arbeitsintensiv, weil sie ja Hausbesuche machen müssen durch die Beamten, aber das wird konsequent von den Waffenbehörden in den Kommunen gemacht, ob angemeldet oder unangemeldet ist gar nicht das Entscheidende, Hauptsache man geht dort hin, und es wirkt sehr intensiv auf die Waffenbesitzer, weil sie plötzlich merken, sie haben ein gefährliches Gerät zuhause. Manchmal ist es geerbt worden und man hat gar kein Bewusstsein hinsichtlich der Gefährlichkeit und hat das nicht so aufbewahrt, wie es vorgeschrieben ist. Diese Dinge werden auf diese Weise geklärt. Häufig nehmen die Beamten die Waffen dann auch mit, weil der jeweilige Eigentümer gar kein Interesse an der geerbten Waffe hat.

    Engels: Nun wird aber auch gerade aus München gemeldet, dass eigentlich nur zwei Polizisten für mehrere zehntausend Waffenbesitzer zur Verfügung stehen, um diese zu kontrollieren. Das kann doch nicht funktionieren?

    Uhl: Das machen nicht Polizisten, sondern das machen die Beamten der Kommunalverwaltung, also des Münchener Kreisverwaltungsreferates. Ich kenne diese Behörde sehr gut, weil ich elf Jahre ihr Chef war. Also das ist umsetzbar. Das braucht natürlich seine Zeit, aber es ist auch im schriftlichen Verfahren jeder Waffenbesitzer angeschrieben worden und jeder Waffenbesitzer musste die Art der Aufbewahrung seiner Waffe schriftlich mitteilen, zur Not auch ein Foto der Sicherung dieser Waffe mitliefern. Also nicht nur der Hausbesuch, auch andere Dinge sind gemacht worden, sodass wir schon einen sehr konsequenten Vollzug haben.

    Engels: Gab es da auch einen Rücklauf der Waffenbesitzer? Das heißt, treffen Sie da auf die Bereitschaft zu kooperieren?

    Uhl: Ja natürlich. Vernünftige Waffenbesitzer kooperieren, weil sie ja genau wissen, die Behörde sitzt am längeren Hebel. Es ist völlig chancenlos, mit der Waffenbehörde einen Streit anzufangen, weil ja die Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers immer wieder überprüft werden muss, und das Bedürfnis wird sehr streng überprüft und im Zweifelsfall werden dem Waffenbesitzer die Waffen einfach abgenommen.

    Engels: Der Innenminister von Baden-Württemberg, Gall von der SPD, klagte heute Früh im Deutschlandfunk, dass für ein Verbot großkalibriger Waffen im Sportbereich im Bundesrat derzeit keine Mehrheit zu gewinnen sei. Wäre so ein Verbot angezeigt?

    Uhl: Nein. Das ist kein guter Vorschlag des Innenministers, weil wir immer wieder Fälle haben, bei denen mit Kleinkaliberwaffen Menschen getötet wurden.

    Engels: Ist das denn ein Grund, Großkaliber zuzulassen?

    Uhl: Ja, weil es Schützenwettbewerbe gibt, auch internationale Wettbewerbe, wo mit großkalibrigen Waffen geschossen wird. Es geht nicht um das Totalverbot, es geht um die Sicherung von Waffen. Ob Groß- oder Kleinkaliber, das ist nicht das Thema. Alle Waffen müssen sicher aufbewahrt werden, dürfen nicht in falsche Hände kommen, und dafür sorgt der Gesetzgeber, aber auch die Verwaltung und vor allem auch die Schützenvereine. Die Schützenvereine sind hoch verantwortungsbewusst und sagen ihren Schützen und kontrollieren dies auch, wie sie mit den gefährlichen Werkzeugen, die sie besitzen, umzugehen haben.

    Engels: Auf der anderen Seite lehnen es ja die Schützenvereine immer wieder ab, dass beispielsweise bei ihnen die Waffen gelagert werden und eben nicht zuhause. Könnte man da nicht gerade beim Stichwort großkalibrige Waffen dafür sorgen, dass die nicht in Privathaushalte geraten?

    Uhl: Dieser Vorschlag, der ist auch schon alt, aber ebenso töricht, weil die Vorstellung, dass in einem Schützenverein bei dem Schießstand vor den Toren der Stadt, außerhalb der Bebauung, dass dort ein Waffenarsenal eingerichtet wird, nämlich alle Waffen gesammelt werden aller Mitglieder des Schützenvereins, das heißt, mit einem Einbruch in dieses Vereinsheim hätten dann die Einbrecher 100 oder noch mehr Waffen zur Hand, das ist ein ganz schlechter Vorschlag.

    Engels: Aber gerade beim Stichwort großkalibrige Waffen wäre eine bessere Kontrolle zumindest schon mal ein Anfang.

    Uhl: Eben nicht, weil Sie müssten ja dann dieses Schützenvereinsheim vor den Toren der Stadt rund um die Uhr ganzjährig bewachen. Das kann sich kein Schützenverein leisten, er wäre pleite.

    Engels: Gelobt wurde ja gerade in den vergangenen Tagen die Bundesregierung dafür, dass ab kommendem Jahr ein Waffenregister aufgebaut werden soll. Das braucht aber noch einige Jahre, bis klar ist, wer welche legale Waffe hat. Über sechs Millionen solcher Waffen gibt es in Deutschland. Wann kann man aber per Computer oder Knopfdruck sehen, wer welche Waffe überhaupt hat?

    Uhl: Ja es ist höchste Zeit, dass es ein solches nationales Waffenregister gibt. Wir sind durch Europarecht dazu auch gezwungen und haben den Termin um zwei Jahre unterschritten, wir sind also zwei Jahre früher.

    Engels: Aber wann ist das fertig?

    Uhl: Das ist eine komplexe EDV-Anlage, die jetzt geschaffen wird, für mehrere Millionen Euro auf Bundesebene. Es wird im Laufe des nächsten halben Jahres, hoffe ich, fertig sein. Also wir sind schneller, als der europäische Gesetzgeber uns verpflichtet hat.

    Engels: Hans-Peter Uhl, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Inneres der Unions-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch.

    Uhl: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.