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"Es geht um den König als Kommerzgut"

Grenzgenial bis überbordend selbstverliebt: An Preußenkönig Friedrich II., seit heute 300 Jahre alt, dürfen sich die Geister scheiden. Kein Wunder, dass der "Alte Fritz" es auch zum Leinwandhelden brachte. Über 40 Mal wurde Friedrich II. verfilmt - mehr als genug Stoff für das Filmmuseum Potsdam.

Rüdiger Suchsland im Gespräch mit Karin Fischer | 24.01.2012
    Karin Fischer: Heute vor 300 Jahren wurde Friedrich II. geboren. Die Sonate h-Moll für Flöte und Basso continuo, die sie hier gespielt von Emmanuel Pahud hören, hat er selbst komponiert. Doch die musisch-philosophische Ader ist nur eine Facette dieser schillernden, manche sagen charakterlich irrlichternden Gestalt, die gerade deshalb nun auch schon gut 200 Jahre als Projektionsfolie herhalten muss für die Nachwelt: Friedrich der Große war wahlweise der erste aufgeklärte Herrscher in Europa, wagemutiger Feldherr, volksnaher Charmeur oder auch ruhmsüchtiger Zyniker. Bundespräsident Christian Wulff heute zur Eröffnung des Friedrich-Jahres:

    O-Ton Christian Wulff: "Ich glaube, so manche und mancher von ihnen hier im Saal hätte zu Friedrichs Lebzeiten eine Einladung zu seiner berühmten Tafelrunde erhalten. Allerdings hätte mancher an dieser Tafel einige Wahrheiten zum Beispiel über Niederlagen auf dem Schlachtfeld schweigsam mit dem Wein herunterschlucken müssen. Denn was sein Image betraf, kannte der Herrscher kein Pardon."

    Fischer: Kein Pardon kennt auch das große Ausstellungsprojekt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten "Friederisiko", das im April in Potsdam beginnt. Zuvor eröffnete jetzt im Filmmuseum Potsdam eine Ausstellung über Friedrich II. im Film. Sie ist Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten, läuft deshalb auch bis ins Jahr 2013, und sie ist Teil auch des Jubiläumsprojekts, das sich - das darf man jetzt schon vermuten - der Entzauberung des Preußen-Königs gewidmet hat, oder widmen wird. Frage an Rüdiger Suchsland, der für uns in Potsdam war: Hat man deshalb die Filmreihe "Der falsche Fritz" genannt, oder warum dieser Titel?

    Rüdiger Suchsland: Das hat sicher was damit zu tun. Ob die Schau dann auch die Entzauberung zeigt, das muss man mal abwarten. Ich bin mir da nicht so ganz sicher nach den Potsdamer Erfahrungen. Neben dem Filmmuseum selbst ist ja ein alter Bau von Knobelsdorff, also dem Baumeister von Friedrich dem Großen, wird ja auch gerade der preußische Landtag neu gebaut, also der Landtag des Landes Brandenburg. Da sieht man noch so Betonpfeiler, die werden dann mit Gips zugekleistert und dann soll es aussehen wie früher. Warten wir mal ab, ob da nicht so ein bisschen ein Disney Land auch entsteht.
    Die Ausstellung allerdings, die zeigt das eindeutig nicht im Filmmuseum. Sie heißt "Der falsche Fritz" – zum einen, weil es ja um den Fritz des Kinos geht, ganz einfach, den Friedrich den Großen der Historiker, und der des Kinos ist schon anders. Da kommen wir noch drauf.
    Dann geht es sicher auch um die falschen Werte, also diese preußische Pflichterfüllung, der Tugendterror, wenn man das noch freundlich formulieren will, also gar nicht so sehr Freiheitlichkeit, was man vielleicht heute als demokratische Tugend feiern würde, und es ist eben auch nicht der liberale Preußenkönig. Es ist in dem Sinn auch der falsche König, weil es nicht der große Kurfürst ist und nicht der Kurzzeit-Kaiser Friedrich III., sondern dann schon auch der Kriegsherr, den wir oft im Kino sehen.

    Fischer: Über 40 Kino- und Fernsehfilme haben seit 1910 das Bild des Königs vielleicht nicht ganz so stark wie historische Bücher geprägt, aber sie haben es natürlich massentauglich geprägt. Es war damals die Zeit des frühen Films, und die hatte einen Schauspieler, der Friedrich sogar so ähnlich war, dass er bald mit ihm identifiziert wurde.

    Suchsland: Ja, das ist Otto Gebühr. Der hat alleine in über 16 Filmen mitgespielt, und offen gesagt glaube ich schon, dass Otto Gebühr wahrscheinlich zu unserem Friedrich-Bild, das wir alle ein bisschen im Kopf haben, mindestens so viel beigetragen hat wie die Historiker. Das ist auch schon deswegen der Fall, weil wir alle den einen oder anderen Stich von Adolph von Menzel kennen. Der hat über 400 gemalt, um eine Biografie im 19. Jahrhundert zu illustrieren. Und das Bild in den Filmen, das ist oft den Menzel-Stichen und –Zeichnungen nachgeahmt.
    Die Ausstellung selbst ist gegliedert in drei Teile und untersucht das darin, dieses verschiedene Friedrich-Bild - auch teilweise über Otto Gebühr hinaus, aber schon mit dem im Zentrum. Es geht um den König als Kommerzgut, also den Unterhaltungsfilm, der in der Weimarer Republik vorgeblich unpolitisch ist, aber dann doch natürlich hoch politisch. Dann geht es um die Propaganda, also vor allem Friedrich den Großen in der Nazi-Zeit, der ja dann bis in diesen Durchhaltefilm von Veit Harlan, "Der große König" aus dem Jahr 1942, sozusagen in diesem Film gipfelt. Und gleichzeitig spielt das ganze mit dem Mythos Friedrich des Großen, der schon ein Mythos ist, der im 19. Jahrhundert geprägt wurde, aber dann durch das Kino extrem verstärkt und massentauglich gemacht wird.

    Fischer: Wie hat sich das Friedrich-Bild denn dann, Rüdiger Suchsland, in der Nachkriegszeit gewandelt? Da haben wir ja wo möglich zwei ganz unterschiedliche Perspektiven, nämlich die aus dem Osten und die aus dem Westen, der sich mit Preußens Gloria ja lange schwer getan hat.

    Suchsland: Ja. Sie haben sich beide mit Preußens Gloria schwer getan und eigentlich ähneln sich diese Bilder der Nachkriegszeit ganz gut. Man muss ganz kurz zurückschauen: In der Weimarer Republik ist das sicherlich erst mal der menschliche gemütliche Onkel Fritz, der dann eher untergründig politisiert wird. In der nationalsozialistischen Zeit ist es ein offenkundig politisierter Friedrich der Große, eben als der Führer und Durchhaltekönig. Und dann nach dem Krieg, da kann man ihn eigentlich nicht mehr ernst nehmen. Vielleicht wollte man das gerne, aber diese Filme werden dann letztendlich nicht gemacht, oder mit anderen Figuren gemacht. Das ist dann ein mehr oder weniger lächerlicher König und interessanterweise ist es auch einer, der verliert. In der DDR gab es eine Fernsehserie, "Sachsens Glanz und Preußens Gloria", da steht Sachsen nicht ohne Grund an erster Stelle, und da geht es eigentlich um die Einheit, um so eine Art nationale Sinnstiftung in der DDR, die sich ja auch ein bisschen als Nachfolger des roten Preußens gesehen haben. Und in Westdeutschland sind das dann Filme, bei denen eigentlich die Österreicher siegen – denken wir an diese Fernsehserie "Der Kurier der Kaiserin", die Fernsehserie "Friedrich Freiherr von der Trenk". Da sind immer österreichische Soldaten im siebenjährigen Krieg oder in den schlesischen Kriegen die Helden und die Preußen sind eigentlich so ein bisschen diese lächerlichen Autoritätsfiguren, die dann entsprechend, wenn man so will, in dem freien Geist der frühen 70er auch ein bisschen veralbert werden – sachte, also nicht offenkundig plump, aber man kann die nicht mehr ganz ernst nehmen, diese autoritären Knochen.

    Fischer: Ganz kurz zum Schluss: Es ist eine Filmreihe, es ist ja aber auch eine Ausstellung. Worin besteht die?

    Suchsland: Ja. Wir sehen in der Ausstellung ziemlich viele Filmplakate. Wir sehen ein paar Filmausschnitte, wir hören auch das Flötenkonzert zum Beispiel in dem gleichnamigen Film und sehen daneben das Bild von Menzel. Da merkt man, wie exakt das nachgestellt ist. Wir erfahren ein bisschen was vom Leben des Otto Gebühr, der ja eigentlich immer ein Max-Reinhardt-Schauspieler auf der Bühne war, aber dann ganz und gar mit diesem Friedrich identifiziert wurde. Gewissermaßen Otto Gebühr war Friedrich der Große, so wie Pierre Brice Winnetou war.

    Fischer: Rüdiger Suchsland über Friedrich II. im Film.

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