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"Es gibt ein nationales Interesse daran"

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller plädiert für eine Ministererlaubnis zur Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Springer-Konzern. Die Voraussetzung eines nationalen Interesses sei gegeben, sagte der CDU-Politiker. Die Alternative wäre die Übernahme durch einen anglo-amerikanischen Investor, bei der rein ökonomische Gesichtspunkte im Vordergrund stünden. Dabei habe Fernsehen doch auch eine kulturelle Dimension, betonte der Ministerpräsident.

Moderation: Dirk Müller | 25.01.2006
    Müller: Es ist eine harte Auseinandersetzung seit Monaten: die Frage, ob der Springer-Konzern die Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 kaufen darf oder nicht. Jüngst hat das Bundeskartellamt entschieden und klipp und klar "nein" gesagt. Dies will jedoch die Springer-Führung so nicht hinnehmen. Einer könnte dem Konzern jetzt noch weiterhelfen: der Wirtschaftsminister. Denn Michael Glos kann eine Sondererlaubnis erteilen und damit den Kauf ermöglichen. Am Telefon sind wir nun verbunden mit Saarlands Ministerpräsident Peter Müller. Guten Morgen!

    Peter Müller: Guten Morgen!

    Müller: Herr Müller, soll Michael Glos ein Auge zudrücken und "ja" sagen?

    Peter Müller: Ich glaube es geht nicht um die Frage, ob Michael Glos ein Auge zudrücken soll oder nicht. Nach meinem Dafürhalten spricht viel dafür, dass die Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis hier gegeben sind. Ich glaube, dass es überwiegende nationale Belange gibt, die zu berücksichtigen sind. Man muss sehen, dass Fernsehen, dass Rundfunk in der deutschen Tradition eine Veranstaltung ist, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle Dimensionen hat. Man muss sehen, dass die Alternative zu einem Erwerb der Anteile durch Springer der Erwerb durch einen Investor, im Zweifel einen anglo-amerikanischen Investor ist und dass in diesem Fall rein ökonomische Gesichtspunkte dominieren. Die deutsche Position wird geschwächt. Das alles spricht dafür, hier eine Entscheidung zu treffen, die ein starkes, international wettbewerbsfähiges deutsches Unternehmen entstehen lässt, also eine Erlaubnis zu erteilen.

    Müller: Warum ist die Position Deutschlands oder der deutschen Unternehmen denn nicht schon geschwächt? ProSiebenSat.1 ist ja schon in ausländischer Hand?

    Peter Müller: Ja, aber wir können jetzt diese Situation korrigieren und wir können eine Entscheidung treffen, die dazu führt, dass es in Deutschland ein Unternehmen gibt, das als internationaler Player eine starke Position hat, das auch die Veränderungen in den Märkten positiv aufgreifen kann. Vor dem Hintergrund spricht alles dafür, diese Chance für das deutsche Unternehmen auch zu eröffnen.

    Müller: Warum, Herr Müller, haben wir dann in Deutschland noch ein Bundeskartellamt?

    Peter Müller: Das Bundeskartellamt prüft wettbewerbsrechtliche Situationen. Das ist seine Aufgabe. Aber das Kartellgesetz, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, sieht ausdrücklich vor, dass in denjenigen Fällen, in denen es überwiegende Gründe des nationalen Interesses gibt, die Entscheidung des Kartellamtes durch eine Ministererlaubnis korrigiert werden kann. Das hält sich alles in der Systematik des Gesetzes und ist deshalb alles kartellrechtlich vernünftig.

    Müller: Warum nehmen Sie denn in diesem Fall das Veto des Kartellamtes nicht ernst?

    Peter Müller: Das Veto des Kartellamtes wird ernst genommen. Nur man muss sehen, dass das Kartellamt ausschließlich kartellrechtliche Gründe in seine Entscheidung einstellt. Die darüber hinausgehenden standortpolitischen, medienpolitischen Gründe spielen für die Entscheidung des Kartellamtes keine Rolle. Insofern ist die Abwägung, die der Minister treffen muss und nur der Minister treffen kann, eine andere Abwägung als diejenige, die das Kartellamt vornimmt.

    Müller: Bedeutet das umgekehrt, Herr Müller, die Argumente des Kartellamtes, nämlich zu sagen, wir müssen den Wettbewerb schützen, wir müssen ihn erhalten und deswegen darf das alles nicht zusammen kommen, dürfen die beiden Unternehmen nicht ein Unternehmen werden, treffen nicht zu? Haben die Unrecht damit?

    Peter Müller: Ob das kartellrechtlich wirklich trägt, darüber lässt sich trefflich streiten. Es ist die Auffassung des Kartellamtes. Die mag dahinstehen. Wir müssen einfach sehen, dass es Dinge gibt, die nicht ausschließlich unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten entschieden werden dürfen. In anderen Staaten ist das eine Selbstverständlichkeit. Wenn Sie sich die Industriepolitik anschauen, die etwa in Frankreich gemacht wird, dann ist es dort völlig selbstverständlich, dass es ein nationales Interesse daran gibt, Unternehmen aufzustellen, die auch über die Grenzen des Landes hinaus stark sind, wettbewerbsfähig sind. Dieses Interesse gibt es auch bei uns. Der Schutz dieses Interesses ist nicht Sache des Kartellamtes, sondern in diesem Fall dann auch Sache des Ministers, der über die Ministererlaubnis zu befinden hat.

    Müller: Inwieweit, wenn ich so fragen darf, tun dann ausländische Investoren in Deutschland nicht gut?

    Peter Müller: Ausländische Investoren tun in Deutschland gut, selbstverständlich, aber wir haben ja im Moment die Situation einer Abwägung. Es sind ausländische Interessenten da, es sind nationale Interessenten da und die Frage ist, ob wir nicht ein höheres Interesse am nationalen Investor haben sollten - ich glaube, dass das der Fall ist – als an einem irgendeinen ausländischen Investor, dem es um Rendite geht, dem es darum geht, Gewinne zu erzielen, die im Zweifel dann auch nicht in Deutschland verbleiben.

    Müller: Es soll auch deutschen Unternehmen, Herr Müller, ja um Rendite gehen. Das heißt deutsche Unternehmen sind aber besser für die Interessen der Politik?

    Peter Müller: In diesem Fall nach meinem Dafürhalten ja. Es gibt ein nationales Interesse daran, dass es deutsche Unternehmen gibt, die stark sind, die wettbewerbsfähig sind, die im Globalisierungsdruck sich behaupten, und es gibt ein Interesse daran, dass es keinen Ausverkauf der Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland gibt ausschließlich an ausländische Investoren.

    Müller: Das bedeutet, wenn Springer übernimmt, dann werden weniger Jobs abgebaut?

    Peter Müller: Es geht nicht in erster Linie um die Frage der Jobs. Das ist eine Diskussion weder mit Blick auf die ausländischen Investoren noch mit Blick auf Springer - das ist eine betriebswirtschaftliche Frage -, sondern es geht um die Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb, in einem sich verändernden Markt und in einer globalisierten Welt.

    Müller: Haben Sie, Herr Müller, denn nicht die Befürchtung, wenn wir auf diesen Wettbewerb noch einmal zurückkommen. Da sagt das Bundeskartellamt, wenn Springer sich jetzt eben entsprechend vergrößert, gemeinsam mit der RTL-Gruppe, reden wir dann von ungefähr 80 Prozent Medienmarktanteil. Ist das nicht zu viel in Händen von zwei Konzernen?

    Peter Müller: Also die Betrachtung gemeinsam mit der RTL-Gruppe ist natürlich eine problematische Betrachtung, denn RTL ist Konkurrent und nicht Kombattant von Springer.

    Müller: Wenn die SPD jetzt sagt, wir wollen das nicht mitmachen, wie geht das Ganze dann aus?

    Peter Müller: Die Frage der Ministererlaubnis ist eine Frage, die in die Ressortzuständigkeit fällt. Darüber hat der Wirtschaftsminister zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund glaube ich nicht, dass es ein Gegenstand ist, der zwingend im Koalitionsausschuss zu beraten ist. Ich würde empfehlen, den Vorrang der Ressortzuständigkeit auch an diesem Punkt zu beachten.

    Müller: Demnach hat der Koalitionspartner also kein Mitspracherecht?

    Peter Müller: Eine Bundesregierung funktioniert nach dem Ressortprinzip. Jede Regierung funktioniert nach dem Ressortprinzip. Ressortprinzip heißt, dass der jeweils zuständige Minister seinen Geschäftsbereich eigenverantwortlich leitet.

    Müller: Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Peter Müller: Bitte schön! Auf Wiederhören!
    Vor einem Gebäude der Kirch-Gruppe in Unterföhring bei München weht die Fahne der ProSiebenSat.1 Media AG im Wind.
    Vor einem Gebäude der Kirch-Gruppe in Unterföhring bei München weht die Fahne der ProSiebenSat.1 Media AG im Wind. (AP)