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"Es gibt keinen bequemen Weg, die Probleme Griechenlands zu lösen"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht keine Möglichkeit, das Hilfspaket für Griechenland neu zu verhandeln. Wenn Griechenland in der Eurozone bleiben wolle, brauche das Land eine handlungsfähige Regierung, die bereit sei, den Weg der Sparprogramme zu gehen.

Wolfgang Schäuble im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 16.05.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Der Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt derzeit von allen Seiten: Griechenland steuert auf Neuwahlen zu, weil die Bemühungen zur Regierungsbildung gescheitert sind. Am Ende könnten jene Parteien die Mehrheit haben, die sich dem verorteten Sparkurs verweigern. Die sogenannte SPD-Troika aus Siegmar aus Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, auf die die Kanzlerin angewiesen ist, formulierte gestern ihre Bedingungen für eine Zustimmung zum EU-Fiskalpakt. Und am Abend empfing Merkel dann den gerade ins Amt eingeführten französischen Präsidenten Hollande, der ins gleiche Horn stößt wie die deutschen Sozialdemokraten.
    Und am Telefon ist jetzt Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister, von der CDU. Schönen guten Morgen, Herr Schäuble!

    Wolfgang Schäuble: Guten Morgen!

    Heckmann: Reden wir zunächst über Griechenland, hier sind die Gespräche zur Bildung einer Regierung endgültig gescheitert. Das Land steht vor Neuwahlen und dann werden die Parteien wohl die Mehrheit haben, die den Sparkurs nicht mitmachen werden. Müssen wir uns nicht eingestehen, Herr Schäuble, dass Griechenland nicht zu helfen ist?

    Schäuble: Griechenland ist zu helfen, es ist in einer schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Lage als Folge der Versäumnisse von Jahrzehnten. Aber Griechenland muss natürlich bereit sein, die Hilfe auch zu akzeptieren. Und die haben wir in den Programmen für Griechenland sehr sorgfältig festgelegt. Und jetzt ist die Frage, ob Griechenland bereit ist, diese Bedingungen zu akzeptieren. Das ist eine Entscheidung, die muss das griechische Volk in voller Souveränität treffen. Und wenn es Neuwahlen gibt, dann müssen eben diejenigen, die gewählt werden, die Entscheidung treffen, ob sie diese Bedingungen akzeptieren oder nicht. Es gibt keinen bequemen Weg, die Probleme Griechenlands zu lösen. Wenn Griechenland in der Eurozone bleiben will – und das wünschen wir alle, das haben wir auch im Kreise der Finanzminister am Montagabend klar zum Ausdruck gebracht –, dann ist das der Weg, der Griechenland helfen kann. Aber das setzt voraus, dass Griechenland eine handlungsfähige Regierung hat, die bereit ist, diesen Weg zu gehen.

    Heckmann: Diejenigen Parteien aber, die diesen Sparkurs nicht mehr mittragen möchten, erhalten immer mehr Zulauf. Muss man also nicht sagen, dass wir Europäer mit unserer Sparpolitik die Unregierbarkeit Griechenlands nicht hervorgerufen haben?

    Schäuble: Nein. Griechenland hat die souveräne Entscheidung und Griechenland hat vor Kurzem gewählt. Die dabei Gewählten sind nicht fähig, eine gemeinsame Regierung zu bilden, das kann man ja nicht jemand anders verantwortlich machen. Das ist in der Verantwortung der griechischen Parteien und das ist die souveräne Wahlentscheidung des griechischen Volkes. Das ist nicht ein Fehler anderer in Europa. Und jetzt versucht es Griechenland ein zweites Mal und Griechenland muss in der Souveränität des griechischen Wählers die Entscheidung treffen.

    Heckmann: Sie haben dieser Tage gesagt, Herr Schäuble, und jetzt gerade eben auch wiederholt, dass wir kein Land zwingen könnten, im Euro zu bleiben. Bereiten Sie sich aber im Prinzip nicht auf einen solchen Schritt vor?

    Schäuble: Nein, wir haben gesagt, das ist die Entscheidung Griechenlands. Jetzt geht Griechenland noch einmal in neue Wahlen, da hilft es auch wenig, wenn wir jetzt ständig spekulieren, was wird sein, wenn Griechenland so oder so wählt. Griechenland weiß und muss wissen, was zur Entscheidung steht, und jetzt warten wir die Entscheidung Griechenlands ab.

    Heckmann: Was ist denn, wenn die radikale Linke wirklich dann stärkste Partei wird? Die möchte ja im Euro bleiben, aber die Zahlungen einstellen. Wäre das ein Weg, der überhaupt theoretisch denkbar ist?

    Schäuble: Nein, der geht eben nicht! Das ist eben diese Form von Verantwortungslosigkeit. Man kann den Kuchen nicht haben und ihn gleichzeitig essen, das sagt man auf Englisch. So ist das eben, das ist auch wiederum klar, das haben alle in der internationalen Gemeinschaft, alle Europäer den Griechen klar gesagt. Und jetzt muss Griechenland selber die Entscheidung treffen. Die machen wir dem griechischen Volk nicht leichter, indem wir zu viel darüber spekulieren. Griechenland muss entscheiden, und wie die Entscheidung ausfällt, das werden wir akzeptieren. An der Solidarität der Europäer fehlt es nicht.

    Heckmann: Kommen wir denn darum herum, Herr Schäuble, wenn Sie sagen, an Solidarität fehlt es nicht, das Hilfspaket neu zu verhandeln oder zumindest zeitlich zu strecken? Das war ja eine Überlegung, die auch Jean-Claude Juncker dieser Tage angestellt hat.

    Schäuble: Nein, nein, der Jean-Claude Juncker war sehr klar, das haben wir auch am Montagabend noch einmal alle gemeinsam festgestellt und er hat unsere gemeinsame Position öffentlich mitgeteilt: Die Entscheidung liegt bei Griechenland. Es ist ja nicht so, dass wir hier Wohltaten nach Gutdünken verteilen, sondern wir haben uns ja intensiv mit den Fachleuten des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank, darum gerungen, welcher Weg geht überhaupt, um Griechenland in dieser schwierigen Lage als Mitglied der Währungsunion zu helfen, dass sie irgendwann wieder Zugang zu den Finanzmärkten haben, zu Zinsen, die Griechenland tragen kann, und vor allen Dingen, dass Griechenland auf eine vernünftige Wachstumsentwicklung kommt, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, weil die griechische Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig ist. Da gibt es keinen einfachen Weg und deswegen ... Das ist ja nicht etwas, was wir Griechenland auferlegen, sondern das ist ein sehr sorgfältig ausgearbeitetes Hilfsprogramm. Das kann man auch nicht neu verhandeln. Im Übrigen muss man ja auch sehen: Es sind ja auch die Regierungen, die Parlamente als Vertreter der Völker der anderen 16 Euro-Staaten an dieser Aktion beteiligt, wir alle haben das gemeinsam zu erklären, wir alle haben in unseren Mitgliedsländern dafür auch viele kritische Diskussionen führen müssen, um unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger davon zu überzeugen, dass dieser Weg richtig und notwendig ist. Und nun muss Griechenland entscheiden, ob es diesen Weg auch gehen will.

    Heckmann: Also, eine Neuverhandlung kommt nicht infrage, auch keine zeitliche Streckung?

    Schäuble: Ich kann es ... Es wird durch Wiederholung nicht besser!

    Heckmann: Also, keine zeitliche Streckung. – Herr Schäuble, Francois Hollande und Angela Merkel haben gestern angekündigt, man werde gemeinsame Vorschläge für eine Wachstumsstrategie vorlegen. Hollande hatte ja ein Wachstums- und Beschäftigungsprogramm gefordert ebenso wie die Sozialdemokraten in Deutschland, auf die Sie ja angewiesen sind im Bundestag. Werden Sie jetzt gezwungen, wird die Bundesregierung jetzt gezwungen, ihre strikte Sparpolitik peu à peu einzumotten?

    Schäuble: Ja, schauen Sie, wir haben ja ... Das ist ja ein wirklich verbreitetes Missverständnis: Natürlich sind sich alle einig, dass man dauerhaftes Wachstum nur erringen kann, wenn die zu hohe Staatsverschuldung zurückgeführt wird. Insofern sind das ja nun wirklich nicht Alternativen. Es ist ja auch nicht so, dass wir jetzt erst anfangen, uns darum zu kümmern, dass unsere Wirtschaft wächst. Wir haben gerade wieder die Zahlen bekommen, die deutsche Wirtschaft hat sich im ersten Quartal besser entwickelt, als die Vorhersagen gewesen sind. Wir in Deutschland sind ja auf einem guten Weg, gerade weil wir in einer sehr maßvollen Weise die zu hohe Verschuldung, die wir eingehen mussten zur Bekämpfung der großen Krise 2008, die haben wir nun maßvoll, konsequent zurückgeführt. Solide Finanzen sind eine notwendige Voraussetzung für dauerhafte wirtschaftliche Entwicklung. Es geht ja nicht um Strohfeuereffekte, die bekämpfen doch nicht die Arbeitslosigkeit, sondern es geht um eine dauerhafte, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, die wir in Deutschland zustande bringen. Wir haben die höchste Beschäftigung, wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Wir fangen doch nicht jetzt erst an. Insofern sind die Konflikte zwischen dem neu gewählten Präsidenten Frankreichs und der deutschen Bundesregierung nicht so groß. Wir werden über alles offen miteinander reden, genau so mit der Opposition. Das, was ich allerdings gestern gelesen habe in dem Programm, was die drei Herren vorgestellt haben, war nun überhaupt nichts aufregend Neues. Und da muss man ... Das ist auch vieles von dem, was wir bereits auf den Weg gebracht haben. Im Übrigen erinnere ich daran, wenn der Bundeskanzler Schröder ... Der hat mal gesagt, drei Millionen Arbeitslose wäre das Ziel, was er erreichen will. Wir haben dieses Ziel längst unterschritten ...

    Heckmann: ... aber die Finanztransaktionssteuer, Herr Schäuble, Pardon, wenn ich da einhake, die ist eben nicht auf den Weg gebracht, weil sie auf europäischer Ebene blockiert wird.

    Schäuble: Aber ich bitte Sie, das weiß auch, das wissen auch Herr Steinmeier und Herr Steinbrück und Herr Gabriel, dass man eine Finanztransaktionssteuer in Europa nur einführen kann, wenn man dafür eine einstimmige Entscheidung bekommt. Ich bemühe mich jede Woche darum, aber ich muss eben der Wahrheit halber sagen: Es gibt keine Einstimmigkeit unter den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union und deswegen arbeiten wir ja daran, dass wir in einem kleineren Kreis einen ersten Schritt in diese Richtung gemeinsam gehen können, und dafür werden wir auch Vorschläge erarbeiten. Es kann doch nicht irgendjemand in Deutschland sagen, ich müsse dafür verantwortlich sein, dass die Briten einer Finanztransaktionssteuer zustimmen, von der sie erklärt haben, der werden wir nicht zustimmen! Unmögliches kann auch die SPD nicht verlangen. Das weiß sie im Übrigen auch.

    Heckmann: Sie sind bisher davon ausgegangen, Herr Schäuble, die Bundesregierung, dass der Fiskalpakt noch im Mai beschlossen werden sollte. Da war der 25. Mai im Gespräch. Frank-Walter Steinmeier meinte gestern, dieser Termin sei vom Tisch. Sehen Sie das auch so?

    Schäuble: Also, wir haben vor vier Wochen oder sechs Wochen schon im Kreise der Fraktionsvorsitzenden, da war Herr Steinmeier dabei, Volker Kauder hatte dazu eingeladen, darüber gesprochen, dass wir Fiskalpakt und ESM-Vertrag vor der Sommerpause ratifizieren wollen. Die Sommerpause beginnt im Juli, die letzte Bundesratssitzung ist Anfang Juli. Und darüber haben wir uns schon verständigt. Deswegen ist das überhaupt nichts Neues. Wenn die Sozialdemokraten, wenn die Opposition ein paar Wochen mehr Beratungszeit im Bundestag wünscht – das haben wir aber schon vor sechs Wochen der SPD und den Grünen gesagt –, dann ist das kein Problem. Deswegen, hier werden lauter Störmanöver konstruiert, die in der Wirklichkeit überhaupt keine Grundlage haben.

    Heckmann: Live hier im Deutschlandfunk Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU, der morgen in Aachen den Internationalen Karlspreis bekommt. Dafür Glückwunsch und besten Dank für das Gespräch und einen schönen Tag!

    Schäuble: Bitte sehr, einen schönen Tag!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.