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"Es gibt wie in jedem Berufsstand schwarze Schafe"

Das Bild von Brokern kommt mit dem Film "Wall Street - Geld schläft nicht" wieder in die Kinos. Matthias Hoffmann von den Dow-Jones-Finanznachrichten betont, dass das gezeigte Image nicht branchenspezifisch sei. Ähnlich sei es auch mit den Bonizahlungen, die oft der Finanzwelt zugeordnet werden..

Matthias Hoffmann im Gespräch mit Christoph Heinemann | 21.10.2010
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Dr. Matthias Hoffmann, der Sprecher des Finanznachrichten-Dienstleisters Dow Jones. Guten Morgen!

    Matthias Hoffmann: Guten Morgen, Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Hoffmann, ich muss noch mal klarstellen: Dow Jones ist kein Finanzdienstleister, sondern ein Nachrichtendienstleister. Das heißt, sie kommentieren und analysieren das Börsengeschehen?

    Hoffmann: Richtig. Wir produzieren selber Nachrichten und bereiten die für unterschiedliche Zielgruppen entsprechend auf.

    Heinemann: Sie haben eine Vorführung des Films für Banker in Frankfurt am Main organisiert. Welche Kommentare haben Sie nach dem Abspann zu hören bekommen?

    Hoffmann: Die Gäste, mit denen ich gesprochen habe, haben den Abend sehr genossen und fühlten sich ausgesprochen gut unterhalten. Und ich glaube, das ist das Wichtigste an einem Kinoabend. Es geht ja nicht wie beim ersten Teil nur um Geld und Macht, sondern auch um Familie und Liebe. Das Happy End des Films gab natürlich Anlass zu Diskussionen, zu teilweise kontroversen Diskussionen. Vielfach wurde festgestellt, dass der Film eine sehr gute Kameraführung hat, es werden sehr schöne Bilder gezeigt. Insbesondere die Zwischenschnitte von New York und aus den Handelsräumen wurden gelobt.

    Heinemann: Also eher ästhetische Anmerkungen?

    Hoffmann: Ja.

    Heinemann: Also die Zuschauer hatten nicht Euro- oder Dollarzeichen in den Augen?

    Hoffmann: Nein, nein, nein. Was festgestellt wurde, ist, dass das Bild der Broker und Trader zu sehr in Gut und Böse unterteilt ist. Aber insgesamt war das Feedback sehr gut.

    Heinemann: Herr Hoffmann, das Interesse der Banker und Händler sei sehr groß gewesen, das habe ich gelesen. Warum?

    Hoffmann: Es liegt ja nahe, dass ein Film, der verspricht, die Welt der Wirtschaft und Börse nicht nur unterhaltsam, sondern auch treffend vor Augen zu führen, gerade den Personenkreis interessiert, der auf den Finanzmärkten aktiv ist. Die Resonanz auf unsere Einladung zum gemeinsamen Event mit 20th Century Fox war auch entsprechend groß. Wir konnten gestern im Frankfurter Metropolis mehr als 500 Gäste begrüßen.

    Heinemann: So viele! – Wie kamen Sie auf die Idee, diese Vorführung jetzt speziell für Banker und für Händler zu machen?

    Hoffmann: Die Idee ist relativ spontan entstanden aus einem Gespräch, das wir mit 20th Century Fox geführt haben, wo wir letztendlich festgestellt haben, dass das Thema passt, dass die Zielgruppe passt, und dann hat sich der Rest letztendlich von selbst ergeben.

    Heinemann: Thema und Zielgruppe! – Taugt Gordon Gekko noch als Vorbild?

    Hoffmann: Nach dem Wall-Street-Film 1987 konnte man ja tatsächlich beobachten, dass die Figur des Gordon Gekko Vorbild ist und nicht zur Abschreckung dient, wie eigentlich von Oliver Stone geplant war. Wir haben gesehen, dass sogar der Kleidungsstil von Gekko imitiert wurde mit seinen Hemden und dem weißen Kraken, mit den Hosenträgern. Ich persönlich glaube, dass wir dieses Phänomen 2010 nicht beobachten werden.

    Heinemann: Warum nicht?

    Hoffmann: Ich denke, dass die Figur des Gordon Gekko in diesem Film nicht entsprechend polarisiert. Sie wird nicht als so kontrovers wahrgenommen und dient deswegen eben nicht als Vorbild.

    Heinemann: Na ja, immerhin: Gier ist gut. Das hat er in dem letzten Film gesagt. Jetzt: Gier ist auch legal, sagt er diesmal. Wie verbreitet ist denn eine solche Haltung in den Börsensälen oder in den Banken?

    Hoffmann: Ich interpretiere das so, dass Oliver Stone hier weniger auf die Haltung in den Börsensälen abzielt, sondern vielmehr auf eine Art des Wandels, die nicht unbedingt sein Gefallen findet. Das Motiv von der Pervertierung des amerikanischen Traumes findet sich ja in vielen Filmen von Stone wieder, denken wir zum Beispiel an Platoon, JFK oder gar Natural Born Killers.

    Heinemann: Gibt denn generell gesprochen – die Frage an Sie als Insider oder als jemand, der diese Welt kennt – das Kino die Welt des großen Geldes wirklichkeitsgetreu wieder?

    Hoffmann: Wenn man den Kommentaren unserer Gäste Glauben schenkt, die ja selber Akteure an den Finanzmärkten sind, dann war der Film von 1987 definitiv näher an der Realität orientiert.

    Heinemann: Das heißt, damals ging es auch viel brutaler zu?

    Hoffmann: Richtig, genau.

    Heinemann: Und warum diesmal nicht mehr so?

    Hoffmann: Ich denke, dass man natürlich mit dem Film auch irgendwo einen breiten Geschmack treffen wollte. Deswegen beispielsweise auch das Happy End. Man wollte, glaube ich, insbesondere auch eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Ich denke, deswegen die Unterschiede.

    Heinemann: Herr Hoffmann, sind die Börsenhändler so schlecht wie ihr Ruf?

    Hoffmann: Herr Heinemann, ich frage zurück: Sind Journalisten so schlecht wie ihr Ruf?

    Heinemann: Ja! Aber nicht im Deutschlandfunk. Ausgenommen natürlich der Frühmoderator heute, der ist ein hoffnungsloser Fall.

    Hoffmann: Herr Heinemann, aber im Ernst: Ich glaube, Ruf, Image und Reputation sind vom Auge des jeweiligen Betrachters abhängig. Und Sie wissen sicherlich besser als ich, wie kritisch zum Beispiel Journalisten manchmal sind, wenn es um den eigenen Berufsstand geht.

    Heinemann: Noch mal zu den Börsenhändlern. Wie würden Sie die qualifizieren?

    Hoffmann: Ich denke, es gibt wie in jedem Berufsstand schwarze Schafe und es gibt sicherlich die Mehrzahl der Teilnehmer an diesem Markt, die absolut in Ordnung sind, legal handeln.

    Heinemann: Aber Sie kennen ja diejenigen, über die sich auch die Menschen an den Stammtischen, auf den Straßen und in den Gesprächen aufregen. Sie kennen diese Welt. Wie ist denn zu erklären, dass jemand, der nachweislich Schaden angerichtet hat, am Ende dann auch noch die Hand aufhält, sich Boni auszahlen lässt und so weiter und so fort?

    Hoffmann: Bonus ist ja letztendlich nichts anderes als ein leistungsabhängiger Zuschlag und das beinhaltet natürlich auch, dass Risiken unterschiedlicher Art eingegangen werden. Boni sind ja nicht nur in der Finanzbranche üblich und werden gezahlt; vielmehr gibt es diese Anreizsysteme ja in allen Branchen. Ich denke, ein Bonussystem ist letztendlich ein Instrument, das die Unternehmen einsetzen, um viele zu erreichen, und ich glaube auch, dass das von vornherein nichts Schlechtes ist.

    Heinemann: Bedürfen die Boni der Ergänzung durch Mali?

    Hoffmann: Das ist eine Frage, die wir sicherlich der Gesetzgebung auch mit überlassen müssen. Was die Haftungsfrage angeht, sind mir allerdings keine entsprechenden Vorhaben bekannt.

    Heinemann: Herr Hoffmann, während dieser Film jetzt heute anläuft, sitzen im südkoreanischen Gwangju Vertreter der Finanzministerien und der Notenbanken der G20-Staaten zusammen. Im November sollen ja diese sogenannten Basel-III-Regeln beim Treffen in Seoul festgezurrt werden. Das heißt, die Banken müssen viel mehr Geld auf die hohe Kante legen, damit der Steuerzahler nicht noch einmal die Suppe auslöffeln muss. Macht Basel III den Gekkos den Gar aus?

    Hoffmann: Ein stabiles Finanzsystem ist ja im Interesse aller. Das Regelwerk Basel III zielt jetzt darauf ab, Finanzkrisen einfach weniger wahrscheinlich zu machen und in einer Krise die Bank so widerstandsfähig zu machen, dass sie den Steuerzahler nicht mehr zur Kasse bitten müssen. Die Einschätzung der Akteure an den Finanzmärkten ist unterschiedlich. Wenn manchen Kritikern die neuen Eigenkapitalregeln der Banken noch nicht scharf genug sind, gibt es auf der anderen Seite auch die Befürchtung, dass Basel III ein langsameres Wachstum und eine geringere Profitabilität als Konsequenz hat. Einige Beispiele: Der Bundesbankchef Axel Weber sagte in den vergangenen Tagen, dass er nicht mit negativen Folgen für die Wirtschaft rechnet. Commerzbank-Vorstandsmitglied Markus Beumer kündigt beispielsweise an, dass sein Institut das Mittelstandsgeschäft ausbauen will, die Kredite aber für Mittelständler durch Basel III teuerer werden.

    Heinemann: Das sagte uns Dr. Matthias Hoffmann, der Sprecher des Finanznachrichten-Dienstleisters Dow Jones, in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Hoffmann: Vielen Dank!