Mittwoch, 17. April 2024

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"Es handelt sich um staatlich organisierte Geldwäsche"

Sebastian Fiedler, Sprecher einer Initiative des Bundes deutscher Kriminalbeamter, kritisiert, dass beim Steuerabkommen mit der Schweiz die Steuerbetrüger mit Ablasszahlung Straffreiheit erkaufen könnten. Ferner blieben die Konten weiterhin anonym, obwohl es sich um Gelder aus "schweren kriminellen Straftaten" handele.

Sebastian Fiedler im Gespräch mit Gerd Breker | 11.08.2011
    Gerd Breker: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Sebastian Fiedler, einer der Sprecher einer Initiative des Bundes deutscher Kriminalbeamten, der deutschen Steuergewerkschaft des Bundes der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen und der deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft. Guten Tag, Herr Fiedler!

    Sebastian Fiedler: Guten Tag, Herr Breker!

    Breker: Das Steuerabkommen Schweiz beendet einen jahrelangen Nachbarschaftsstreit und es soll – so wird es uns verkauft – eine Win-Win-Situation ergeben: Beide Seiten bekommen das, was sie wollen. Sehen Sie das auch so?

    Fiedler: Na, das ist aus unserer Sicht – verzeihen Sie die flapsige Formulierung – dummes Zeug! Aus Sicht der Ermittler und der – Sie haben ja die anderen Gewerkschaften genannt, die mit uns im Grunde im gleichen Boot sitzen – hätte es schlimmer im Grunde gar nicht kommen können. Ich würde sogar das so bezeichnen: Es handelt sich um staatlich organisierte Geldwäsche, die jetzt hier legalisiert werden soll. Die Anonymität der Schweizer Konten bleibt ja nach wie vor gewahrt und die einzigen, die jetzt nun wirklich nachhaltig gewonnen haben, waren die Schweizer Banken.

    Breker: Die Steuerbetrüger können sich mit einer, sagen wir mal, moderaten Ablasszahlung Straffreiheit erkaufen. Was bedeutet das für das Gerechtigkeitsgefühl eines normalen Steuerzahlers hierzulande?

    Fiedler: Na, wenn es so wäre, wäre es schon schlimm genug. Aber es handelt sich eben nicht nur um Steuerbetrüger, und schon gar nicht um Steuersünder oder auch nur um Schwarzgeld, sondern es handelt sich um Geld aus Geldwäschetaten von Schwerkriminellen, was dort in der Schweiz zu einem großen Teil liegt. Es handelt sich nicht um Gelder von irgendwelchen Handwerksgesellen, die Samstags noch nebenbei gearbeitet haben. Sondern es handelt sich um Geld der Reichen in Deutschland, der Zumwinkels, wenn man es mal so nennen will, und andererseits der Schwerkriminellen. Das wissen wir, wir haben im letzten Februar erst von der OSZD ins Buch geschrieben bekommen, dass in Deutschland um die 50 Milliarden Euro jedes Jahr aus schweren kriminellen Straftaten erwirtschaftet werden, und ein Weg, den diese Gelder nehmen, wenn sie nicht in Deutschland gewaschen werden, was auch sehr gut möglich ist nach wie vor, ist in die Schweiz. Und über dieses Geld reden wir jetzt, wir reden nicht nur über Geld, was von Steuerhinterziehern stammt.

    Breker: Herr Fiedler, wenn künftig der Einkauf von Steuer-CDs untersagt werden sollte, was bedeutet das für Ihre Arbeit?

    Fiedler: Nun, das ist ein großes Problem! Das ist allein schon deswegen ein Problem, weil der Abschreckungseffekt natürlich wegfällt in diesem Bereich, das heißt, die Besitzer dieser Vermögen können sich nun dann in der Folge sicher sein und müssen nicht mehr Angst haben, dass irgendwo und irgendwoher eine neue Steuer-CD auftaucht und Ermittlungen in Gang setzt – die Schweizer Presse jedenfalls berichtet ja davon, dass künftig definitiv davon abgesehen werden soll, während die Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums es dann noch etwas weich formuliert. Diese Möglichkeit ist uns dann vollkommen genommen! Das schlicht erdenklich nicht hinnehmbar. Das ist ein Bereich der verdeckten Ermittlungen, den wir hier haben, der uns vollkommen genommen wird.

    Breker: Das Schweizer Banken Steuersparmodelle angeboten haben, das weiß man ja inzwischen, sind also Vertreter der Schweizer Bank USB [Anmerkung der Redaktion: Gemeint war UBS] in den USA deswegen auch angeklagt. Ist denn Solches im deutsch-schweizer Verhältnis zukünftig ausgeschlossen?

    Fiedler: Ja, so liest man. Das ist ja Teil der gleichen Pressemitteilung. Diese beiden Dinge soll es eben zukünftig nicht mehr geben: Strafrechtliche Verfolgung der entsprechenden Mitarbeiter und Kauf der Steuer-CDs. Beides soll ja Teil des Abkommens sein, was wir ja noch nicht vorliegen haben, aber so muss man den Medienberichterstattungen und der Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums entnehmen, in der Tat!

    Breker: Herr Fiedler, nun hat die Schweiz beziehungsweise die Schweizer Banken, haben angeboten, eine Art Abschlagzahlung schon mal in Vorhinein zu geben, von etwa zwei Milliarden Euro. Da können doch …

    Fiedler: … Schweizer Franken!

    Breker: … Schweizer Franken … ja, das ist ja fast identisch inzwischen. Da wäre es doch kein Wunder, wenn der eine oder andere Länderfinanzminister und der Bundesfinanzminister schwach werden angesichts dieser Zahlen.

    Fiedler: Na ja, gut. Aus unserer Sicht kann ich das natürlich nicht gelten lassen. Selbst, wenn es so wäre: Wir wissen ja noch gar nicht, wie viel es ist. Ich habe ja gerade die Größenordnung genannt: Wir reden pro Jahr von 50 Milliarden Euro aus kriminellen Straftaten. Wenn wir das mal ins Verhältnis setzen, ist das ja nun kein großer Betrag. Nur, wir legen diesbezüglich seit Jahren die Hände in den Schoß! Wir stellen kein Personal ein in dem Bereich, das es ermöglichen würde, auf diese Gelder Zugriff zu nehmen, und stattdessen lassen wir uns offenbar auf einen derartigen Ablasshandel ein – ich kann derartige Begehrlichkeiten nicht verstehen! Der Strafanspruch des Staates hat für mich immer noch einen großen Stellenwert, und für all meine Kollegen auch. Und es würde die deutsche Bevölkerung groß aufschreien, wenn der Vergewaltiger oder Mörder, der auf der Flucht ist, über seinen Anwalt nun anbietet, 10.000 Euro anonym zu zahlen, wenn man den dann in Ruhe lassen würde – aber in diesen Fällen scheint es offensichtlich Normalität zu sein, das findet man offenbar normal jetzt, dass man sich die Strafverfolgung jetzt hier abkaufen lässt.

    Breker: Ihr Gerechtigkeitsgefühl ist also schwer verletzt durch dieses Abkommen. Im Deutschlandfunk war das Sebastian Fiedler. Er ist einer der Sprecher der Initiative des Bundes deutscher Kriminalbeamter mit der deutschen Steuergewerkschaft und der deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft. Herr Fiedler, ich danke Ihnen sehr für Ihre Einschätzung!

    Fiedler: Ich danke Ihnen, Herr Breker!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.