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"Es hat niemand vor ihm eine derartige Popularität erreicht"

Michael Jacksons Vermächtnis wird "pophistorisch Bestand" haben, glaubt Hubert Wandjo, Business Direktor und Studiengangsleiter Musikbusiness der Popakademie Baden-Württemberg. Auch in 50 Jahren werde er noch als "King of Pop" bezeichnet werden.

Hubert Wandjo im Gespräch mit Gerwald Herter | 07.07.2009
    Gerwald Herter: Am 25. Juni, also vor wenigen Tagen, ist Michael Jackson dann aber überraschend gestorben, ein Schock für seine Fans und seine Familie. In Jacksons Villa in Neverland wurden große Mengen an Medikamenten gefunden, die Polizei ermittelt gegen mehrere Ärzte. Was aber wird von Michael Jackson bleiben? Sicher war er ein Weltstar, aber der King of Pop?
    Professor Hubert Wandjo leitet den Studiengang Musikbusiness an der Popakademie Baden-Württemberg. Mit ihm bin ich nun verbunden. Guten Morgen, Herr Wandjo.

    Hubert Wandjo: Schönen guten Morgen!

    Herter: Herr Wandjo, jetzt wird Michael Jackson so begraben und betrauert, wie er gelebt hat: eine riesige Show, ein unvorstellbares Spektakel. War er trotzdem zu allererst vor allem ein großer Musiker?

    Wandjo: Er war zu allererst - so sieht man es heute - eine Person des öffentlichen Lebens immer gewesen, er war ein großer Entertainer in Gänze, nicht nur Musiker, er war Tänzer, er war Videokünstler, er war Medienkünstler. Ab dem Zeitpunkt, an dem er auf der Bildfläche erschien und seine eigenen Sachen gemacht hat, kann man gar nicht mehr nur von dem Musiker sprechen.

    Herter: King of Pop - wird man auch Michael Jackson in 50 Jahren noch so nennen?

    Wandjo: Ich denke schon. Es hat niemand vor ihm, auch Elvis Presley nicht und die Beatles nicht, eine derartige auch global umspannende Popularität erreicht wie er. Auch sein Musikstil, das was er musikalisch bewegt hat, also die Verschmelzung von schwarzer Popmusik und weißer Popmusik in einer Form, wie es bis zu dem Zeitpunkt noch niemand gemacht hat, wird in Erinnerung bleiben. Er hat Welthits geschaffen und Musikereignisse, kann man fast sagen, in Verbindung auch mit seinen Videos. Das wird Bestand haben, wird pophistorisch Bestand haben.

    Herter: Sie haben es angesprochen: als Michael Jackson groß wurde, ganz groß wurde, 80er-Jahre, da war das auch die Hochzeit der Musikvideos, aufwendige Produktionen. MTV hatte eine sehr große Bedeutung. Michael Jackson wusste das zu nutzen. Außerdem, das ein anderer Punkt, der auch die Verkaufszahlen erklärt: Das MP3-Zeitalter hatte noch nicht begonnen, man musste sich Platten oder CDs kaufen. Hatte Jackson nicht das einfache Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein?

    Wandjo: Das ist eigentlich fast immer so mit großen Künstlern. Es gehört auch immer ein Stück Glück dazu, dass wichtige Ereignisse, wichtige Dinge zusammenfallen, natürlich in Verbindung mit einem außergewöhnlichen Talent. Das ist in der Tat so, wie Sie das beschreiben.

    Herter: Die Beatles oder die Rolling Stones, hatten die oder haben die auf die Entwicklung der Musik nicht viel stärkeren Einfluss, als Michael Jackson es je hatte?

    Wandjo: Das würde ich so nicht sagen. Das ist eine Frage der Betrachtung, auch wer betrachtet das. Wenn Sie jetzt Leute nehmen oder die Generation nehmen, die dann in den 70er-Jahren geboren ist, die ist sicherlich durch Michael Jackson sehr viel stärker musikalisch geprägt worden als jetzt die Generation, meine Generation, die in den 50er, 60er-Jahren geboren wurde. Wir sind sehr viel stärker von Elvis Presley, ganz speziell vielleicht von den Beatles und von den Stones geprägt worden. Ich würde für mich natürlich sagen, dass mich die Beatles und die Stones stärker geprägt haben. Wenn Sie aber meine Kinder nehmen würden, dann würden die sicherlich Michael Jackson anführen als musikalischen Einfluss. Immer jetzt wieder die große Masse der Bevölkerung aus diesen Generationen gesehen, das ist eine Frage des Standpunkts oder wann sind sie geboren.

    Herter: Ja, Mitte der 60er-Jahre. - Sie verstehen viel vom Musikgeschäft, unterrichten dieses Fach auch an der Popakademie. Wie wichtig ist denn dieser Fankult, den man jetzt immer wieder beobachten kann, in Los Angeles und auch an anderen Orten, für das Geschäft?

    Wandjo: Außerordentlich wichtig. Es geht ja heute sehr gezielt darum, speziell auch über die Instrumente des Internet - man nennt das das Aufbauen einer Community im Netz, Aufmerksamkeit erregen - eigene Fans mit einzubinden heutzutage in die Kommunikation, also in die Werbung. Das war zu Zeiten auch Michael Jacksons, ebenso zu Zeiten der Beatles noch nicht in dem Maße der Fall. Das hat heute fast eine Blüte erreicht, sich eine Fanbase, wie man so schön sagt, zu erspielen oder sich übers Internet zu generieren, indem man mit den Leuten kommuniziert, in dem man in Interaktion mit ihnen tritt und sie auch animiert heutzutage, für sich, für den Künstler, den sie mögen, auch entsprechend zu kommunizieren, ihn zu bewerben, helfen in den Marketing-Kampagnen. Es ist wichtiger denn je, heute eine Fanbase oder eine Fancommunity zu haben, wenn man sie nicht hat, sie sich aufzubauen.

    Herter: Und Michael Jackson eignete sich gut dafür, auch weil immer wieder seltsame Nachrichten kamen aus Neverland, die die Presse sozusagen befeuert haben und die dazu geführt haben, dass sich dann doch viele Menschen seltsamerweise mit ihm identifiziert haben.

    Wandjo: Das ist richtig. Wie alle, fast alle großen Künstler ist er jemand, der polarisiert, und das Polarisierende ist nun einmal auch die Kraft, die dann die Fans, die das gut finden oder diese Spannung auch empfinden, die das merken, an einen Künstler zu binden. Das intensiviert auch die Beziehung.

    Herter: Was denken Sie, wie viele Alben wird Jacksons Plattenfirma jetzt verkaufen, weil er gestorben ist?

    Wandjo: Ich kann das gar nicht abschätzen. Sie sehen ja und die Berichte beweisen ja, weltweit schießt er teilweise mit zweistelligen Zahlen in die Verkaufshitparaden bei den Singles und bei den Alben. Das kann man jetzt schwierig abschätzen, da man nicht genau weiß, wie lange hält dieser Boom jetzt an, vor allen Dingen auch was passiert mit dem unveröffentlichten Material. Angeblich sollen 100 Songs noch in den Archiven liegen, die zum einen, glaube ich, schon auch seiner Plattenfirma gehören. Ich bin aber nicht ganz sicher, ob er derzeit noch eine vertragliche Bindung hatte mit seiner alten Plattenfirma, zu der ich auch mal gehört habe, für die ich auch mal gearbeitet habe. Ich kann es nicht abschätzen, aber das wird in die zwei-, dreistelligen Millionenzahlen gehen.

    Herter: Professor Hubert Wandjo von der Musikakademie Baden-Württemberg im Deutschlandfunk über den großen Musiker Michael Jackson. Vielen Dank.