Dienstag, 16. April 2024

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"Es ist bestimmt nicht so, dass wir unversöhnlich sind"

Michael Buback, der Sohn des früheren Generalbundesanwaltes Siegfried Buback, hält es in Anbetracht einer möglichen Freilassung von RAF-Terroristen für ausschlaggebend, wie diese Personen heute zu ihren Taten stehen. Er persönlich wisse immer noch nicht, wie die Tat von Statten ging. Für eine vorzeitige Haftentlassung müsse auch entscheidend sein, ob die Gefangenen ihre Taten bereuten.

Moderation: Doris Simon | 24.01.2007
    Doris Simon: Am Gründonnerstag vor fast 30 Jahren verlor Michael Buback seinen Vater. Von einem Motorrad aus schossen zwei Männer auf den Dienst-Mercedes von Siegfried Buback und im Kugelhagel starben der Generalbundesanwalt, sein Fahrer Wolfgang Göbel und Georg Wurster, der Chef der Fahrbereitschaft der Bundesanwaltschaft. Die RAF bekannte sich zu dem dreifachen Mord. Der Generalbundesanwalt als wichtigster Terrorbekämpfer galt der RAF als besonders richtiges Ziel. Viel später wurden neben anderen auch Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar für den Mord an Siegfried Buback und seinen Begleitern verurteilt. - Michael Buback, der Sohn, ist nun am Telefon. Guten Morgen!

    Buback: Guten Morgen!

    Simon: Herr Buback, was macht das mit Ihnen? Was bewegt Sie, wenn Sie jemanden wie Peter-Jürgen Boock hören?

    Buback: Ich habe das Gespräch mitgehört. Ich habe vielleicht nicht alles ganz genau verstanden. Es bewegt mich natürlich, weil die Auseinandersetzung oder der Kontakt mit dem Terrorismus unser Leben sehr beeinflusst hat. Also jetzt meines nicht in dem Maße wie etwa das meiner Mutter, die ja nun seit 30 Jahren alleine lebt. Ich will nicht allzu viel dazu sagen aus dem einfachen Grund, weil ich vermute, dass Herr Boock auch jetzt nicht mehr in der Leitung ist, so dass er keine Chance hat, etwas zu dem zu sagen, was ich gesagt habe. Wenn ich ihn dann kommentiere, hängt das etwas in der Luft.

    Ich würde aber vielleicht doch zwei Punkte sagen. Interessant war Ihre Frage nach dem, wann dieser Prozess seiner Auseinandersetzung bei ihm begonnen hat, nach der Freilassung, also seine Auseinandersetzung. Das scheint mir jetzt auch eine sehr wichtige Rolle zu spielen in der augenblicklichen Diskussion um den Gnadenerweis. Was mich sehr erstaunt ist, dass man eigentlich von den Tätern, um deren Freilassung es jetzt geht, gar nicht weiß, wie ihre Einstellung dazu ist. Ich meine Angehörige sollten sich generell aus mehreren Gründen nicht zu sehr einmischen in so eine Entscheidung. Ich kann das wiederum nur für mich sagen. Die Täter sind mir erstens so fremd. Menschen, die dort in einem Fanatismus, der sehr blind ist, in einer Arroganz und Grausamkeit einfach Menschen, einen Arbeitgeberpräsidenten, einen Bankenführer oder wie Sie gerade auch sagten einen führenden Repräsentanten oder den ersten Strafverfolger dann als Feinde definieren, die Teile eines von ihnen gehassten Staates sind, und die einfach eliminieren. Das ist mir so sehr fremd und das hat uns auch ein bisschen geschützt, weil eigentlich keine persönliche Komponente darin war. Es ist ja nicht in dem Sinne mein Vater, sondern es ist ein Generalbundesanwalt getötet worden.

    Der persönliche Punkt beginnt eben für mich, wenn man jetzt bewertet, wie lange soll diese Strafe dauern. Herr Boock hat sich jetzt sehr darüber geäußert, wie wichtig es ist, dann wieder in Freiheit zu kommen, die Resozialisierung. Das ist selbstverständlich wichtig und ich denke der Staat ist nicht unversöhnlich. Das sieht man ja daran: es geht jetzt um die Prüfung bei Frau Mohnhaupt nach einer Mindesthaftdauer. Der Staat ist ja nicht zynisch und sagt, du bist zu fünfmal lebenslänglich verurteilt, ich erlasse einmal lebenslänglich. Es geht ja um eine Mindesthaftdauer und es ist ja fast so, dass schon diese Mindesthaftdauer fast wieder den Zugang in die Freiheit bedeutet, und es geht jetzt speziell auch im Fall von Herrn Klar darum, gibt es nun über diese Verbüßung der Mindesthaftzeit noch zusätzliche Argumente, die ein Gnadenerweis befürworten, dass er noch früher in Freiheit kommt. Da spielt es für mich eine Rolle, wenn jemand sich so weit von unseren Maßstäben entfernt hat, indem er solche Taten begangen hat, inwieweit er zurückgekommen ist, inwieweit er diese Tat bereut und welche Prognose dort zu stellen ist. Ich denke das müssen diejenigen, die diese Fragen zu entscheiden haben, tun. Nicht die Angehörigen.

    Ich spreche jetzt nur für mich. Das mag für andere der Angehörigen anders sein. Für mich ist es zum Beispiel sehr, sehr wichtig: wie ist die Tat überhaupt abgelaufen. Stellen Sie sich vor jemand sagt, vergibst du mir. Dann werde ich doch fragen, was hast du denn getan, was hast du mir getan und wie ist dein Tatbeitrag und tut dir das leid. Was für mich jetzt schwierig ist, dass ich immer noch nicht weiß, wer hat eigentlich meinen Vater erschossen. Für Angehörige spielt das schon eine Rolle. Bei vielen Unfällen möchte man doch wissen, wie ist das jetzt eigentlich passiert. Ich bin etwas erstaunt, dass man jetzt über Gnade und über so etwas nachdenkt. Man muss doch vorher erst mal wissen, was ist wirklich geschehen und tut es dir leid. Das wäre für mich die Voraussetzung.

    Es ist bestimmt nicht so, dass wir unversöhnlich sind. Ich kann Ihnen garantieren, ich habe niemals in den vergangenen Jahren gesagt das ist aber gut, dass der und der oder die und die noch einsitzt. Ich weiß das gar nicht. Ich habe durch einen Redakteur der "Süddeutschen Zeitung" in der letzten Woche erfahren, dass überhaupt das Thema ansteht. Ich verfolge das gar nicht, weil das auch nicht primär unsere Sache ist.

    Simon: Herr Buback, in dem Zusammenhang: Es hat ja über die Jahre zwischen einigen der ehemaligen RAF-Terroristen und den Angehörigen von Opfern Gespräche gegeben. Hat es bei Ihnen so etwas gegeben? Hat Ihre Familie auch solche Kontakte gehabt oder gesucht?

    Buback: Ich habe einmal im Rahmen einer Fernsehdiskussion die Schwester von Gudrun Ensslin getroffen. Das Problem bei all dem ist - ich habe vorhin versucht, das anzudeuten -, es ist ja hier nicht der Fall, dass uns persönlich etwas getan worden ist. Ich glaube die Terroristen, die diese führenden Repräsentanten umgebracht haben, die haben sie ja in ihrer Funktion getötet. Die haben sich doch nicht erkundigt: ist derjenige überhaupt verheiratet, hat er Kinder und so etwas. Das war doch einfach ein Kampf gegen eine bestimmte Gruppe. Insofern ist das doch sehr unpersönlich.

    Es hat diese Kontakte nicht gegeben, aber was ich mit diesem Persönlichen nur ansprechen wollte: ich denke man muss im Einzelfall sehen. Es hängt von der Schwere der Tat ab, von der Prognose für den einzelnen Angeklagten und von der Gefährdung, die von ihm ausgeht, und von der Einstellung. Ich kann es wie gesagt nicht beurteilen, inwieweit solche Zeichen erfolgt sind, aber man muss doch wenigstens seine Tat bekennen. Man muss doch sagen, das habe ich gemacht, oder vielleicht sogar, das tut mir leid oder ich würde das nie wieder tun. Das ist eigentlich für mich eine Selbstverständlichkeit.

    Ich wollte vorhin noch etwas zur Unversöhnlichkeit sagen. Es gab nach dem Tode meines Vaters ja diesen schlimmen Mescalero-Nachruf und in einer Zeit, in der wir wirklich sehr wund waren. Wissen Sie wenn man den Vater verloren hat und liest dann da schreibt jemand, der hat eine Killervisage, der gehört eigentlich ins Verbrecheralbum.

    Simon: Die berühmte klammheimliche Freude!

    Buback: Das war wirklich schlimm. Und dennoch: derjenige der das geschrieben hat, hat sich mir gegenüber dann nach über 20 Jahren geäußert. Nach über 20 Jahren hat er mir geschrieben, dass ich wusste wer es war. Das hat irgendwie die Sache für mich zu einer Klärung gebracht. Ich habe ihm dann auch zurückgeschrieben. Natürlich ist es schwer, über so etwas hinwegzukommen, aber ich habe doch auch einen Respekt dafür geäußert.

    Ich frage mich jetzt ja persönlich. Für mich persönlich ist es wichtig, auch diese Ereignisse, die zur Tötung meines Vaters führten, zu kennen. Ich kann sie viel besser abschließend verarbeiten, wenn ich zumindest wüsste, wie es geschehen ist. Von daher leite ich dann auch ab: für diejenigen, die es Kraft Amtes zu entscheiden haben, müsste das doch auch wichtig sein. Die müssten doch einfach sagen, es hat jemand eine Tat verwunden, oder wie es vorhin hieß, wann hat dieser Prozess begonnen, dass man über die Tat nachdenkt. Das ist doch eine Voraussetzung für den Gnadenerweis und dann muss doch klar sein, welche Taten er begangen hat. Stellen Sie sich für uns mal vor: wie haben so viel durchmachen müssen, aber wie gesagt mehr meine Mutter als ich, denn ich bin hier sehr beschäftigt. Und wir werden das auch hinnehmen, wie auch immer die Entscheidung jetzt erfolgt. Was sicher für uns schwieriger wird, was wir aber auch hinnehmen müssen, wenn die dann freien Menschen in den Talkshows sind.

    Simon: Herr Buback, wir müssen leider an dieser Stelle das Gespräch beenden. Es tut mir leid. Die Nachrichten drängen. Ganz herzlichen Dank. - Das war Michael Buback, der Sohn des früheren Generalbundesanwaltes Siegfried Buback.