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"Es ist ein Poker für die Wahlen"

Charles King Mallory, Chef des Berliner Think Tanks Aspen-Institut, nennt die Uneinigkeit der Republikaner mit Präsident Obama zur Schuldenkrise "eine politische Positionierung vor den kommenden Kongresswahlen". Beide Seiten wollen ihrer Basis Gestaltungsmacht beweisen, so Mallory. Er geht von einer Einigung zu den Haushaltsgesprächen aus.

Charles King Mallory im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 26.07.2011
    Tobias Armbrüster: Im US-Kongress wird die Zeit langsam knapp, die Zeit für einen Kompromiss im Haushaltsstreit. Republikaner und Demokraten können sich nicht auf einen Weg aus der Finanzkrise einigen, so sieht es zumindest zurzeit aus. Bis zum 1. August muss die Schuldengrenze in den USA angehoben werden, ansonsten kann die US-Regierung kein Geld mehr ausgeben. Das Land wäre dann zumindest technisch und vorübergehend zahlungsunfähig. Gestern Abend hat Präsident Obama in einer öffentlichen Rede noch einmal vor einem Scheitern der Gespräche gewarnt.
    Mitgehört hat Charles King Mallory, der Direktor des Berliner Aspen-Instituts. Das ist einer der bedeutendsten amerikanischen Think Tanks. Herr Mallory steht außerdem den Republikanern nahe. Schönen guten Tag!

    Charles King Mallory: Guten Tag, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Herr Mallory, wir haben da in dem Bericht gehört, dass vor allem die Republikaner blockieren. Hat sich die republikanische Partei in diesem Schuldenstreit verrannt?

    Mallory: Ich glaube, das ist ein bisschen zu einfach gesehen. Beide Parteien sind im Endeffekt dafür verantwortlich, dass wir da sind, wo wir heute sind. Bush hat massiv neue Verschuldungen aufgenommen, das kann man einfach, muss man eindeutig sagen. Aber Präsident Obama hat auch dann bei seinem Antritt ein sehr liberales Programm durch den Kongress geboxt, was sehr hohe zusätzliche Neuverschuldung vorsah für die Gesundheitsreform. Und jetzt kommt, da gab es eine Gegenreaktion in den Zwischenwahlen, wo die amerikanische Bevölkerung eindeutig zu verstehen gegeben hat, dass das ihnen nicht gefällt. Jetzt versucht diese auch teilweise stark rechts ausgeprägte neu gewählte Kongress-Fraktion die Verschuldung zu bremsen. Es gab ein Angebot von republikanischer Seite, das auch zusätzliche Steuern vorsah; es wurde abgelehnt von Herrn Obama. Ich glaube, es gibt genug Schuld auf beiden Seiten.

    Armbrüster: Aber, Herr Mallory, wenn man Ihnen jetzt zuhört, Sie schildern das so ein bisschen wie ein politisches Allerweltsproblem, ein Problem, das immer wieder mal auf den Tischen von Abgeordneten liegt. Aber Sie müssen uns, glaube ich, uns Deutschen das mal erklären. Da steht die größte Volkswirtschaft der Welt vor der Pleite, kurz vor der Pleite, eine Woche ist dieser Zeitpunkt noch entfernt, und es wird immer noch in aller Seelenruhe in Washington debattiert. Sind die amerikanischen Parteien zu so einem Schritt, zum Pleite gehen bereit?

    Mallory: Ich glaube nicht, und ich glaube, grundsätzlich ist das, was sich hier abspielt, ein Pokern, das ist politische Positionierung, politische Positionierung für die Wahlen, die im nächsten Jahr stattfinden werden, Präsidentschaftswahlen. Das Weiße Haus ist darauf stark fokussiert, wiedergewählt zu werden, und will auf keinen Fall, dass man ihnen zuschreibt, dass irgendwie sie daran Schuld sind, dass diese Lage zu Stande gekommen ist.

    Es gibt natürlich auch auf der anderen Seite, auf der demokratischen Seite eine progressive Fraktion, die sehr damit unzufrieden war, dass der Herr Obama bereit war, große Zugeständnisse zu machen dem Herrn Boehner gegenüber. Beide Parteien haben mit ihren extremistischen Flügeln zu tun. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Politik in Amerika sehr polarisiert geworden ist. Aber ich glaube, im Endeffekt wird man es nicht zulassen, dass die Vereinigten Staaten zahlungsunfähig werden am 2. August.

    Armbrüster: Nämlich was glauben Sie? Was wird in den kommenden Tagen passieren?

    Mallory: Es wird irgendeinen Kompromiss geben und das ist noch nicht klar, was es sein wird. Es gibt mindestens vier Programme auf dem Tisch, die ich sehen kann. Auf jeden Fall sollte es eine vernünftige Lösung geben. Es gibt eine große Gefahr für die republikanische Partei, das konnte man in den Reden von Obama und Boehner gestern sehen. Obamas Rede war stark auf die Mitte ausgerichtet, auf die unabhängigen Wähler, die er braucht für seine Wiederwahl im November. Boehners Rede war eher auf den rechten Flügel seiner eigenen Partei gerichtet, um sozusagen die Basis zu mobilisieren. Ich bin der Auffassung, dass es im Endeffekt zu einem vernünftigen Kompromiss kommen wird. Die republikanische Führung muss einfach ihrer Basis beweisen, dass sie alles mögliche getan hat, Geschäfte neu in Washington zu gestalten, wie gewollt nach den Zwischenwahlen, und deswegen sind wir in dieser Zwickmühle im Moment.

    Armbrüster: Sie haben jetzt, Herr Mallory, mehrmals den rechten Flügel der republikanischen Partei angesprochen. Der ist hierzulande vor allem als Tea-Party bekannt geworden. Wird die republikanische Partei von der Tea-Party inzwischen beherrscht?

    Mallory: Ich glaube, das große Problem für die republikanische Partei besteht darin, dass der rechte Flügel sich durch die Wahl von Tea-Party-Vertretern in den Kongress als bestätigt fühlt, und im Grunde genommen ist die Partei ganz schön nach rechts gerückt unter Herrn Bush und die Einsicht ist noch nicht eingetroffen, meines Erachtens, in republikanischen Kreisen, dass Präsidentschaftswahlen in der Mitte gewonnen werden. Es gibt diesen Ausdruck in der Politik in Amerika, dass solche Leute "they would rather be right than president" - sie möchten lieber rechts sein und Recht haben als Präsident [zu] werden - und ich glaube, es kann sein, dass die republikanische Partei noch eine Präsidentschaftswahl verlieren muss, bis die Einsicht eintrifft, dass die Partei wieder zurück zur Mitte rücken muss.

    Armbrüster: Das heißt, mit der Tea-Party ist die republikanische Partei auf keinen Fall mehrheitsfähig?

    Mallory: Sie ist auf jeden Fall gebunden, wo sie war nach Herrn Bush, wesentlich rechter als bei Bushs Antritt, und das ist im Moment ein Problem, wenn man eine Präsidentschaftswahl gewinnen möchte, weil es sind bekannterweise die unabhängigen Wähler, die Herr Obama am direktesten angesprochen hat gestern Abend, die das entscheiden werden.

    Armbrüster: Mit Ihrer Sicht jetzt zugegebenermaßen aus Berlin auf die USA, wer hat gewonnen bislang und wer verloren bei diesem Haushaltsstreit?

    Mallory: Ja, das ist eine Frage. Auf der taktischen Ebene, kann man sagen, gibt es eine Antwort, auf der strategischen eben eine andere. Strategisch haben die Republikaner gewonnen, weil das Gespräch geht nur um Kürzungen des Haushalts, und das ist eigentlich das, was sie wollten. Taktisch ist es dem Herrn Obama gelungen, in den letzten Tagen sich so zu positionieren, als ob die Republikaner das Problem wären, obwohl er eigentlich zurück zum Tisch gekommen ist und zusätzliche Steuern von 400 Milliarden verlangt hat, weil sein linker Flügel nicht mit seinem Abkommen mit Herrn Boehner zufrieden war.

    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das Charles King Mallory, der Direktor des Berliner Aspen-Instituts. Besten Dank für das Gespräch, Herr Mallory, und einen schönen Tag noch.

    Mallory: Gerne geschehen, Herr Armbrüster.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.