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"Es ist ein wichtiges Ziel für beide Seiten"

Jackson Janes hält eine Billigung des START-Nachfolgeabkommens durch den US-Senat für denkbar, obwohl die Demokraten dort nicht über eine Zweidrittelmehrheit verfügen. Es gebe auch auf der republikanischen Seite Politiker, die Obama in der Frage der Abrüstung zur Seite stehen würden.

Jackson Janes im Gespräch mit Bettina Klein | 08.04.2010
    Bettina Klein: US-Präsident Obama und Kreml-Chef Medwedew unterzeichnen also heute in Prag das umfassendste atomare Abrüstungsabkommen seit Jahrzehnten. Das Abkommen zwischen den beiden stärksten Atommächten soll zumindest ein Schritt sein auf dem Weg zu einer nuklearwaffenfreien Welt. Es sieht eine deutliche Reduzierung der jeweiligen atomaren Waffenarsenale vor. In Washington begrüße ich Jackson Janes. Er ist geschäftsführender Direktor des American Institute for Contemporary German Studies, einer renommierten Denkfabrik in der amerikanischen Hauptstadt. Ich grüße Sie, Mr. Janes.

    Jackson Janes: Ich grüße Sie auch sehr.

    Klein: Obama in Prag. Er unterzeichnet das START-Nachfolgeabkommen. Ein Termin des Friedensnobelpreisträgers, der innenpolitisch wahrgenommen wird?

    Janes: Es wird innenpolitisch wahrgenommen in dem Sinne, dass er eigentlich hier diesen außenpolitischen Schwerpunkt setzte, gleich am Anfang seiner Amtszeit: Wir müssen hier etwas tun, diese Bedrohung von Nuklearwaffen irgendwie zu reduzieren. Ich glaube, was er jetzt heute macht ist eine Umsetzung davon. Was wichtig ist, ist natürlich, dass er diese Situation auch dann in einem Vertrag umsetzt. Er muss diesen START-Vertrag mit den Russen eigentlich dann durch den Senat durchkriegen. Aber ich glaube, er hat nach meiner Einschätzung eigentlich den richtigen Start gemacht.

    Klein: Sie sagen es: Das Abkommen muss noch vom Senat gebilligt werden, und hier braucht es eine Zweidrittelmehrheit, also mehr als die 60. Mindestens acht Republikaner müssen sich den demokratischen Senatoren anschließen. Ist diese Mehrheit überhaupt in Sicht?

    Janes: Ich denke, ja, weil ich meine, es haben von vornherein sowohl demokratische als auch republikanische Stimmen gesagt, das ist erstrebenswert. Wir haben natürlich auch ein Problem mit innenpolitischen Auseinandersetzungen in Amerika, aber ich glaube, in diesem Punkt ist eigentlich eine Mehrheit im Senat zu erreichen.

    Klein: Wir haben ja am Dienstag bereits erlebt, wie die neue Nuklearstrategie vorgestellt wurde. Die USA legen sich gewisse Restriktionen auf, die den Griff zum Atomknopf erschweren. Auch hier galt aber, dem linken Lager ging es nicht weit genug, und andererseits, viele Republikaner waren der Meinung, er verrät die Interessen des Landes. Angriffe also aus beiden Lagern. Ist das für Sie ein Zeichen, dass er auf dem richtigen Weg ist?

    Janes: Wissen Sie, diesen Ausgleich, wie viel und wie wenig, können wir anstreben. Das ist eigentlich das Schicksal von Präsident Obama. Aber ich glaube, im Prinzip ist der Ausgleich dann zu erzielen, wenn man sagt, wie viel brauchen wir noch zu produzieren. Die Kehrtwende, die er momentan anstrebt, ist: Wir brauchen nicht mehr als was wir haben, wir müssen nur reduzieren, was wir haben. Ich glaube, in dem Sinne ist ein gemeinsamer Nenner zu erreichen. Ich hoffe schon, dass das auch im Senat erreicht wird.

    Klein: Sie sprachen davon, dass Ihnen das durchaus möglich erscheint, dass diese Mehrheit im Senat erzielt werden könnte. Ich habe es angesprochen: Die Kritik an dieser neuen Nuklearstrategie der USA selbst hat ja sehr, sehr viel Kritik der republikanischen Seite gerade erfahren. Weshalb rechnen Sie damit, dass es mit Bezug auf das START-Nachfolgeabkommen nicht so kommen wird?

    Janes: Ich bin der Meinung, dass eigentlich die gewissen Leute, die in dem Senat zum Beispiel auf der republikanischen Seite, etwa Senator Lugar oder einige andere, seit Jahren dafür gekämpft haben, dass wir nicht in diese Richtung weitersteuern, dass diese Leute dann Obama zur Seite stehen. Ich kann Ihnen nicht ganz versprechen, aber ich glaube schon, dass es ein wichtiges Ziel für beide Seiten ist, das zu erreichen.

    Klein: Vielleicht hat Barack Obama den Friedensnobelpreis ein Jahr zu früh erhalten. So unkten ja damals viele. Vielleicht, so sagt man heute, hat er ihn nun mit dem Abschluss des neuen START-Vertrages verdient. War dieser Preis nun eher ein Ansporn oder ein Hinderungsgrund bei dem Bemühen, die Welt etwas sicherer werden zu lassen?

    Janes: Ich glaube, sowohl als auch. Ich glaube, auf der einen Seite haben Leute gesagt, er hat es nicht verdient, das muss er noch beweisen. Aber auf der anderen Seite glaube ich, auch die Klarstellung in dem Sinne, dass er gesagt hat, wozu brauchen wir gewisse Dinge, wo wir auch dann den Ausgleich mit dem Weltfrieden erzielen müssen. Ich glaube, er hat dann eigentlich ein ganzes Paradigma geändert. Insofern: Sei es in Oslo, sei es in Europa oder sei es in gewissen Ecken in Washington, das wurde erkannt. Ich glaube, es geht eigentlich nicht mehr um das, was man sich von Obama wünscht; es geht um die Frage, was er liefern kann. Und das ist dann das, was wahrscheinlich morgen auf der Tagesordnung steht.

    Klein: Das START-Abkommen wird heute unterschrieben, die Gesundheitsreform ist halbwegs in trockenen Tüchern, abgesehen von den Gerichtsverfahren, die jetzt noch anhängig sein werden. Könnte man sagen, es läuft so langsam, Obama fasst allmählich Tritt und hakt seine Agenda ab, oder täuscht das?

    Janes: Ja, es kann sein, aber ich meine, es gilt das Prinzip Hoffnung. Ich meine, es gibt immer wieder die Verquickung zwischen Innen- und Außenpolitik, und da geht es zum Beispiel auch dann um den START-Vertrag. Obama muss eine ganze Menge jetzt mal hinstellen, um zu sagen, wir brauchen sowohl als auch, wir brauchen die innenpolitische Konsensherstellung und wir brauchen die außenpolitische Konsensherstellung. Wir haben dort diese Gesundheitsreform, er hat das geschafft. Die Frage ist, was sind die nächsten Messlatten. Ich glaube, was jetzt morgen passiert, ist eine davon.

    Klein: Mr. Janes, ich würde gerne noch auf ein aktuelles Ereignis des heutigen Morgens deutscher Zeit blicken. Wir haben es gemeldet, wir haben auch gerade kurz Informationen aus Washington dazu gehabt. Es heißt, ein Anschlag auf einen Flug von Washington nach Denver sei verhindert worden. Das Ganze könnte sich aber auch um ein Missverständnis gehandelt haben. Sie sind etwas näher dran, Sie können die amerikanischen Medien genauer verfolgen. Welchen Eindruck haben Sie im Augenblick von diesem Geschehen?

    Janes: Ich glaube, das ist ein Wirrwarr. Ich sitze so wie Sie vorm Fernseher hier und gucke auch das, was momentan berichtet wird. Es ist überhaupt nicht klar. Nur das trägt dazu bei, dass man eigentlich in Amerika nach wie vor verunsichert ist in dem Sinne, wenn irgendwas in dieser Richtung passiert, sei es ein Missverständnis, oder sei es ein Problem wie am 25. Dezember, wir sind nach wie vor immer wieder daran erinnert, wie eigentlich Probleme dastehen, die wir nicht meistern können. Ich würde sagen, im Moment ist es zu früh zu sagen, was passiert in Denver Colorado, aber es ist noch eine Bestätigung, dass wir nach wie vor nicht genau wissen, wie wir diese Probleme meistern können.

    Klein: Sollte sich das bestätigen, dass es mehr war als ein makaberer Scherz, oder mehr als ein Missverständnis, rechnen Sie für diesen Fall damit, dass die Transport- und vielleicht auch Einreisebestimmungen weiter verschärft werden?

    Janes: Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, im Moment ist es eigentlich erst mal zu früh zu sagen, und zweitens glaube ich, wir haben das eben verschärft aufgrund vom 25. Dezember. Wir müssen einfach nicht zu viel ins Spiel hineinwerfen, sodass wir nicht unbedingt zu wenig Spielraum für die Leute lassen, die nach Amerika einreisen wollen, dass das erschwert wird. Ich glaube, wir müssen erst mal abwarten, was da eigentlich heute Abend passiert ist. Wir wissen es nicht genau.

    Klein: Und wir werden es weiter beobachten und sie hier natürlich auch weiter informieren. – Das war Jackson Janes, Politikwissenschafter aus Washington vom American Institute for Contemporary German Studies. Ich bedanke mich, Jackson Janes, Gruß nach Washington.

    Janes: Danke schön.