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"Es ist eine Künstlergesellschaft"

Sigrid Gareis zählt seit einigen Jahren zu den bekannten Figuren im internationalen Kulturbetrieb. Zuletzt hat die 53-Jährige in Wien gearbeitet, wo sie ein Tanzfestival geleitet hat. Nun ist die gestandene Kulturkennerin in Köln gelandet , wo sie als Generalsekretärin der neuen "Akademie der Künste der Welt" fungiert.

Sigrid Gareis im Gespräch mit Susanne Luerweg | 19.07.2012
    Susanne Luerweg: Sie gründen gerne Sachen habe ich das Gefühl, beispielsweise Theater–, Theoriefestivals in der ganzen Welt. Und jetzt sind Sie im Grunde genommen Leiterin, Gründerin, Geschäftsführerin der "Akademie der Künste der Welt". Brauchen Sie immer neue Aufgaben?

    Sigrid Gareis: Da fragen Sie mich was Richtiges. Ich bin selber erstaunt, dass das Meiste, was ich in meinem Leben getan habe, eine Gründung war. Von der Abteilung über Festivals über ein Haus und jetzt die Akademie. Wahrscheinlich ist das in den Genen. Manchmal bin ich da selber überrascht. Es liegt vielleicht ein bisschen in der Natur. Ich habe nie wirklich ausgetretene Pfade nachgehen können. Ich bin ein sehr neugieriger und durchaus auch abenteuerlicher Mensch, und da sind solche Herausforderungen diejenigen, die man eher annimmt, als die trockenen Brotjobs. Ich war auch schon Beamtin. Das habe ich dann hinter mich gebracht .

    Luerweg: Die "Akademie der Künste der Welt" - so richtig hat sich mir noch nicht erschlossen, wie es sein soll. Akademie klingt ja immer so ein bisschen verkopft, wissenschaftlich, aber so soll es gar nicht sein.

    Gareis: Nee, es ist dieses alte Modell der Gelehrtengesellschaft. Also nicht der Erziehungsinstitution , was man hier in Köln mit einem neuen Ansatz beleben möchte. Also man nimmt den alten Gedanken Akademie her und belebt den neu. Die Künstlergesellschaft, aber in neuer Form. Dass man auf der einen Seite den nationalstaatlichen Gedanken, der diesen Akademien immer anhängt, beiseitelässt. Also die Akademie ist explizit auf eine globale Welt, außer Europa ausgerichtet. Und die zweite Schlüsselfrage in unseren modernen Gesellschaften soll sich auch um Fragen der Migration kümmern. Und man hat die Künstlergesellschaft so angelegt, dass jüngere, quasi im künstlerischen Leben und nicht als Ehrenamt am Ende stehende Künstler aufgenommen werden, und die auch nur zeitlich befristet.

    Luerweg: : Die ersten Mitglieder sind gefunden und darunter sind ganz schön vorzeigbare.

    Gareis: Ja, total Spannende. Ich war auch selber überrascht, ich war ja selber nicht daran beteiligt , das ist mir ja gleichsam in den Schoß gefallen. Also das sind wirklich sehr, sehr gute Leute. Um nur ein paar zu nennen: der Friedenspreisträger Liao Yiwu, ein ganz, ganz toller Mensch, den ich kennenlernen durfte. Walid Raad, der gerade an der Documenta ist. Also man könnte da eine Liste aufführen, sehr, sehr tolle Leute.

    Luerweg: Und was sollen die jetzt genau tun? Die sollen nach Köln kommen und hier mitwirken an Kulturprojekten. Dezentral? Oder wie verstehe ich das?

    Gareis: Es ist wirklich der normale Akademiegedanke. Diese Künstler sollen erst einmal eine eigene Stimme der Kunst werden, also ein Sprachrohr. Es ist eine Künstlergesellschaft, die sich einen eigenen Auftrag und eine eigene Stimme gibt. Parallel heißt das aber, dass sie das, für was sie stehen, auch umsetzen und das sollen sie in Köln. Die Akademiemitglieder sind aufgerufen, sich in Köln mit ihren Ideen mit einzubringen. Mit Partnern in der Stadt. Wir hoffen, dass ein neuer Input über interessante Menschen, aber auch interessante Ideen kommt. An die Akademie angeschlossen ist ein Stipendienprogramm. Geht in Richtung Villa Massimo von der Ausstattung. Es gibt auch Gelder für externe Projekte, da habe ich gerade eine Ausschreibung laufen. Also die Akademie unterstützt auch. Die vierte Säule ist eine junge Akademie. Jugendliche aus dem migrantischen Umfeld oder Jugendliche, die sich für Fragen der Zuwanderungsgesellschaft interessieren, sollen eine junge Akademie bilden , die einerseits die Projekte begleitet, aber auch eigene Programme aufstellt. Hoffentlich politische, soziologische.

    Luerweg: Ich hätte gerne mal ein konkretes Beispiel, sodass ich mir das vorstellen kann. Es gibt ja bereits vorhandene Institutionen, die sich über den Tellerrand Europa hinweg mit Migration beschäftigen. Mir fällt jetzt spontan das Rautenstrauch Joest Museum ein, hier soll irgendwann einmal die größte Moschee Europas entstehen. Vernetzen Sie sich mit diesen vorhandenen Institutionen?

    Gareis: Ja, das ist ganz klar. Aber man hat eben eine Gruppe von Künstlern , eine Gesellschaft von Künstlern, die hier letztlich sich selber ein Programm gibt. Wobei man eben Schlüsselprojekte entwickeln möchte mit der Arbeit der Akademie, mit der Stimme der Kunst und des Künstlers doch hoffentlich beispielhafte Projekte realisieren möchte, die über Köln hinaus , über Deutschland hinaus gehen werden. Das wäre mein großer Wunsch.

    Luerweg: Das Problem, oder was dem Kölner ja gerne vorgeworfen wird, ist, dass der Kölner ja nicht so gerne über den Tellerrand hinausblickt , sondern sich gerne selbst betrachtet, sich super findet, aber den Rest auch nicht so wahrnimmt. Ich stelle mir das schwierig vor, das hier zu machen.

    Gareis: Das muss sich mir erst einmal zeigen. Ich bin ja ausgebildete Anthropologin und ich bin da noch so ein bisschen am Schauen. Was mir aber auffällt, ist schon die Toleranz und die Weltoffenheit der Stadt. Schon so eine Genügsamkeit, das bin ich aber von Bayern gewohnt: Mir san mir. Aber die Weltoffenheit und die - sagen wir mal - die Neugierde und die geringe Scheu vor dem Fremden vor dem Anderen finde ich eigentlich sehr, sehr auffällig.

    Luerweg: Das Projekt ist finanziell nicht so sensationell ausgestattet. Es sind 1,2 Millionen Euro. Das ist nicht so viel.

    Gareis: Es ist ein Grundstock an Subventionen. Eine Million die Stadt, 150 das Land, und ich muss das dazu sagen, ich fand schon auffällig, dass man in unseren Zeiten überhaupt was Neues gründen kann. Da habe ich auch immens positive Reaktionen aus der ganzen Welt gekriegt. Das ging von MoMa New York bis Cambridge, sowohl auf die Idee dieser Akademie als auch auf die Kulturleistung, einfach neue Wege trotz schwierigen Zeiten zu gehen. Ich finde es ist ein plausibler Ansatz. Es ist ungefähr so viel, wie die bayrische Akademie der Schönen Künste hat und natürlich muss man sagen, dass man versuchen muss, mit diesem Geld auch weiterarbeiten zu können. Also ich gehe schon davon aus, dass man da noch weitere Mittel - sei es über den Bund, der noch nicht beteiligt ist, sei es über Sponsoren, über Förderer - bekommen kann. Das ist natürlich ein Weg, den ich versuchen werde, massiv anzugehen. Die Chancen sind gut, weil es wirklich eine ganz, ganz einzigartige Institution ist. So was gibt es meines Wissens gar nicht in der Welt. Das ist eine wirkliche Neugründung.

    Luerweg: Köln geht nicht immer gut mit seinen Kulturarbeitern um. Das kann man in der letzten Zeit leider sehr gut beobachten. Die Direktorin des Schauspielhauses Karin Beyer geht nach Hamburg, der Opernintendant Laufenberg ist entlassen worden. Wenn Sie das so mitkriegen, beunruhigt Sie das?

    Gareis: Sagen wir mal so: Im Moment wundert mich schon: Köln hat solche Verdienste in der Kultur. Schaut man die Neue Musik an: immens; die bildende Kunst: Art Cologne, Galeriewesen. Ich glaube schon, dass die Stadtpolitik noch ein bisschen mehr drauf schauen sollte, was sie an Kunst und Künstlern hat für die Entwicklung. Und es könnte vielleicht etwas mehr honoriert werden. Im Moment schaue ich mir das mal an und bin eher verwundert.

    Luerweg: : Wenn ich viel arbeiten muss, dann ist die Akademie nicht gut. Arbeiten Sie gerade viel?

    Gareis: Wenn ich viel inhaltlich arbeiten muss. Arbeiten muss ich total viel. Ich denke sehr, sehr stark, die Künstler und die Kunst hier spricht und nicht ich als ehemalige Kuratorin . Nee, das bezieht sich nur auf den Inhalt. Wenn ich da sehr viel selber tun würde, dann wäre das schade. Es soll wirklich eine Kunst und Künstlerstimme werden. Dass man da auch ein ganz neues Modell und vielleicht auch eine Alternative zum Kuratorenbetrieb herstellt.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.