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"Es ist gemeinsames Handeln angesagt"

Die Grünen-Politikern Katrin Göring-Eckardt zeigt sich überrascht über das Ergebnis des Konklaves. Von Papst Franziskus I. und der gesamten katholischen Kirche wünscht sie sich eine engere Zusammenarbeit mit den Protestanten.

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Jasper Barenberg | 14.03.2013
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich Kathrin Göring-Eckardt von Bündnis 90/Die Grünen, Präses der Synode der EKD. Schönen guten Morgen, Frau Göring-Eckardt.

    Katrin Göring-Eckardt: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Barenberg: Die Wahl des neuen Papstes – warum ist das wichtig auch für die evangelische Kirche?

    Göring-Eckardt: Na ja, zunächst mal ist er ja als Christ sozusagen in der Welt einer derjenigen, der über die Sache Gottes redet, und insofern ist das für alle Christinnen und Christen sicherlich wichtig. Gleichzeitig muss man sagen, mit dieser Wahl hat die katholische Kirche auch gezeigt, dass sie sehr deutlich macht, um welche Fragen und um welche Probleme es im Moment vor allen Dingen geht, und der Papst Franziskus mit diesem Namen hat auch deutlich gemacht, dass er das so sieht, also die sozialen Fragen, aber auch die ökologischen Fragen, die ja im Mittelpunkt des Interesses stehen und auch im Mittelpunkt des Überlebens.

    Barenberg: Insofern sind Sie, das unterstelle ich mal, auch überrascht worden gestern Abend, aber durchaus positiv gestimmt heute Morgen?

    Göring-Eckardt: Ich bin auch überrascht worden und sage auch ja, da ist sehr viel an Hoffnung natürlich. Ich würde auch sagen, man darf nicht zu viel Hoffnung auf einen einzelnen Menschen setzen. Da sind die Protestanten ja etwas anders geprägt. Aber trotzdem ist es mit Hoffnung verbunden, weil das ja eine sehr schnelle, eine sehr deutliche Entscheidung auch gewesen ist, auch wenn ich sagen würde, natürlich gibt es da auch einen großen Abstand in manchen Fragen, wenn es beispielsweise um Homosexualität geht, auch ganz klar. Aber das ist auch ein sehr politischer Mensch, der sich immer wieder in politische Fragen auch eingemischt hat, und zwar als Geistlicher, und zwar als Anwalt der Schwachen. Und insofern an dieser Stelle auf jeden Fall auch Hoffnung.

    Barenberg: Setzen die katholischen Gläubigen zu große Hoffnungen, zu große Erwartungen in ihren Pontifex?

    Göring-Eckardt: Ich glaube, da hat sich ja was geändert auch, nachdem Papst Benedikt zurückgetreten ist und deutlich gemacht hat, diese Konzentration auf eine einzige Person ist jedenfalls nur im Rahmen des Menschlichen möglich und nicht im Rahmen von etwas Übermenschlichem. Und insofern hat sich, glaube ich, Papst Benedikt da auch einen guten Dienst erwiesen, indem er gesagt hat, es kann auch sein, dass die Kraft eines Menschen jedenfalls nicht ausreicht, und dass er dann auch selber sagen kann: "Ich trete zurück." Und vor diesem Hintergrund hat der neue Papst, glaube ich, auch jede Chance, auf der einen Seite die katholische Kirche zu reformieren. Er ist ja ein unabhängiger Geist als Jesuit, der nicht nur ein besonders intellektueller ist, sondern er ist eben auch ein besonders unabhängiger. Deswegen haben sicherlich viele katholische Geschwister auch Hoffnung darauf, dass es Reformen in ihrer Kirche gibt. Es gibt sicher auch viele, die an die Herkunft aus Lateinamerika und das Einmischen dort ökumenische Hoffnungen knüpfen, weil so was wie den Hunger in der Welt zu bekämpfen, das wird man nur mit allen Menschen guten Willens gemeinsam machen können und damit auch über die Konfessionen und Religionen hinweg.

    Barenberg: Das heißt zunächst mal: Wünschen Sie der katholischen Kirche und wünschen Sie auch den Gläubigen mehr Pluralität, mehr Vielfalt in der katholischen Kirche?

    Göring-Eckardt: Ich glaube, das ist damit verbunden, und dass jetzt ein Papst da ist, der ja fast die Hälfte der Katholikinnen und Katholiken quasi vertritt, weil er aus Lateinamerika kommt, das ist schon ein deutliches Zeichen von mehr Vielfalt, und diese Hoffnungen verbinden sicherlich viele auch mit dieser Wahl – wie gesagt mit allen Einschränkungen, die das auch hat.

    Barenberg: Und das entspricht auch mehr Ihrem Kirchenverständnis?

    Göring-Eckardt: Na ja, als Protestantin bin ich natürlich sozusagen per se jemand, die sagt, dass Vielfalt was sehr Positives ist, auch im Christ sein und auch im Christentum.

    Barenberg: Wie wichtig ist für Sie künftig das Gespräch auf Augenhöhe? In der Vergangenheit, im letzten Pontifikat von Benedikt XVI., hat der Papst die evangelische Kirche ja ein ums andere Mal kräftig vor den Kopf gestoßen, oder?

    Göring-Eckardt: Zugleich ist er ja nach Erfurt gekommen, an den Ort, von dem aus Luther losgegangen ist, und hat damit deutlich gemacht, dass er diesen Theologen sehr respektiert, und hat damit ja auch viele Türen geöffnet. Also insofern: Ich kann mir nichts anderes vorstellen als ein Gespräch auf Augenhöhe, und ich glaube, dass wir als Evangelische jedenfalls allen Grund haben, dem auch zu entsprechen. Gespräch auf Augenhöhe heißt ja immer, dass man als Kirche erstens nicht die Anerkennung von anderen braucht und auch nicht der katholischen Kirche, sondern aus eigener Kraft heraus deutlich machen kann, was wir für ein Verständnis von Christ sein und Christentum haben und auch für ein Verständnis von Kirche haben. Das ist bei uns nun mal anders. Bei uns ist ganz klar, dass Laien eine große Rolle spielen. Bei uns ist klar, das Priestertum aller Getauften gilt und das gilt selbstverständlich auch für Frauen. Also insofern haben wir da ein anderes Verständnis. Ich glaube aber, dass in dieser Pluralität und in dieser Verschiedenheit, in der deutlichen Verschiedenheit auch der beiden Kirchen, wir gemeinsam Positives bewirken können. Da gehört die Anerkennung der Verschiedenheit dazu und da gehört aber eben auch gleichzeitig dazu, dass man gemeinsam macht, was man gemeinsam machen kann.

    Barenberg: Was würden Sie sich denn von dem nächsten Papst wünschen in dieser Hinsicht, wenn Sie von diesem Spagat sprechen zwischen Annäherung auf der einen Seite und Abgrenzung ja auf der anderen Seite auch?

    Göring-Eckardt: Zunächst mal Gespräche, natürlich auch Gespräche über theologische Fragen. Aber ich glaube, mit diesem Papst verbindet sich auch die Hoffnung, dass man die Fragen, die es in der Welt gibt, wo Christinnen und Christen nur zusammenstehen können, sei es die ökologische Frage oder noch viel stärker die soziale Frage, dass man die gemeinsam angeht, und bei einem Papst aus Lateinamerika denkt man auch sofort immer daran, dass die Theologie der Befreiung dort herkommt und dass da dieses gemeinsame Handeln ja im Vordergrund stand und auch steht.

    Barenberg: Mit dieser Theologie der Befreiung allerdings hat offenbar jedenfalls, soweit wir bisher wissen, der neue Papst nun überhaupt nichts am Hut. Da ähnelt er wohl eher seinen Vorgängern.

    Göring-Eckardt: Da ähnelt er eher seinen Vorgängern und trotzdem ist, glaube ich, bei der Bekämpfung der Armut, bei der Frage, wie man auf Menschen zugeht, auf ihren Alltag zugeht, ökumenisches Handeln angesagt, gemeinsames Handeln angesagt, ich sage noch mal: gemeinsames Handeln eigentlich aller Menschen guten Willens. Und damit hat man, glaube ich, eine gute Grundlage. Auch wenn ich nicht annehme, dass dieser Papst ein Verfechter der Theologie der Befreiung ist, gibt es natürlich trotzdem die Auseinandersetzung mit dieser Tradition.

    Barenberg: Wenn es um das Verhältnis der beiden christlichen Kirchen geht – letzte Frage, Frau Göring-Eckardt -, welches Signal würden Sie sich als Erstes von dem neuen Papst wünschen?

    Göring-Eckardt: Na ja, ich würde jetzt nicht sagen, das hat mit der Person des neuen Papstes zu tun, und ich warte auch nicht auf ein Signal, sondern ehrlich gesagt freue ich mich eher auf Gespräche, die die beiden Kirchen miteinander haben werden, wo dann nicht nur verschiedene Positionen, sondern auch gemeinsame Anliegen zur Sprache kommen.

    Barenberg: Katrin Göring-Eckardt, vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.

    Göring-Eckardt: Ich danke Ihnen auch.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.