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"Es muss Folgeprojekte geben"

Internet.- Die deutsche Wirtschaft soll von den Internet-Entwicklungen der Projektgruppe Theseus profitieren. Im Interview mit Manfred Kloiber erläutert Wissenschaftsjournalist Jan Rähm, ob das auch gelingen kann - und auf welchen Feldern.

18.02.2012
    Manfred Kloiber: Mit Jan Rähm bin ich in Berlin verbunden. Herr Rähm, kann denn die deutsche Wirtschaft auf Ergebnisse von Theseus zurückgreifen, wie es Henning Kagermann in ihrem Beitrag fordert?

    Jan Rähm: Ja, das kann sie. Also Wissenschaft und Wirtschaft sind jetzt eng vernetzt – auch dank Theseus. Und aus Theseus ist eine Wissensdatenbank entstanden. Die heißt Theseus Prisma und die enthält nahezu alle Daten und alle Forschungsergebnisse aus Theseus. Das sind rund 800 Publikationen. Und zudem ist ein Kompetenz-Cluster entstanden. Das heißt, die Wirtschaft weiß: Wen muss sie in der Wissenschaft ansprechen und andersrum. Und das loben die Beteiligten aus Theseus als besondere Errungenschaft dieses fünfjährigen Projekts. Denn jetzt weiß man, wer was kann und wen man ansprechen muss für die Folgeprojekte.

    Kloiber: Wie zufrieden sind denn die Beteiligten insgesamt? Ist Theseus in ihren Augen ein Erfolg geworden?

    Rähm: Also wenn ich die Stimmung auf dem Kongress richtig deute, dann war das Ganze doch ein großer Erfolg. Auch wenn man davon in der Welt außerhalb Theseus manchmal nicht ganz soviel mitbekommen hat in den fünf Jahren. Aber insgesamt war doch eigentlich nur Positives zu hören. Anfangs hat es wohl ein wenig gehakt. Da gab es Probleme bei der Abstimmung über die Ausrichtung. Das ist ja auch im Beitrag eben angeklungen. Am Anfang ging es ein bisschen um eine neue Suchmaschine als Konkurrenz zu Google, um eine semantische Suchmaschine. Aber da hat sich sehr schnell rausgestellt, das ist unrealistisch und man solle sich doch viel lieber oder viel besser um andere Themen kümmern. Das hat man getan und damit sind jetzt alle doch sehr zufrieden. Professor Weber, der ganz am Anfang aufgetaucht ist, hat gesagt, Deutschland und Europa sind dank Theseus auch jetzt in einer führenden Stellung, was die Semantikforschung angeht.

    Kloiber: In das Projekt sind ja rund 100 Millionen Euro geflossen – je zur Hälfte aus staatlichen und aus privatwirtschaftlichen Töpfen. Das ist ja auch eine stolze Anfangsinvestition. Wie geht es denn jetzt weiter nach dem Ende von Theseus und nach dieser Investition?

    Rähm: Theseus kann man ja insgesamt sozusagen als Basisforschung, als Grundlagenforschung bezeichnen. Und jetzt gibt es die einhellige Meinung, es muss Folgeprojekte geben, um die gewonnenen Erkenntnisse dann auch in Produkte zu gießen. Und die Vorraussetzungen dafür seien wohl auch ganz gut. Wissenschaft und Wirtschaft seien jetzt ganz gut vernetz. Die Projekte seien zum Teil sehr vielversprechend – auch wenn es einige gibt, die zwar beendet wurden, auch mit Erfolg, allerdings ohne so konkretes Ergebnis. Eins der sehr vielversprechenden Projekte ist dieses Projekt Medico. Das wird innerhalb der nächsten Jahre jetzt wirklich auch in die Praxis gehen – da laufen die ersten Tests.

    Kloiber: Nochmal konkret nachgefragt: Wird es denn ein Nachfolgeprojekt zu Theseus geben?

    Rähm: Das hängt noch so ein bisschen in den Wolken. Und das sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Es wurde viel darüber gesprochen, ob der Cloud Aktionsplan der Bundesregierung zu so einem Nachfolgeprojekt für Theseus führen wird. Aber es wurde wirklich auch gefordert: eine deutsche Cloud, eine europäische Cloud – die muss es geben. Und da sind natürlich dann wieder die Semantik und die statistischen Verfahren sehr wichtig.

    Kloiber: Sie sprachen es ja in ihrem Beitrag an, es seien auch Probleme und Fragestellungen aufgetaucht. Welche sind denn das?

    Rähm: Ein ganz großes Problem – ob man's glaubt oder nicht – sind die Daten an sich. Und zwar hat sich herausgestellt, dass die Datenmengen und auch die Komplexität von Daten immer größer wird. Und damit wird es immer schwieriger, mit diesen Daten umzugehen, diese Daten zu verarbeiten. Als Beispiel möchte ich hier mal das Röntgenbild anbringen. Das ist ja eigentlich nur ein einziger Datensatz. Der ist aber relativ groß. Denn er hat einen riesigen Dateninhalt. Da sind viele Informationen drin, die man aus diesem Bild rausholen kann. Und um das zu verarbeiten, braucht man wiederum die Semantik. Und diese Komplexität, die Menge, das hört man oft unter dem Begriff "Big Data". Und da geht es wirklich darum: Wie kann man das effizient verarbeiten, wie kann man das auch weiterleiten? Und vor allen Dingen auch: Wie kann man das speichern? Und ein Problem, was dabei auftritt, sind die Rechenzentren. Die haben einen enormen Energiebedarf. Und je mehr in diesen Rechenzentren gespeichert wird, im Netz, in der Cloud, umso größer wird der Energiebedarf und da stellt sich dann irgendwann die Frage: Wer soll das alles bezahlen? Ein anderes Problem, was aber darauf basiert, ist: Wer entscheidet, was gute und was schlechte Daten sind? Also, was sind Daten, die man auch in Zukunft verarbeiten kann, aus denen man Wissen rausholen kann, aus denen man Informationen generieren kann? Und welche soll man davon aufheben und welche schmeißt man einfach weg? Also diese Entscheidung, diese Fragestellung wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Aber – da sind sich auch die Beteiligten wieder sicher – die semantischen Technologien und die statistischen Verfahren sollen dafür sorgen, dass diese Datenmengen beherrschbar bleiben.

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