Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


"Es war kein Desaster"

Klima.- Die Ergebnisse der Klimakonferenz in Kopenhagen seien zwar mager, aber dennoch Ergebnisse. Das sagt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, im Gespräch mit Gerd Pasch. Dennoch hält er den Ablauf des Gipfels für beschämend.

21.12.2009
    Pasch: Die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Kopenhagen ist mit einem aus Sicht der Umweltgruppen skandalösen Ergebnis zu Ende gegangen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wie auch der Klimachefdiplomat der Vereinten Nationen, Yvo de Boer, sprachen dagegen von einem bedeutenden politischen Signal. Aus Sicht der Wissenschaft bewertete vor dieser Sendung Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, die Kopenhagenvereinbarung.

    Schellnhuber: Ich meine, Ban Ki-moon und Yvo de Boer argumentieren natürlich aus dem Interesse heraus, die Bedeutung dieses gewaltigen Prozesses unter dem Dach der Vereinten Nationen eben herauszustreichen. Sie müssen quasi Interesse daran haben, hier Fortschritte zu erkennen, selbst wenn man sie mit der Lupe suchen muss. Sie müssen letztendlich klarmachen, ist es sinnvoll, dass die Vereinten Nationen dieses Menschheitsthema Klimawandel unter ihrem Dach bearbeiten, weil – das ist ganz wichtig, das zu sagen – die Zukunft des Multilateralismus, also das System der Vereinten Nationen, die wurde wahrscheinlich noch nie so kritisch gesehen wie jetzt, wo man gesehen hat, dass eben das ganze Format der globalen Institutionen, wie wir sie haben, offenbar nicht ausreicht, nicht hinreichend ist, nicht effizient und schlank genug ist, um solche Themen zu bearbeiten. Also, die Art, wie das abgelaufen ist, war in der Tat beschämend. Die Ergebnisse sind mager, aber sie sind eben nicht nichts. Es gibt mindestens einen entscheidenden Angelpunkt, von dem man aus das ganze Klimaschutzsystem weiterdrehen kann. Das ist diese, nicht Verpflichtung, aber doch Anerkennung des Zwei-Grad-Zieles und damit, kann der Wissenschaftler sagen, ist eigentlich ein entscheidender Schritt nach vorn getan worden, weil dieses definitorische Vakuum, das bisher herrschte, wo niemand wusste, welches Klimaschutzziel streben wir denn eigentlich an, das ist eben ersetzt wurden durch eine konkrete Zahl, die aus meiner Sicht sehr viel Sinn macht. Und von der man aus in der Tat dann mit zwingender wissenschaftlicher Logik dann Reduktionsziele vereinbaren kann und, und, und. Meine Bewertung ist die: Es war kein Desaster. Es ist noch Spielraum. Es kann in Mexiko nächstes Jahr noch einiges geschehen. Aber es war natürlich kein strahlender Triumph und schon gar keineswegs war es ein Erfolg für das System der Vereinten Nationen.

    Pasch: Da spricht der Insider. Sie waren ja in Kopenhagen selbst dabei. Haben Sie denn den Eindruck, dass es noch ein Fundament für eine gemeinsame Lösung gibt?

    Schellnhuber: Ironischerweise ist es so, dass dieses Papier, der sogenannte Copenhagen Accord (PDF-Datei), der ja nur zur Kenntnis genommen wurde von der Versammlung, vom Plenum, dieses Papier ist so vage formuliert. Außer den zwei Grad steht eigentlich nur qualitatives drin, also keine konkreten Zahlen bis auf die Milliarden bis 2020, also Finanzhilfen. Aber da ist wiederum nicht klar, wie sie aufgebracht werden sollen. Das Papier ist so vage, dass es einfach nur Spielraum lässt und der Prozess, der eigentlich in Kopenhagen zu Ende geführt hätte werden sollen, also die Klimaverhandlungen, dieser Prozess geht eben einfach weiter. Insofern hat zwar man zwar Zeit verloren, hat sicherlich viel ... schlechte Stimmung gemacht, vielleicht sogar Hass und Feindschaft erzeugt. Aber der Prozess ist immer noch offen. Und es sind eben keine niedrigen Ambitionsniveaus festgelegt worden, also zum Beispiel: Die Industrieländer würden bis 2050 nur um 50 Prozent Emissionen reduzieren. So etwas steht eben nicht drin. Das heißt, es ist immer noch die Möglichkeit, gerade weil es eben so inhaltsleer ist, das Papier, dass wir noch etwas Vernünftiges schaffen. Es ist eine interessante Konstellation.

    Pasch: Eine zweite Chance im nächsten Jahr in Mexiko möglicherweise. Aber ist denn die Weltklimakonferenz unter dem Dach der UN noch die richtige Form? Gibt es aus wissenschaftlicher Sicht Ideen auch für Alternativen?

    Schellnhuber: Im Augenblick sehe ich eher folgende Situation: Wir müssen, wir, das sind alle, die an der Stabilität des Klimas interessiert sind, wir müssen den Rahmen der Vereinten Nationen ausschöpfen und gleichzeitig aber muss jetzt auch die Stunde der Zivilgesellschaften schlagen, weil, was wahrscheinlich in Mexiko herauskommen wird nächstes Jahr, endgültig ist, dass man Klimaschutz zwischen den Nationen nach den Klingelbeutelprinzip betreibt und jeder wirft seine Reduktionsverpflichtungen ein, nach nationaler Maßgabe, nach Belieben letztendlich, und hofft, dass dann irgendwie die Zwei-Grad-Linie gehalten werden kann, was natürlich nicht passiert. Ich glaube dass, wenn man das jetzt den Regierungen einfach so überließe und sie weiterhin Business-as-usual-Politik betreiben würde, dann würden wir weit über die Zwei-Grad-Linie herausschießen.