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"Es war notwendig, dass wir die Transaktion vertraulich vorgenommen haben"

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) rechtfertigt den umstrittenen Kauf der EnBW-Anteile mit den Regeln des Börsenmarkts. Zur "Causa Guttenberg" sagt Mappus, dass man einen Menschen "nicht nur auf diesen Fehler reduzieren" dürfe.

Stefan Mappus im Gespräch mit Silvia Engels | 03.03.2011
    Silvia Engels: Das war SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid, und am Telefon ist nun der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, guten Morgen, Herr Mappus!

    Stefan Mappus: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Was halten Sie dieser Kritik denn entgegen?

    Mappus: Überhaupt nichts, weil, wissen Sie, Herr Schmid hat keine Themen, er hat in der Sache nichts anzusetzen, er geht seit Wochen nur auf Personen, schwerpunktmäßig auf mich. Das soll er tun, ich glaube, dass die Menschen in Baden-Württemberg am Ende Sacharbeit beurteilen, deshalb möchte ich mich dazu nicht äußern.

    Engels: Sind Sie denn erleichtert, dass Sie die gemeinsamen Termine mit Herrn zu Guttenberg nicht mehr machen müssen?

    Mappus: Frau Engels, ich wüsste nicht, warum ich da erleichtert sein soll. Ich habe ja die Woche wiederholt gesagt, Karl-Theodor zu Guttenberg hat einen Fehler gemacht, er hat einen großen Fehler gemacht, aber er steht dazu. Er hat sich entschuldigt und die Konsequenzen daraus gezogen. Und wissen Sie, im Gegensatz zu manchen anderen bin ich jetzt nicht der Typ, der sich dann im Höchsttempo von jemand sichtbar distanziert und jemanden eiskalt fallen lässt, sondern ich sehe auch den Menschen dahinter. Und Karl-Theodor zu Guttenberg ist eine Persönlichkeit, die in einem Politikstil, wie ihn die Menschen offensichtlich mögen, in den letzten beiden Jahren viel vorangebracht hat in Deutschland. Er hat einen Fehler gemacht, das darf man nicht wegdiskutieren, aber jetzt ihn nur noch auf das reduzieren, das finde ich nicht fair und das mache ich auch nicht mit. Und deshalb ist er in Baden-Württemberg immer willkommen in der CDU, auch in Zukunft.

    Engels: Aber in den neuesten Umfragen hatte Herr zu Guttenberg auch kurz vor seinem Rücktritt zuletzt doch deutlich verloren. Bestand die Gefahr, dass die Doktorarbeitsaffäre Ihren Wahlkampf überlagert?

    Mappus: Frau Engel, Sie machen Politik nicht nach Umfragen, sonst hätte ich wahrscheinlich vor einem halben Jahr vermutlich die Arbeit einstellen können, sondern ich will Baden-Württemberg voranbringen, ich mache Politik entlang von Themen. Und wenn man Unterstützung bekommt von einer Persönlichkeit, die nach wie vor allerhöchstes Ansehen hat in Deutschland - bei allen Fehlern, ich will ja nichts wegdiskutieren -, ... Dass er einen Fehler gemacht hat, ist doch ganz klar, das darf man auch nicht verharmlosen, aber ihn nur noch darauf zu reduzieren, ihn eiskalt fallen zu lassen und dann so, wie es der SPD-Vorsitzende in Baden-Württemberg macht, quasi noch diese Entwicklung gegen andere zu verwenden - das mache ich nicht mit. Und deshalb habe ich auch nicht die Absicht, in diesen Chor einzustimmen.

    Engels: Fallenlassen ist das eine, aber politisch Verantwortung übernehmen ist das andere. War es klug von Bundeskanzlerin Merkel, so lange an Herrn zu Guttenberg als Minister festzuhalten?

    Mappus: Frau Engels, wissen Sie, mich hätte mal interessiert, was Sie gesagt hätten oder was Berufskollegen von Ihnen gesagt hätten, wenn es genau andersherum gewesen wäre. Die Bundeskanzlerin hat ja auch gesagt: Er hat einen Fehler gemacht, nochmals, da gibt es auch nichts wegzudiskutieren. Aber man kann einen Menschen dann nicht nur auf diesen Fehler reduzieren. Er hat eine Bundeswehrreform angegangen, hochkomplex, sehr mutig, wie ich finde. Er hat höchstes Ansehen im In- und Ausland. Und deshalb sollte man das mit einbeziehen in die Betrachtung. Nur ich sage Ihnen auch: Ich mache jetzt nicht das Geschäft der Opposition im Wahlkampf von Baden-Württemberg, um nur noch über dieses Thema zu diskutieren. Ich habe mich da deutlich dazu artikuliert und solche, wie ich finde, auch menschlich bedenkliche Vorgänge, wie sie der Spitzenkandidat der SPD in Baden-Württemberg praktiziert, mache ich nicht mit.

    Engels: Herr Mappus, dann schauen wir auf die Konsequenzen für Baden-Württemberg. Hat in dieser Affäre der Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg auch gelitten?

    Mappus: Ja nun, ich weiß jetzt nicht so ganz, warum das den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg treffen soll.

    Engels: Weil der Eindruck entstand, dass der Doktortitel vielleicht nicht mehr so viel wert ist.

    Mappus: Ja, aber Herr Schmid hat das ja alles propagiert jetzt, weil er sonst keine Themen im Wahlkampf hat. [Der Wissenschaftsstandort, Anm. d. Redaktion] Hatte relativ wenig Probleme, vor sechs Jahren als einer der führendsten Juristen dieser Republik, Herr Professor Kirchhof, vom damaligen Bundeskanzler in einer Art und Weise diskreditiert wurde, die einfach unerträglich war. Damals war das für den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg komischerweise kein Problem. Jetzt versucht man in Ermangelung von anderen Themen, in Baden-Württemberg das hochzuziehen.

    Engels: Dann schauen wir doch auf Baden-Württemberg. Lange Zeit hatte dort ja der Streit um das Bahnprojekt Stuttgart21 alle anderen Themen überlagert, mittlerweile sind die Proteste deutlich zurückgegangen, Ihre eigene Beliebtheit ist wieder angestiegen. Wie stark hat Ihnen die Schlichtung von Heiner Geißler geholfen?

    Mappus: Frau Engels, das letzte Jahr war für die Union in Deutschland, das konnte man ja vor allem im ersten Halbjahr betrachten, aber auch für die Union in Baden-Württemberg extrem schwierig, auch für mich persönlich. Wenn Sie solche Themen am Fließband haben, die Sie überlassen bekommen, wo es nur Probleme gibt, schwierige finanzielle Situationen, Daten-CD, Energiekonsens, Stuttgart21, wenn Sie das alles gleichzeitig zu lösen haben, dann ist es ein bisschen schwierig, da den höchsten Beliebtheitsgrad in Deutschland zu bekommen. Und deshalb war das Jahr für die Union und auch für mich persönlich nicht so ganz einfach. Aber ich glaube, die Menschen in Baden-Württemberg sehen, dass wir den Problemen, den Themenstellungen nicht ausweichen, sondern dass wir sie angehen. Und ich finde, wir haben das ganz gut hingekriegt. Wissen Sie, als ich Heiner Geißler gebeten habe, das zu machen, waren ja die Kommentare dazu, um es mal freundlich auszudrücken, nicht gerade euphorisch. Da haben ja manche gesagt, ja, was macht er denn jetzt? Aber es war mir wichtig, dass man die aufgeladene Stimmung wieder wegbekommt, dass man wieder sachlich diskutieren kann, dass es eine neue Sachlichkeit in Baden-Württemberg überhaupt geben kann. Und da glaube ich schon, dass die Schlichtung von Heiner Geißler, auch die Art, wie er das gemacht hat, einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Und ich will jetzt in Zukunft planungsrechtlich alles dafür tun, dass eine solche Vorgehensweise bei Großprojekten immer gemacht werden muss, und deshalb haben wir eine Bundesratsinitiative gestartet, die das beinhaltet, und ich kann nur hoffen, dass all jene, die ansonsten vermeintlich so für Konsens sind, uns dabei unterstützen.

    Engels: Sie sprechen es an, Großvorhaben sollen stärker eine Bürgerbeteiligung erfahren. Das galt aber für Ihren milliardenschweren Ankauf von Anteilen des Energieversorgers EnBW nicht, das haben Sie ja relativ im Alleingang durchgezogen.

    Mappus: Ja gut, es ist ja jetzt wohl nicht so ganz vergleichbar mit einem Großprojekt wie Stuttgart21.

    Engels: Aber es ist letztendlich ...

    Mappus: Wenn Sie Unternehmensanteile kaufen und dies nur über die Börse geht, dann weiß doch jeder, der ein klein wenig Bescheid weiß über die Tatsache, wie eine Börse funktioniert, dass Sie das nicht wochenlang diskutieren können. Wenn auch nur der Hauch von Information an die Börse gedrungen wäre, wäre der Preis durch die Decke gegangen, die Transaktion wäre unmöglich geworden, und die Gleichen, die es jetzt kritisieren, wären die Ersten gewesen, die gesagt hätten: Da wollte der Mappus ein ganz großes Rad drehen und kennt noch nicht mal die Gesetze der Aktienmärkte. Und deshalb war es notwendig, dass wir die Transaktion vertraulich vorgenommen haben. Es ärgert natürlich manche, wobei Herr Schmid und Herr Kretschmann immerhin 48 Stunden gebraucht haben, um das zu realisieren, denn die ersten beiden Tage haben sie diese Transaktion ja begrüßt. Und ich bin der Überzeugung, dass die große Mehrheit der Baden-Württemberger es richtig findet, dass wir in Zukunft nicht in Paris oder Moskau oder sonst wo nachfragen müssen, wenn es um entscheidende Zukunftsfragen am Energiemarkt in Baden-Württemberg geht, und darum ging es mir.

    Engels: Aber erst mal stehen Sie da mit 4,7 Milliarden Euro auch definitiv wieder nicht mit schwarzen Zahlen da, und es ist die Frage, ob sich diese Investition amortisiert.

    Mappus: Auch das stimmt nicht. Wir haben alleine in diesem Jahr eine Dividendenausschüttung, die 60 Millionen Euro über dem liegt, was wir an Zinsen zu zahlen haben. Diese Zinsen sind auf Jahre hinaus fixiert, wir haben da nicht irgendwie spekulative Geschäfte gemacht, sondern wir haben sie solide, klassisch, schwäbisch, badisch abgesichert, und allein in diesem Jahr machen wir über 60 Millionen Euro Gewinn. Das finde ich eigentlich noch nicht das allerschlechteste Geschäft und es garantiert uns, dass die entscheidenden Energiefragen der Zukunft auch in den nächsten Jahren von Baden-Württemberg aus entschieden werden und wir jetzt diese Beteiligung strukturieren können und in Zukunft dafür sorgen, dass kein ausländischer Investor mehr eine Mehrheit erlangen kann. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die Mehrheit der Baden-Württemberger das für absolut richtig hält.

    Engels: Aber viele Kommunen mit Stadtwerken, die gerade in regenerative Energien investieren wollen, fanden das nicht so interessant, Geld in den Großanbieter EnBW zu stecken, wie Sie das gerne hätten.

    Mappus: Da wissen Sie mehr wie ich, denn wir haben jede Menge Stadtwerke, die daran interessiert sind, sich an der EnBW zu beteiligen. Übrigens macht die EnBW sehr viel im Bereich der erneuerbaren Energien, sie machen zum Beispiel das größte Wasserlaufkraftwerk in Europa, das wird gerade in Südbaden gebaut, sie sind beteiligt auch an einem Projekt eines Pumpspeicherkraftwerkes in Atdorf, wo übrigens die Grünen massiv dagegen sind wie gegen so vieles in Baden-Württemberg. Und ich bin mir sehr sicher, dass es eine Reihe von Interessenten gibt, die diese strategische Kooperation mit der EnBW sehr begrüßen, jedenfalls haben wir jede Menge Signale dafür. Wissen Sie, das Problem ist doch, dass die Opposition in Baden-Württemberg auch in Ermangelung anderer Themen jetzt alles versucht, um dieses Geschäft schlecht zu reden, und dass Fakten auch in diesem Fall offensichtlich dort nichts mehr zählen. Ich kann nur sagen: Ich bin mir sicher, dass die Baden-Württemberger sehr viel klüger sind. Und allein in diesem Jahr, ich will es noch mal sagen, machen wir 60 Millionen Euro Gewinn, zum Wohle Baden-Württembergs, und darum geht es.

    Engels: Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Stefan Mappus, CDU. Vielen Dank für das Gespräch!

    Mappus: Ich danke Ihnen, Frau Engel!