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"Es wird wohl auf 80 bis 90 Milliarden Euro hinauslaufen"

Am Nachmittag berät die Eurogruppe in einer Telefonkonferenz die spanische Bankenkrise. Vieles spreche dafür, dass Spanien noch heute unter den Euro-Rettungsschirm schlüpft, glaubt Doris Simon, die Brüssel-Korrespondentin des Deutschlandradios. Vorbei wäre die Eurokrise damit noch lange nicht.

Doris Simon im Gespräch mit Sandra Schulz | 09.06.2012
    Sandra Schulz: In Brüssel ist uns jetzt unsere Korrespondentin Doris Simon zugeschaltet. Was ist denn Ihre Einschätzung: Wann wissen wir mehr?

    Doris Simon: Also was wir sicher wissen, ist, dass es um 16 Uhr eine Telefonkonferenz der Finanzminister der Eurogruppe geben wird. Ich bin ganz sicher, dass das Thema da Spanien sein wird. Ob Spanien in dieser Telefonkonferenz sofort seinen Antrag stellt, ist noch ein bisschen offen, oder ob sich das noch etwas hinzieht. Möglicherweise – das heißt es aus Spanien – will man erst mal so ein bisschen den Puls fühlen bei den anderen. Aber ehrlich gesagt gibt es viele Gründe, die dafür sprechen, dass Spanien heute den Antrag stellt, nicht nur, weil es eben seit Tagen und Wochen gedrängt wird von den anderen Euroländern, weil für Italien vor allem die Ansteckungsgefahr groß ist, sondern auch, weil am nächsten Sonntag in Griechenland gewählt wird, und dann wäre es schon gut, wenn wenigstens dieses Problem, Spanien und seine Banken – es beschränkt sich ja in dem Fall wirklich auf die Banken –, wenn wenigstens da der Lösungsweg eingeschlagen wäre.

    Schulz: Wie sähe das Szenario aus, wenn der Hilferuf heute käme, der Antrag?

    Simon: Bis jetzt hat es ja Rettungsschirmprogramme nur als Ganzes für die Haushalte von drei Ländern gegeben, von Griechenland, Portugal und Irland. Spanien würde wahrscheinlich unter eine andere Klausel auch ganz regulär im Rettungsschirm fallen, die es seit letztem Sommer gibt, und zwar die dort vorgesehene Rekapitalisierung von Banken. Und genau das ist ja in Spanien der Fall. Wenn eben in einem Land ein Haushaltsprogramm läuft – das hat die Regierung Rajoy ja eingeleitet –, wenn der Staatshaushalt ansonsten in Ordnung ist – und das ist in Spanien auch der Fall –, dann darf eben der EFSF auch ein reines Bankenrekapitalisierungsprogramm machen. Das könnte der Fall sein bei Spanien. Das hat für Spanien den großen Vorteil, dass keine Troika kommt wie in den anderen Ländern, die die Regierung immer ein bisschen nebensächlich aussehen lässt, also nicht die sogenannte Fremdherrschaft von EZB, von Europäischer Kommission und Internationalem Währungsfonds, es wäre stattdessen die Kommission, die aufpassen würde, dass die Auflagen, die dann nur für den Bankensektor gelten – und die werden gemacht, die sind aber sowieso erforderlich im spanischen Fall angesichts der Situation der Banken dort –, die würden dann von der Kommission überprüft werden.

    Schulz: Und wie erklären Sie sich oder auch uns jetzt vor dem Hintergrund gerade die spanische Haltung, eben quasi bis zur letzten Minute alles zu dementieren, alles abzustreiten?

    Simon: Das war schon bei den anderen Ländern der Fall, also sowohl bei Griechenland, aber auch bei Portugal, die haben bis zuletzt rausgezögert, obwohl allen klar war, dass sie Geld brauchen aus dem Rettungsschirm, und genauso auch in Irland, also da hieß es noch einen Tag, erinnere ich mich noch sehr gut, vom irischen Botschafter hier in Brüssel, wir brauchen keine Hilfe aus dem Rettungsschirm, und am nächsten Tag hat Irland darum gebeten. Das ist erst mal so eine ganz allgemeine Haltung. Man zögert es so lange raus wie möglich, und dann natürlich auch, bis die Konditionen stimmen, und für Spanien war halt ganz wichtig, dass sie das rein über Rekapitalisierung der Banken machen können und nicht das ganze Land als solches unter EFSF-Kuratel stellen.

    Schulz: Wie viel Geld aus Europa würde oder müsste denn fließen?

    Simon: Ja, also der IWF hat ja in seinem Gutachten, was jetzt vorzeitig bekannt geworden ist, gesagt: mindestens 40 Milliarden, aber mindestens. Wenn die Banken wirklich anständig rekapitalisiert werden sollen in Spanien und auch abgesichert werden sollen für die Zukunft, dann wird es wohl eher auf 80 bis 90 Milliarden Euro hinauslaufen.

    Schulz: Und jetzt noch mal die globale Frage: Sollte es so kommen, dass Spanien jetzt auch unter den Rettungsschirm schlüpft – wäre die Eurokrise dann Vergangenheit?

    Simon: Nein, ganz bestimmt nicht, aber es wäre wenigstens ein Problem etwas zur Seite geräumt worden, man könnte dann weitermachen mit den grundlegenden Problemen der gemeinsamen Währung ohne gemeinsame Wirtschaftsunion. Die sollen ja angepackt werden in diesem Monat noch beim Gipfel. Aber wie gesagt: Dieses Problem muss erst mal aus dem Weg geräumt werden.

    Schulz: Informationen waren das und Einschätzungen aus Brüssel von unserer Korrespondentin Doris Simon. Danke!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.