Mittwoch, 17. April 2024

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ESA-Konferenz
Gefahren aus dem All

Eine Invasion der Außerirdischen befürchtet niemand. Aber es gibt andere Gefahren aus dem Weltall, die für die Erde bedrohlich werden könnten, wie Asteroiden, Satellitenschrott und Sonnenstürme. Auf der ESA-Konferenz in Darmstadt suchen Forscher nach Möglichkeiten, diese Gefahren abzuwehren.

Dirk Lorenzen im Kollegengespräch mit Arndt Reuning | 22.01.2019
    Darstellung auf einer Grafik: Ein Raumfahrzeug rast auf einen Kometen zu und nimmt ihn unter Beschuss - mit einer Art Kanonenkugel, die ein riesiges Loch in den Schweifstern schlägt.
    Manche Asteroiden schrammen nur haarscharf an der Erde vorbei - sie mit Raumsonden von ihrer Bahn abzubringen, wäre eine Möglichkeit der Abwehr (picture alliance / Nasa)
    Der Weltraum ist schön - aber für die Menschheit und insbesondere ihre technische Infrastruktur durchaus gefährlich. Am Europäischen Weltraumkontrollzentrum ESOC in Darmstadt diskutieren rund 300 Experten aus Forschung, Industrie und Politik über die Gefahren aus dem All - und ob und wie man sich dagegen schützen kann.
    Arndt Reuning: Welche Sorgen macht sich die ESA? Welche Gefahren drohen aus dem All, dass sich die Organisation die "Weltraumsicherheit" auf die Fahnen schreibt?
    Dirk Lorenzen: Es gibt da drei große Bereiche. Zum ersten das Weltraumwetter, da geht es um Strahlungsausbrüche der Sonne, die Satelliten im All zerstören können und im schlimmsten Fall am Erdboden zu Kurzschlüssen in Stromnetzen führen.
    Zweitens den Weltraummüll: Es gibt seit 60 Jahren Raumfahrt, die ersten 50 Jahren waren alle ziemlich sorglos und haben nun den erdnahen Weltraum in eine kreisenden Müllkippe verwandelt, da sind Hunderttausende Trümmerteile, die einen Satelliten treffen und zerstören können, wie man aus leidvoller Erfahrung weiß.
    Und dann - etwas abstrakter, aber dennoch real - gibt es Asteroiden und Gesteinsbrocken, die die Erde treffen könnten. Da droht bei einem Treffer alles: von einigen kaputten Scheiben bis zu ganzen, verwüsteten Landstrichen.
    Sonnenstürme: "Angst vor einem extremen Ausbruch"
    Reuning: Und wie möchte die ESA auf diese Risiken reagieren?
    Lorenzen: Es gibt das Programm "Weltraumsicherheit", für das man 200 Millionen Euro pro Jahr von den Mitgliedsstaaten haben möchte. Im November tagen die Raumfahrtminister der 22 ESA-Staaten und legen die Strategie für die nächsten Jahre fest. Eine konkrete Mission ist Lagrange-5. Da soll ein Satellit 150 Millionen Kilometer entfernt von der Seite auf Erde und Sonne blicken - und so zeigen, wie sich Sonnenstürme durch den Weltraum auf die Erde zu bewegen. Man hat eben Angst vor einem extremen Ausbruch. Da könnten Dutzende Satelliten ausfallen, was für unsere technische Welt fatale Folgen hätte.
    Reuning: Sonnenstürme muss man hinnehmen. Die verursachen wir nicht. Und wir können sie nicht vermeiden. Aber Weltraummüll, den könnte man rechtzeitig wegräumen. Ist das ein Thema für die ESA?
    Lorenzen: Die Müllabfuhr im All ist der ganz große Traum - das wird auch zunächst ein Traum bleiben. Wirklich weg räumen könnte man ohnehin nur die ausgefallenen Satelliten, die als solche noch intakt und in einem Stück sind. Die muss man anfliegen, greifen und zum Absturz bringen. Klingt einfach, ist technisch in der Schwerelosigkeit sehr schwierig. Die ESA sorgt sich um ihren großen Erdbeobachtungssatellit Envisat, der vor einigen Jahren ausgefallen ist. Den würde man gerne wegräumen und da hofft man auf die Zusammenarbeit mit der Industrie. Denn ein Satellit, der einen anderen, defekten Satelliten greifen und zum Absturz bringen kann, den könnte man auch für Service-Aufgaben nutzen, etwa zum Auftanken im Weltall. Das könnte sogar für die Industrie interessant sein.
    Problem Weltraummüll: "Geschehen ist nichts"
    Reuning: Wie realistisch ist solch ein Szenario?
    Lorenzen: Es wird seit vielen Jahren viel über Weltraummüll geredet. Aber wirklich geschehen ist da bislang nichts. Das Problem wird immer größer: ESA-Satelliten müssen beispielsweise im Schnitt zweimal im Monat Trümmerstücken ausweichen, das ist wirklich schwierig. Aber die Botschaft, wie ernst dieses Problem ist, ist bei Politik und Industrie noch nicht angekommen.
    Reuning: Neben dem Weltraumwetter und dem Müll im Orbit bleiben nun noch die erdnahen Asteroiden. Könnte denn im Fall eines Falles die ESA die Welt retten?
    "Hera" soll Asteroiden rammen
    Lorenzen: Noch nicht. Noch muss man sich darauf beschränken, den Himmel zu beobachten und vielleicht zu warnen. Das wird im September sehr interessant. Dann wird ein 40-Meter-Brocken an der Erde vorbeifliegen. Man hat ihn 2006 entdeckt, nur für wenige Tage beobachten können, nun ist er erstmal im Weltraum verschwunden. Aber er wird wiederkommen. Am 9. September droht ein Einschlag mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:11.000. Man will ab Juli versuchen, dieses Objekt mit Großteleskopen in Chile zu beobachten. Wenn man die Bahn genau bestimmt, hat sich das Risiko vermutlich sofort erledigt. Aber dieses Objekt zeigt eben, da ist sehr viel da draußen und die ESA möcht nun in Sizilien und Chile große Überwachungskameras bauen, um alle zwei Tage den gesamten Himmel zu erfassen und nach erdnahen Objekten zu suchen und das Risiko einzuschätzen.
    Reuning: Ließe sich im schlimmsten Fall eine Kollision verhindern?
    Lorenzen: Grundsätzlich ja. Wenn man aber im Juli merkt, im September droht eine Kollision, da kann man dann nichts mehr machen. Aber grundsätzlich kann man so ein Objekt aus dem Weg räumen. Da fliegt man mit einer Raumsonde hin, rammt den Asteroiden rammen und bringt ihn so minimal von seiner Bahn ab. Da geht es anfangs wirklich nur um Millimeter. Aber das summiert sich im Laufe der Zeit. NASA und ESA möchten das mal bei einem Asteroiden erproben. "Hera" heißt die Raumsonde, die die ESA gerade plant. Auch dafür braucht man grünes Licht von den Raumfahrtministern im November. Es gab schon viele Vorschläge für solche Missionen, die sind aber alle bisher, diese "Rettung der Welt" ist bei den Politikern immer krachend durchgefallen. Mal sehen, ob man dieses Jahr mehr Glück hat.