Freitag, 29. März 2024

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Lockerung des Kooperationsverbotes
"Länder müssen sich nicht fürchten"

Der Hamburger Schulsenator Ties Rabe hat die Lockerung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern in der Bildung begrüßt. Der Bund wolle auf diese Art und Weise den Schulen bei der Ausstattung mit Computern helfen, sagte er im Dlf. Es gebe jedoch noch Klärungsbedarf bei den Zuständigkeiten.

Ties Rabe im Gespräch mit Manfred Götzke | 27.11.2018
    Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) sitzt am 23.06.2017 in Hamburg im Klassenzimmer einer Ganztagsschule.
    Der Hamburger Schulsentator Ties Rabe sagte im Dlf, er freue sich, dass der Bund jetzt die Kraft gefunden habe, das Grundgesetz zu ändern (dpa / Markus Scholz)
    Manfred Götzke: Der Bund darf in der Bildung bald wahrscheinlich nicht nur in Kabel und Schultoiletten investieren – sondern auch in Qualität und Personal. So hat sich die GroKo letzte Woche mit FDP und Grünen geeinigt. Aber was sagen die Länder dazu? Geht denen das zu weit? Wir sprechen mit dem Hamburger Schulsenator Ties Rabe darüber.
    Ties Rabe: Na ja, erst mal ist es so, dass wir uns darüber freuen, dass der Bund überhaupt jetzt die Kraft gefunden hat, das Grundgesetz zu ändern, denn da geht es ja für die Länder auch um Gutes. Der Bund will auf diese Art und Weise den Schulen helfen, dass die Ausstattung mit Computern deutlich verbessert wird, das können die Länder alleine nicht machen. Und hier finde ich es denn auch richtig, wenn der Bund sagt, wenn wir helfen, dann muss das auch rechtlich ordentlich sein, und deshalb das Grundgesetz ändert. Und das, finde ich, können die Länder durchaus begrüßen und müssen sich da nicht fürchten.
    Es braucht klar getrennte Aufgabenfelder
    Götzke: Der Bund soll ja künftig nicht nur in Infrastruktur, also in die Computer und Kabel investieren können, sondern auch in die Qualität und in Personal. Schränkt das Ihren Handlungsspielraum nicht ein?
    Rabe: Theoretisch ist es immer so, wenn der eine dem anderen hilft, dass dem, dem geholfen wird, vielleicht auch ein bisschen Freiheit verloren geht. Aber ehrlicherweise ist es doch schön, dass hier jemand kommt und sagt, meine Hilfe beschränkt sich nicht nur darauf, dass du dir ein paar neue Sachen kaufen kannst, sondern wir wollen auch zumindest von der rechtlichen Grundlage dafür sorgen, dass du diese Sachen, die du dir da anschaffst, auch immer wieder heil machen kannst, flicken kannst, und dass es Personal gibt, das damit umgehen kann.
    Diese Möglichkeit finde ich persönlich eine gute Sache. Wir Länder haben uns ja gerade bei der Computerausstattung schon gefragt, wenn der Bund lediglich Computer bezahlt und die dort hinstellt, was passiert, wenn die nach drei, vier, fünf Jahren kaputt gehen, wer wartet solche Geräte überhaupt. Und da ist es gut, dass der Bund hier helfen kann.
    Man muss jetzt allerdings schon genau gucken, wofür wird der Bund zuständig sein und wofür nicht. Wo die Kritiker recht haben, und da bin ich auch selber wachsam, wir müssen aufpassen, dass da nicht jeder alles macht und alle durcheinanderwirbeln und am Ende keiner mehr weiß, was der andere tut, sondern hier braucht es weiterhin klar getrennte Aufgabenfelder.
    Götzke: Grüne und FDP betonen, dass künftig nicht nur eben in Infrastruktur, sondern auch in Personal investiert wird. Wird der Bund dann bald Lehrer anwerben und die an die Kommunen delegieren, oder wie muss man sich das konkret vorstellen?
    "Irgendwie müssen diese beiden Parteien noch mal miteinander aufräumen"
    Rabe: Das halte ich für ausgeschlossen. Hier werden die Länder und der Bund gemeinsam ein Interesse daran haben, pädagogische Aufgaben von anderen Aufgaben wie zum Beispiel Organisation und Wartung auch zu trennen, damit weiterhin klar bleibt, wer für den harten Kern der Bildung zuständig ist und wer insbesondere hier Aufgaben übernimmt rund um Gebäudeorganisation und vieles mehr.
    Trotzdem will ich an der Stelle auch ein Stück weit widersprechen. Wenn Sie sagen, Grüne und FDP wollten eine zusätzliche Komponente, nämlich dass der Bund auch mit Personalmitteln helfen kann, dann haben Sie recht in Bezug auf die Bundesebene. Ich sehe allerdings mit einer großen Nachdenklichkeit, dass auf den Ebenen der Bundesländer es ausgerechnet Vertreter dieser beiden Parteien sind, die gerade gegen eine Einmischung des Bundes sind. Und deswegen haben wir da eine etwas paradoxe Situation, dass dieselben politischen Farben sozusagen auf der Bundesebene sagen, der Bund muss sich mehr einmischen, und auf der Landesebene sagen sie, der Bund darf sich gar nicht einmischen.
    Es soll ja sogar so sein, dass Baden-Württemberg, das ja grün regiert ist, nicht mehr zustimmen will der Grundgesetzänderung, weil sie sagen, der Bund mischt sich zu viel ein. Dabei ist genau dieses Zuviel entstanden, weil die Grünen auf Bundesebene eben dies gefordert haben. Und hier muss man vielleicht dann auch mal sagen, man schimpft ja viel auf Politik, aber ich finde, da muss man die Adresse auch klar machen. Irgendwie müssen diese beiden Parteien noch mal miteinander aufräumen, was sie nun wirklich wollen – mehr Bund oder weniger.
    Es besteht die Gefahr, dass die Lockerung des Kooperationsverbotes gekippt wird
    Götzke: Ganz konkret geht es ja um Baden-Württembergs grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der will ja, wie Sie sagen, im Bundesrat dagegen stimmen. Könnte die Lockerung des Kooperationsverbotes so noch verhindert werden, wenn er sich noch Bündnispartner sucht?
    Rabe: In der Tat, die Gefahr besteht durchaus, und ich höre, dass auch Nordrhein-Westfalen an der Stelle jetzt unsicher geworden ist, ob sie zustimmen. Nordrhein-Westfalen, das ja von CDU und FDP mitregiert wird. Die gleiche FDP, die auf Bundesebene mehr Beteiligung des Bundes will, überlegt jetzt auf Landesebene, genau das zu verhindern, weil sie weniger Beteiligung des Bundes will. Deswegen noch mal mein Appell: Hier müssen einige mal aufräumen bei sich in den Parteien, was sie nun eigentlich wollen – mehr oder weniger Bund. Ich jedenfalls kann für diesen Kompromiss stehen, ich finde, der ist vernünftig und könnte uns Ländern wirklich weiterhelfen, und würde mich freuen, wenn die anderen Länder das auch so sehen.
    Götzke: Die Änderung ist ja Voraussetzung für den sogenannten Digitalpakt, bei dem der Bund fünf Milliarden Euro in die digitale Infrastruktur an den Schulen investieren will in den nächsten fünf Jahren. Rechnen Sie damit, dass nächstes Jahr, 2019, die ersten bundesfinanzierten WLAN-Router und Laptops kommen, zum Beispiel an die Hamburger Schulen?
    Rabe: An den Hamburger Schulen sicherlich, insgesamt liegt es aber daran, dass Hamburg es auch leichter hat, solche Reformen schnell umzusetzen. Ich glaube, bis wirklich sichtbar sich etwas bewegt, wird es in den Ländern noch dauern, denn die Umsetzung in den meisten anderen Ländern muss von zwei unterschiedlichen, wie soll ich sagen, Regierungsebenen gemacht werden – das Bundesland einerseits, aber auch die Kommunen andererseits. Und da muss sich jetzt jedes Bundesland mit seinen kommunalen Trägern an einen Tisch setzen und in mühsamen Verhandlungen tatsächlich organisieren, wer ist nun hier für was zuständig.
    Hamburg dagegen, wie die anderen Stadtstaaten auch, muss nur mit sich selber reden, deswegen glaube ich, dass es hier bei uns schon im nächsten Jahr an vielen Schulen deutliche Bauarbeiten und auch Erfolge geben wird. Aber umgekehrt, ich glaube, dass es in den anderen Ländern vielleicht etwas später, aber auf jeden Fall auch umgesetzt wird, denn die Vorgespräche in der Kultusministerkonferenz haben gezeigt, dass das wirklich alle wirklich wollen und jetzt auch dringend angehen wollen.
    Götzke: Es gibt jetzt auch schon eine Verwaltungsvereinbarung zum Digitalpakt, die Schulen sollen jeweils 25.000 Euro für Laptops bekommen. Wenn man sich das mal runterrechnet, sind das 50 Laptops pro Schule, wenn es billige sind, vielleicht ein bisschen mehr. Das klingt jetzt aber nicht nach dem großen Wurf.
    Rabe: Na ja, also die Verwaltungsvereinbarung ist da an der Stelle noch etwas im Fluss. Sie haben festgelegt, dass 20 Prozent der digitalen Mittel auch verwendet werden können für sogenannte digitale Endgeräte. Das sind die Geräte, die ein Schüler später in der Hand hat. Und 20 Prozent von den fünf Milliarden, also eine Milliarde, da kann man schon eine ganze Menge Geräte kaufen.
    Ich bezweifle energisch, dass wir zurzeit an allen deutschen Schulen überhaupt so viele Geräte haben, wie jetzt noch mal dazukommen würden. Dennoch sei hier der Hinweis gestattet, dass das Geld aus dem Digitalpakt ja keineswegs ausschließlich dazu dient, solche sogenannten Endgeräte zu kaufen, also die Geräte, die ein Schüler in der Hand hat, sondern ganz im Gegenteil soll es darum gehen, dass man Wireless LAN in jedem Klassenraum zum Beispiel überhaupt ermöglicht. Dass man dazu ganze Schulen neu verkabeln muss, sage ich nur aus leidgeprüfter Erfahrung so nebenbei. Und deswegen werden wir den größeren Teil dieser Mittel brauchen, damit die Schule als Gebäude überhaupt fähig ist, dass man dort ordentlich mit Computern arbeiten kann.
    Es geht nicht nur darum, Endgeräte zu kaufen, sondern im Gegenteil, die Schulen müssen hier eine technische Qualität als Gebäude vorweisen, von der sie im Moment weit entfernt sind.
    Götzke: Digitalpakt, das ist so ein Punkt, in welchen Bereichen rechnen Sie künftig noch mit Bundesmitteln für die Bildung?
    Rabe: Na, wir haben das ganz, ganz große Projekt, das vermutlich noch teurer wird, ja noch vor uns, und das lautet, dass alle Eltern einen Rechtsanspruch bekommen, dass ihr eigenes Kind, wenn es eine Grundschule besucht, nachmittags betreut wird. Dieser Rechtsanspruch auf Betreuung im Grundschulalter bedeutet nichts weiter, als dass wir für mehrere Millionen Kinder am Nachmittag eine Betreuungsmöglichkeit schaffen müssen, vorzugsweise an den Schulen, aber möglicherweise auch an Horten. Das, was wir im Kita-Bereich jetzt seit den letzten Jahren gut hinbekommen haben, natürlich mit viel öffentlichem Donnerhall und mit viel Streit, aber Deutschland hat sich ja gewaltig verändert, wenn man sich das anguckt, das haben wir jetzt im Grundschulbereich vor uns. Und das heißt, dass die Kinder, die sechs bis zehn Jahre alt sind, dass die dann auch ein entsprechendes Angebot bekommen.
    Und hier muss der Bund helfen, das ist auch Teil im Koalitionsvertrag, und wir reden gerade darüber, wie man das organisieren kann. Da kommt auf beide Seiten noch viel zu. Aber es ist richtig, finde ich, denn viele Eltern fragen sich nach der Kita, wenn das Kind zur Schule kommt, wie soll der Nachmittag gestaltet werden. Und hier freiwillige Angebote zu machen, ist allemal notwendig.
    Ausbau des Ganztagsangebotes ist ein wichtiges Ziel
    Götzke: Dieser Ganztagsanspruch, Rechtsanspruch, der steht ja, wie Sie sagen, im Koalitionsvertrag. Wird man das denn in dieser Legislaturperiode überhaupt noch hinbekommen? So lange ist die ja nicht mehr.
    Rabe: Nein, das hat der Koalitionsvertrag auch nicht gesagt. Er hat gesagt, der Rechtsanspruch soll so schnell durchgesetzt werden, dass am Ende der nächsten Legislaturperiode er dann auch Wirklichkeit wird, sodass wir hier etwas mehr Zeit haben. Aber das sieht nur auf dem Papier so aus.
    Wir haben das in Hamburg bereits gemacht, bei uns ist der Rechtsanspruch schon verwirklicht, und immerhin, über 80 Prozent der Hamburger Grundschüler besuchen nachmittags freiwillig die Schule, weil es Spaß macht, weil die Eltern berufstätig sind und vieles mehr, aber das hat sehr, sehr viel Kraft, Geld und Aufwand gefordert. Und wenn ich mir das angucke, dann ist es nur richtig, wenn wir das gut machen wollen, dann kriegen wir das nicht in zwei Jahren hin, da brauchen wir noch ein, zwei Jahre länger Zeit. Deswegen hat der Koalitionsvertrag eben auch das Ende für etwas später festgelegt. Aber umgekehrt, wir wollen das nicht aufgeben, dieses Ziel ist so wichtig, und deswegen sind wir schon in Arbeitsgruppen dabei, die ersten Vorschläge zu erarbeiten.
    Götzke: Herr Rabe, herzlichen Dank für das Gespräch!
    Rabe: Vielen Dank ebenfalls!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.