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Estland
Bürgerwehren rüsten auf

Bürgerwehren haben in Estland regen Zulauf. Grund dafür ist unter anderem die Ukraine-Krise und die Angst vor russischen Aggressionen gegen Estland. Auch im Vorfeld der am Sonntag anstehenden Parlamentswahlen ist Sicherheitspolitik ist ein wichtiges Thema.

Von Randi Häussler | 27.02.2015
    Estnische Soldaten in einem Panzerfahrzeug bei einer NATO-Übung nahe der russischen Grenze.
    Im Falle eines Falles wollen die Bürgerwehren die estnische Armee unterstützen (AFP / Raigo Pajula)
    Die Ausrüstung für ein Wochenende muss in den Wagen verstaut werden. Priit Kruus und seine Kameraden verladen Waffen, Zelte, Schlafsäcke und Lebensmittel. Ziel ist eine leer stehende Militäranlage.
    "Heute fahren wir in der Kolonne nach Türisalu zu fahren. Dort erwartet uns eine Übung im Häuserkampf, allerdings mit ungefährlichen Druckluftwaffen. Wir haben jetzt die Gelegenheit zu üben, was wir vorher in Theorie gelernt haben."
    Die Wochentage verbringt Priit Kruus am Schreibtisch - er promoviert an der Uni Tallinn in estnischer Gegenwartsliteratur – und mit seiner Familie. Priit Kruus hat zwei kleine Töchter, es ist nicht lange her, da war er ein Jahr lang in Elternzeit. Am Ort der Übung angekommen, werden die Zelte im Boden verankert. Dass er sich für sein Land einsetzen will, sei es bei einer Umweltkatastrophe oder im Fall eines Krieges, ist für Priit Kruus selbstverständlich.
    "Es gibt diesen Spruch Civis Pacem Para Bellum - wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor. Das ist der Sinn von Kaitseliit, der Bürgerwehr: Die Abschreckung, wir sind ein handfester Partner für unsere Verbündeten, die uns zur Hilfe kommen würden."
    Die Kaitseliit ist eine alte estnische Institution - gegründet wurde sie bereits 1918. Mit der sowjetischen Besetzung 1940 wurde sie aufgelöst, und erst nach der Unabhängigkeit 50 Jahre später wieder aufgebaut. Kaitseliit ist eine Freiwilligenorganisation, die vom estnischen Verteidigungsministerium verwaltet wird. Die Verbände werden von Offizieren der estnischen Streitkräfte angeführt. 15.000 Mitglieder hat die Organisation derzeit - allein im vergangenen Jahr haben sich 900 neue Mitglieder gemeldet. Die Krankenschwester Katriin Ivanov ist schon länger dabei, seit zehn Jahren. Ihr gefällt die Vielfalt der Aufgaben hier - Medizin, Feldküche, Funkkommunikation. Ein bis zwei Wochenenden im Monat verbringt sie bei Übungen.
    "Das ist schon wie ein Lebensstil. Es ist irgendwie ganz normal, dass ich meine alltägliche Arbeitskleidung im Kleiderschrank habe, das Abendkleid und daneben auch die Tarnfarben-Uniform."
    "Wir sind Patrioten, aber Amateure"
    Katriin Ivanov ist sich bewusst, dass aus Übung auch Ernst werden könnte.
    "Ich bin hier freiwillig, aber damit bin ich für mich doch die Verpflichtung eingegangen, dass ich in einer Kriegssituation auch einen Posten ausfüllen würde. Die heutige Übung führen wir so realitätsnah durch, wie es geht. Falls etwas geschehen sollte – nehmen wir an, es geht um Landesverteidigung - dann sind wir da. Das ist auch unseren Familien bewusst."
    Die erste Häuserkampf-Übung ist vorbei - es war nicht einfach, räumt Priit Kruus ein, der "Gegner" habe gute Deckung gehabt.
    Wie er die Schlagkraft der Kaitseliit im Ernstfall beurteile?
    "Natürlich sind wir alle Patrioten, aber wir sind eben Amateure. Daher brauchen wir Leute, die uns sagen, was wir tun müssen. Zum Glück haben wir diese Männer, uns leiten professionelle Soldaten an, die überall in der Welt Erfahrung gesammelt haben."