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EU-Ausstieg Großbritanniens
"Kontinentaleuropa muss sich der Gefahr bewusst werden"

Inzwischen gibt es kein Zurück mehr: Königin Elisabeth II. hat in der Queen's Speech das Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft angekündigt. Sorge bereitet das auch dem direkten Nachbarn Irland und so hat der irische Premierminister Enda Kenny bereits eine Task Force eingesetzt, um das Land auf denkbare Szenarien vorzubereiten.

Von Stefanie Pieper | 28.05.2015
    Irlands Premierminister Enda Kenny.
    Irlands Premierminister Enda Kenny erwartet eine Zeit der Unsicherheit. (picture-alliance / dpa / Stephanie Lecocq)
    Die Frisur von Dominic Hannigan sieht etwas zerzaust aus: Der Abgeordnete der Labour Party hat derzeit reichlich Grund, sich die Haare zu raufen. Denn Hannigan sitzt dem Ausschuss für EU-Angelegenheiten im irischen Parlament vor und beschäftigt sich dort bereits seit Monaten mit der "Brexit"-Gefahr.
    Für Irland wäre es schwer verkraftbar, sollten die Briten die EU verlassen, so Hannigan, aber auch der Rest Europas müsste sich fragen: Was bliebe dann übrig noch? Irland und Großbritannien sind 1973 am selben Tag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beigetreten und einem britischen Austritt kann der Ire Hannigan für sein Land wenig Positives abgewinnen:
    "Ich meine, die wahrscheinlichen Nachteile wiegen schwerer als die möglichen Vorteile, wie etwa mehr Direktinvestitionen in Irland. Auch wenn wir also hier und dort profitieren könnten – in Summe, das ist unsere bisherige Erkenntnis, würde Irland verlieren."
    Würde doch ein britischer EU-Abschied etliche praktische Hürden errichten: Denn Irland und Nordirland haben eine gemeinsame Grenze, viele Iren leben auf der Nachbarinsel und die Konjunktur ist oft gekoppelt. Würde sich London tatsächlich von Brüssel abwenden, dann könnte dies Irland wirtschaftlich – im schlimmsten Fall – ebenso hart treffen wie Großbritannien selbst, befürchtet Ralf Lissek, Geschäftsführer der deutsch-irischen Handelskammer:
    "Für die Iren ist Großbritannien der wichtigste Wirtschaftspartner, dann kommen die USA, dann kommt lange nichts, dann Kontinentaleuropa mit Deutschland an der Spitze. Das heißt, was immer in Großbritannien passiert hat natürlich auch Einfluss auf die irische Wirtschaft."
    Noch unabsehbare Auswirkungen für Irland
    Der EU-Ratspräsident Donald Tusk, der britische Premierminister David Cameron und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
    Der EU-Ratspräsident Donald Tusk, der britische Premierminister David Cameron und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. (AFP / Janek Skarzynski)
    In Panik sind seine Mitgliedsunternehmen aber noch nicht verfallen. Auch wenn der Chef des größten Wirtschaftsverbandes Ibec bereits laut darüber nachdenkt, ob nicht auch Irland die EU verlassen sollte, wenn Großbritannien sich für den Ausstieg entscheidet. Aus Sicht von James Stewart, Wirtschaftsprofessor am Trinity College Dublin, sind dagegen die genauen Auswirkungen noch unklar:
    "Das hängt sehr davon ab, welche Beziehung die Briten dann mit der EU hätten, insbesondere welche Spielregeln im Handel gelten würden. Entscheidend ist auch, welche bilateralen Abkommen Irland selbst mit Großbritannien schließen würde, etwa mit Blick auf das Reisen, auf Investitionen oder auf die Besteuerung."
    Der irische Premierminister Enda Kenny hat bereits eine Task Force eingesetzt, um das Land auf alle denkbaren Szenarien vorzubereiten. Auch Parlamentarier Dominic Hannigan und seinem EU-Ausschuss stehen weitere arbeitsreiche Monate bevor. Ihm wäre ein britisches EU-Referendum bereits im nächsten Jahr am liebsten, um die Zeit der Unsicherheit so kurz wie möglich zu halten:
    "Noch ist die Büchse der Pandora nicht geöffnet. Aber wenn die Briten die EU verlassen, dann fragt man sich: Was machen wir? Es geht hier nicht nur um die Zukunft Großbritanniens in der EU, es geht auch um einen möglichen Dominoeffekt auf andere Länder wie uns. Kontinentaleuropa muss endlich aufwachen und sich der Gefahr bewusst werden."
    Die Regierung in Dublin drängt darauf, dass der Premier in London endlich seine Reform-Karten auf den Tisch legt. Hannigan plädiert aber bereits jetzt dafür, den Wünschen von David Cameron entgegenzukommen, nach dem Motto: Lieber unangenehme Kompromisse schließen, als die Briten verlieren. Was auch er jedoch scheut ist eine rasche Änderung der EU-Verträge. Denn darüber müssten die krisengeplagten Iren in einem Referendum entscheiden, Zustimmung ungewiss.