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"Parfum" als Serie
Obsession für den Geruch

Die neue ZDF-Mini-Serie "Parfum" ist inspiriert von Motiven des gleichnamigen Romans von Patrick Süskind. Entstanden ist eine psychologisch vielschichtige Geschichte über Liebe, Gewalt und Menschenmanipulation.

Von Achim Hahn | 13.11.2018
    Die Ermittler Brettschneider (Marc Hosemann) und Köhler (Juergen Maurer) sowie Staatsanwalt Grünberg (Wotan Wilke Möhring) untersuchen mit Profilerin Nadja Simon (Friederike Becht) den Tatort und das Opfer: Eine Leiche liegt vor dem Eingang eines Bungalows
    Die Ermittler Brettschneider (Marc Hosemann, l.) und Köhler (Juergen Maurer, 2.v.r.) sowie Staatsanwalt Grünberg (Wotan Wilke Möhring, 3.v.r.) untersuchen mit Profilerin Nadja Simon (Friederike Becht, 2.v. l.) den Tatort und das Opfer. (ZDF/Jakub Bejnarowicz)
    Auf gleich 3 Kanälen wird ab morgen die neue ZDF-Neo Serie "Parfum" unter dem neuen Label "NEO Original" zu sehen sein: Zuerst in ZDFneo, zeitgleich aber auch vollständig in der ZDF-Mediathek und kurze Zeit später im Hauptprogramm. Mit der Story, die als moderne Adaption von Patrick Süskinds Erfolgsroman "Das Parfum" inspiriert ist und als Fernsehdebüt von der jungen Drehbuchautorin Eva Kranenburg geschrieben wurde, macht das ZDF ein Binge-Watching-Angebot.
    Ein rätselhafter Fall
    "Hier war ein Meister am Werk. Wir dachten ja erst, das sind nur oberflächliche Verletzungen. Aber das hier ging richtig tief."
    Eine junge, rothaarige Sängerin wurde tot aufgefunden. Ihre Leiche auf dem Obduktionstisch weist chirurgisch präzise Einschnitte auf - unter den Achseln und im Intimbereich. Der Schädel ist kahl rasiert. Ein rätselhafter Fall für das Team um Profilerin Nadja Simon, Expertin für Sexualstraftaten. Die Vergangenheit des Opfers führt zu einer Internatsclique, die zur Beerdigung wieder zusammenkommt.
    "Ziemlich lange her, dass wir so zusammen waren"
    Jetzt geraten sie in den Fokus der Ermittlungen. Denn ihr Verhältnis zur toten Katharina, genannt K., die allen im Internat den Kopf verdrehte, offenbart, dass sie ein schreckliches Geheimnis zu verbinden scheint. Der Ausgangspunkt für die Serie "Parfum" von Drehbuchautorin Eva Kranenburg und Regisseur Philipp Kabeldach.
    "Sie haben bei dieser Ruine abgehangen. Haben da so eine Art Geheimclub gegründet. - Worum ging’s da? - Ums Riechen."
    Mordserie am Niederrhein
    Um es klar vorneweg zu sagen: Die Serie "Parfum" ist keine Literaturverfilmung. Erzählt wird von einer zeitgenössischen, modernen Mordserie irgendwo am Niederrhein. Inspiriert von Motiven des gleichnamigen Romans von Patrick Süskind, auf den explizit verwiesen wird:
    "Das kennt man doch. Ist die Geschichte von diesem Grenouille. Der sich ein Parfum baut von Frauen, die er ermordet hat. Ein Parfum, das macht, dass einen jeder liebt."
    Mix aus Welterfolg und Binge-Watching-Angebot
    Eine moderne Adaption des Süskindklassikers wurde angekündigt - das war bereits werbewirksam und verkaufsfördernd.
    "Jedenfalls hatte jemand die Idee, dass wir werden könnten wie Grenouille."
    Netflix sendet zeitgleich - zunächst mit Ausnahme des deutschsprachigen Marktes, den das ZDF in abgestufter Programmstrategie übernimmt: erst die TV-Ausstrahlung auf ZDFNeo und gleichzeitig die vollständige Veröffentlichung in der Mediathek; kurz danach läuft die Serie dann im ZDF-Hauptprogramm.
    "Ja, wir haben auch versucht, Gerüche einzufangen."
    Der erste Mordfall ist nur der Anfang. Weitere Morde folgen. Mit denselben chirurgischen Verletzungen.
    "Der Täter hat das gesamte Unterhautgewebe entfernt. Vielleicht ein Chirurgenbesteck. Aber das ist noch nicht das besondere, und ich hätte es auch fast übersehen."
    Morde nach literarischem Vorbild
    Jeder aus der mysteriösen Jugendclique scheint verdächtig. Vieles bleibt rätselhaft. Spuren werden gelegt und in permanenten Zeitsprüngen mit der Vergangenheit der Clique verzahnt.
    "Das ist eine bizarre Mischung aus Menschenmanipulation und Sexualstraftat. Ganz genau, wie in dem Buch."
    Die mosaikartigen Versatzstücke der Inszenierung versprechen nach und nach Aufklärung...
    "Holy fuckig shit!"
    ...und enthüllen immer grausamere Details über die Jugendlichen.
    "Sie haben ein Parfum aus Katharina Läufer gemacht, das man nicht tragen konnte, weil der Eigengeruch stärker war. Im Achselgewebe befinden sich Duft- und Schweißdrüsen. Ebenfalls im Intimbereich. - Richtig. - Man könnte diese Drüsen entfernen und damit ein viel stärkeres Parfum herstellen."
    Es entsteht ein dichtes Geflecht aus psychologischen Abgründen und Abhängigkeiten, erotischer Anziehung, Machtspielen, brutalen Gefühllosigkeiten und auch physischen Verletzungen. Vor allem daraus bezieht die vielschichtige Serie ihre Spannung, und neben der Geschichte der Jugendclique wird auch die der Ermittler erzählt, etwa das Verhältnis der Profilerin zum verantwortlichen Staatsanwalt.
    "Frau Simon, eine Minute bitte. Hältst Du es für angemessen, mich per SMS Arschloch zu nennen? - Ja. - Nadja, Du hast von Anfang an gewusst auf wen Du Dich mit mir einlässt. Und gerade jetzt... - Ich arbeite auch bis zum Anschlag. - Hast Du gestern auf mich gewartet? - Gar nicht."
    Kein üblicher Fernsehkrimi
    Auch auf der Bild- und Soundebene will sich Regisseur Kadelbach offenbar vom üblichen Fernsehkrimi absetzen, in dem er auf lange Kamerafahrten setzt oder die Bilder stilisiert in einem dunklen, manchmal an alte Polaroid-Bilder erinnernden Ton belässt. Das ist ambitioniert, wirkt aber im Ganzen- trotz der guten Besetzung - behäbig, fast zäh und die Musik darunter bisweilen zukleisternd.
    "Ich frag mich, worum es in diesem Fall überhaupt geht."
    Im Grunde geht es um unerfüllte Liebe und den Versuch, sie mithilfe eines Parfums zu erzwingen. Das Zentralthema des Romans.
    Der Bezug dazu wird auf vielfältigen Ebenen bedient: hier ein Verweis auf den Romanhelden Grenouille und seine Technik der Geruchskonservierung, da ein Blick auf den Kinofilm "Das Parfum", den sich die Kommissarin ansieht.
    Überraschendes Ende
    Grenouilles komplexe Persönlichkeit wird hier auf die 5 Mitglieder der Jugendclique verteilt. Doch die Obsession für den Geruch, die diese Gruppe letztlich unheilvoll zusammenschweißt, wirkt artifiziell und aufgesetzt; eben nachempfunden und konstruiert. Allerdings mit einer spannenden, wenn auch nicht immer nachvollziehbaren, psychologischen Zeichnung der zentralen Figuren.
    "Frau Simon?! Irgendwelche neuen Erkenntnisse?"
    Das Ende überrascht, aufgrund der vorher gelegten Indizien allerdings auf eher unbefriedigende Weise. Selbst im Binge-Watching-Modus, der von den Programmverantwortlichen durch die komplette Präsentation der Serie in der Mediathek ausdrücklich nahegelegt wird.
    "Wenn es sonst keine Fragen mehr gibt, bitte weitermachen."