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EU diskutiert über Gelder für die Landwirte

372 Milliarden Euro könnten in der nächsten EU-Haushaltsperiode an die europäischen Landwirte fließen. Andreas Krug vom Bundesamt für Naturschutz fordert, dass dieses Geld an ökologische Maßnahmen gebunden ist - und zwar europaweit verbindlich geregelt.

Andreas Krug im Gespräch mit Jule Reimer | 23.11.2012
    Jule Reimer: Sich über Geld zu einigen, ist nie einfach. Das ist in Familien manchmal genauso schwer wie unter Politikern, siehe der laufende EU-Gipfel in Brüssel. Dort dreht sich der Zank unter anderem um die Ausgaben für Bauern und Agrarindustrie in den nächsten sechs Jahren. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos möchte den Landwirten größere Kürzungen ersparen; 372 Milliarden Euro sollen nach seinem Wunsch in der nächsten Haushaltsperiode von 2014 bis 2020 an die europäischen Landwirte fließen. Umweltverbände haben in den vergangenen Monaten eine große Kampagne zur und teilweise auch gegen die bisherige EU-Agrarpolitik gefahren.

    - Andreas Krug arbeitet für die behördlichen deutschen Naturschützer vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn. Herr Krug, was haben Hummeln und Feldvögel mit der EU-Finanzplanung bis 2020 zu tun?

    Andreas Krug: Ja, guten Morgen, Frau Reimer. Ganz viel, denn die Agrarpolitik ist auf der ganzen Fläche sozusagen, ganzen landwirtschaftlichen Fläche wirksam. Und das heißt, wir können mit dem Geld ganz viele sinnvolle oder auch nicht sinnvolle Dinge machen.

    Reimer: Was ist denn bisher nicht so Sinnvolles passiert?

    Krug: Die letzten Jahrzehnte der Agrarpolitik waren geprägt von der Förderung der intensiveren Produktion, einer naturschädigenden Produktion. Die Kommission jetzt unter Dacian Ciolos hat zumindest wichtige Schritte in die richtige Richtung unternommen, nämlich in die Richtung einer naturverträglicheren Produktion durch beispielsweise die Bindung der vielen Zahlungen an ökologische Leistungen. Das ist eine Forderung, die sowohl der behördliche als auch der ehrenamtliche Naturschutz schon seit langer Zeit stellen.

    Reimer: Nun sagen die Bauern, wir halten ja bereits die staatlichen Vorschriften ein. Warum noch weitere Auflagen?

    Krug: Ja, weil staatliche Vorschriften in dieser Art und Weise nicht genug sind. Es reicht nicht als Begründung für die vielen Zahlungen, nur zu sagen, wir halten die Gesetze ein. Das wäre, wie wenn jemand als Autofahrer belohnt wird, weil er an einer roten Ampel hält. Die Entwicklung in der Agrarpolitik, in der Agrarlandschaft war in den letzten Jahren eben so, dass ganz viel an naturschädigender Produktion vorgenommen wurde. Und deswegen ist es notwendig, dass wir die Gelder umleiten in eine etwas naturverträglichere Produktion.

    Reimer: Unter anderem lautete ja der Vorschlag von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, sieben Prozent der Flächen als ökologische Vorrangflächen auszuweisen. Jetzt sagt der Deutsche Bauernverband, Stilllegung sei in Zeiten der hohen Getreidepreise Unsinn. Haben Sie nicht auch Sorge, dass solche Maßnahmen dann tatsächlich die Nahrungsmittelpreise treiben? Wir leben ja auch wortwörtlich von der Landwirtschaft.

    Krug: Nein, es wird nicht die Nahrungsmittelpreise treiben, weil es ja immer noch eine marginale Prozentzahl ist. Im Gegenteil: Es ist für uns der Kern der Vorschläge der Kommission, der Kern einer etwas ökologischeren Agrarpolitik, nämlich zumindest einen gewissen Teil unserer intensiv genutzten Agrarlandschaft auch für die Natur, für den Umweltschutz bereitzustellen. Wir sehen das am Verlust der Agrarvögel, die wir haben, wir sehen es am Verlust – Sie hatten es vorhin angesprochen – der Bienen und Hummeln, die ja wichtige Bestäuber und auch wiederum für die Landwirtschaft ganz wichtig sind. Daran sehen wir, dass wir in die falsche Richtung gehen. Das heißt, wenn wir diese Vorschläge, sieben Prozent Vorrangflächen für die Ökologie, dann auch tatsächlich umsetzen, dann haben wir auch eine Chance, langfristig auch eine nachhaltigere Produktion durchzuführen. Von daher nützt das sicherlich auch dem Bauernverband.

    Reimer: Darf denn auf diesen Flächen dann gar keine Landwirtschaft betrieben werden oder Ökolandbau?

    Krug: Ja, das ist der zweite Punkt. Man spricht dabei immer von Stilllegung, dabei ist das nicht Stilllegung, zumindest nicht nur, weil auch wir vonseiten des Naturschutzes durchaus uns vorstellen können, dass auf den Flächen etwas genutzt wird, allerdings eine gewisse extensivere Nutzung. Aber ganz ausfallen für die Produktion tun diese Flächen nicht, sondern sie können durchaus in einer etwas naturverträglicheren Weise genutzt werden und damit natürlich auch zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen.

    Reimer: Ratspräsident van Rompuy hat als Kompromissvorschlag vorgelegt, es den einzelnen Staaten zu überlassen, ob sie diese zusätzlichen Umweltauflagen einführen und zum Beispiel auch die Förderung für Großbetriebe beschränken. Ist das eine gute Idee, Freiwilligkeit bei der Renationalisierung?

    Krug: Für mich, für uns vom Bundesamt für Naturschutz, nicht, denn wir wollen gerade ja mit diesen Vorschlägen der Kommission von Ciolos in die intensiven Agrargebiete reinkommen. Wenn man es dort freiwillig macht, dann wird das kein Landwirt, der ja ziemlich viel Ertrag aus diesen Flächen holt, freiwillig machen. Von daher fordern wir, dass es eine verbindliche Einführung dieser Vorschläge gibt und dann eben auch keine größere Flexibilität der Mitgliedsstaaten, weil das natürlich auch wieder, würde der Bauernverband argumentieren, Wettbewerbsverzerrung wäre, weil das eine Land macht es, das andere Land macht es nicht. Also das kann nicht der Weg sein, wo wir in der EU eine hohe Anzahl von Geldern ausgeben, dann eben wieder freiwillig den Ländern das übrig zu lassen, was wollen sie tun oder was wollen sie nicht tun.

    Reimer: Zu den EU-Haushaltsberatungen in Brüssel war das Andreas Krug vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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