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EU-Flüchtlingsgipfel
Viele Diskussionen, wenig Handfestes

Auf dem EU-Gipfel zu Flüchtlingsfragen wurde viel debattiert, klare Vereinbarungen wurden hingegen nicht getroffen. Überschattet wurde der Abschluss von dem Terroranschlag auf eine französische Industrieanlage. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte daraufhin erneut die Wichtigkeit einer klar geregelten Migrationspolitik.

Von Mario Dobovisek | 26.06.2015
    Italiens Ministerpräsident Renzi nimmt auf dem EU-Gipfel in Brüssel (25.6.15) seinen griechischen Amtskollegen zur Seite. Bundeskanzlerin Merkel beobachtet die Situation.
    Italiens Ministerpräsident Renzi nimmt auf dem EU-Gipfel in Brüssel seinen griechischen Amtskollegen zur Seite. Bundeskanzlerin Merkel beobachtet die Situation. (EPA/OLIVIER HOSLET)
    Mit Beileidbekundungen begannen die Staats- und Regierungschefs ihre Pressekonferenzen zum Abschluss des EU-Gipfels in Brüssel. Die Meldungen aus Frankreich machten noch einmal klar, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, vor welchen Herausforderungen wir stünden, wenn es um den Kampf gegen Terrorismus geht.
    "Wir haben heute noch einmal deutlich gemacht, dass es für uns natürlich darum geht in der Europäischen Union und gerade auch mit Blick auf den islamistischen Terror sehr wichtig ist, dass wir unsere Sicherheit verteidigen können."
    Eng damit verbunden sei es, die Migrationspolitik der Europäischen Union grundlegend zu verbessern.
    "Wir wissen, dass wir gerade in Blick auf die Migrationspolitik aufpassen müssen, dass nicht islamistische Kämpfer eindringen in die Europäische Union und deshalb ist auch die Registrierung und die Einhaltung der Standards bei der Aufnahme von Migranten von äußerster Wichtigkeit."
    Ein Teil der Gipfelbeschlüsse von Brüssel. Denn die EU könnte künftig zum Beispiel in Süditalien Zentren aufbauen und bezahlen, in denen Flüchtlinge schneller aufgenommen und registriert werden könnten.
    Streit um Flüchtlingsquote
    Eher ein Randaspekt verglichen mit der nächtlichen Debatte um zwei simple Worte – freiwillig und verbindlich. Im Mittelpunkt der Streit um die Quote zur Verteilung und Um-Verteilung von Asylbewerbern innerhalb der Europäischen Union.
    Manchmal reiche ein einziges Wort aus, um Kriege oder Krisen auszulösen, meint EU-Ratspräsident Donald Tusk. In diesem speziellen Fall sei es nicht bloß eine Debatte um ein rhetorisches Dilemma oder Grammatik gewesen.
    Nächtliche Debatte
    Nein, vielmehr ein handfester Streit um die europäische Idee, um gelebte europäische Solidarität – und zwar mit den Mittelmeeranrainern. Sechs Stunden hatten sich die Gipfel-Teilnehmer ineinander verhakt. Mitten in der Nacht soll Italiens Premier Renzi deshalb die Fassung verloren und seine osteuropäischen Kollegen heftig angegriffen haben. Doch die setzten sich am Ende durch: Keine Pflicht, nur eine freiwillige Quote will die EU jetzt bis nächsten Monat ausarbeiten. Für den Vater der verbindlichen Quote, für Kommissions-Präsident Jeanne-Claude Juncker, kein Grund zur Trauer. Es zähle der gemeinsame Wille.
    "Es ist das erste Mal, dass wir in Europa zusammen mit den Mitgliedstaaten eine Operation dieser Art durchzuführen. Es war klar, dass die Diskussion schwierig werden musste, weil verschiedene Elemente aufeinandergeprallt sind."
    Immer wieder ist zu hören, der Flüchtlingsstrom sei eine große Gefahr für das Schengen-Abkommen. Angela Merkel nennt die Flüchtlings-Frage auch die größte Herausforderung der Europäischen Union. Der Kompromiss: ein erster wichtiger Schritt.
    "Gestern war der gemeinsame politische Wille spürbar, dass man eine Lösung findet, dass ausreichend Angebote auch auf freiwilliger Basis da sind, um die 40.000 aufzunehmen, die schon in Europa angekommen sind und die 20.000, die aus Bürgerkriegsgebieten kommen."
    Gute Miene zum bösen Spiel, könnte man meinen – denn für die Befürworter der verbindlichen Quote ist dieser Gipfel eine herbe Enttäuschung. Für Belgiens Premier Charles Michel war das Treffen – wörtlich - praktisch umsonst. Den Streit nennt er ein für Europa unwürdiges Spektakel. Für Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl ist das Ergebnis ein fauler Kompromiss auf Kosten der Flüchtlinge.
    Engere Zusammenarbeit mit der NATO
    Weiteres Thema heute in Brüssel: Die EU will ihre militärische Zusammenarbeit mit der NATO ausbauen. Europa müsse mehr in seine Verteidigung investieren, um auf die dramatisch veränderte Sicherheitslage zu reagieren, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.