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EU-Flüchtlingsquote
Den Haags "Ja, aber"-Haltung

Von den niederländischen Wählern sind 42 Prozent gegen einen Flüchtlings-Quotenplan aus Brüssel, 48 Prozent dafür. Das ergab eine Umfrage Anfang Juni. Auch bei der Regierung zeigt sich eine gewisse Gespaltenheit, denn die Rechtsliberalen von Premier Rutte wollen nicht noch mehr Wähler an die Rechtspopulisten von Geert Wilders verlieren.

Von Kerstin Schweighöfer | 18.06.2015
    "Wir sind hier. Kein Mensch ist illegal". Schriftzug auf einem Gebäude, in dem Asylsuchende in Amsterdam leben.
    "Wir sind hier. Kein Mensch ist illegal". Schriftzug auf einem Gebäude, in dem Asylsuchende in Amsterdam leben. (dpa / picture alliance / Koen Van Weel)
    "Wir tun schon sehr viel. Viel mehr als andere Länder. Jetzt werden wir gefragt, noch mehr zu tun. Da ist es doch ganz logisch und auch legitim, dass wir erst wissen wollen, ob wir die einzigen sind, die diese zusätzliche Hilfe leisten wollen, und was die anderen zu tun bereit sind. Es gibt nämlich sehr viele Länder, die nur sehr wenig tun."
    Der niederländische Premierminister Mark Rutte über die von Brüssel vorgeschlagene Quotenregelung. 2.047 Flüchtlinge sollen die Niederländer aufnehmen, 5,12 Prozent der Flüchtlinge in der EU
    Grundsätzlich ist Den Haag dazu bereit. Aber es ist ein sehr vorsichtiges "Ja", ein "Ja, aber": Erstens dürfe sich, so Rutte, niemand aus der Verantwortung stehlen, deshalb wollen die Niederländer ihre Kräfte mit Deutschland, Frankreich und Belgien bündeln. Zweitens möchten sie, dass beim Verteilschlüssel weitere Faktoren berücksichtigt werden. Die Bevölkerungsdichte zum Beispiel – die Niederlande sind das dichtbesiedelste Land Europas, sie zählen sogar zu den fünf dichtbesiedelsten Ländern der Welt. Außerdem müsse beachtet werden, wie viele Flüchtlinge ein Land bereits aufnehme und was es für sie tue.
    In dieser Hinsicht sind die Niederländer - anders als Rutte behauptet - nur europäischer Durchschnitt. Von allen Flüchtlingen in der EU haben im letzten Jahr nur 4,6 Prozent in den Niederlanden Asyl beantragt. Damit liegen die Niederlande auf Platz 6 - nach Deutschland, Schweden, Italien, Frankreich und Großbritannien.
    Die "Ja, aber"-Haltung von Den Haag kommt nicht von ungefähr: Die Rechtsliberalen von Premier Rutte wollen nicht noch mehr Wähler an die Rechtspopulisten von Geert Wilders verlieren.
    "Für die ist die Brüssler Asylpolitik Wahnsinn. Kein Flüchtling dürfe mehr Fuß auf europäischen Boden setzen."
    Die linken und kleinen christlichen Oppositionsparteien hingegen wollen, dass die Regierung mit gutem Beispiel vorangeht. Wenn jeder darauf warte, was der andere tue, geschehe gar nichts, schimpfte der Fraktionsvorsitzende der Linksliberalen Alexander Pechtold.
    "Wir können Italien und Griechenland nicht im Stich lassen. Auch aus eigenem Interesse: Werden die Flüchtlinge dort nicht mehr aufgefangen und registriert, wird der Rotterdamer Hauptbahnhof Lampedusa gleichen ."
    Auch die Sozialdemokraten plädieren seit langem dafür, das Asylproblem gemeinsam auf europäischer Ebene zu lösen. Doch sie sitzen in Den Haag mit den Rechtsliberalen in einem Boot – und nicht nur in Sachen Asylpolitik liegen zwischen den beiden Koalitionsparteien Welten. Der abwartende Standpunkt der niederländischen Regierung ist ein zäh erarbeiteter Kompromiss, für den beide Parteien viel Wasser in den Wein schütten mussten.