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EU-Förderung von Atomkraft "Unterstützung einer gefährlichen Technologie"

Jeden Tag werde deutlicher, wie teuer und gefährlich Atomenergie sei, sagt der CDU-Europaparlamentarier Karl-Heinz Florenz. Er kritisiert die Pläne der EU, Betreibern von Atomkraftwerken den Zugang zu staatlichen Fördermitteln zu erleichtern.

Karl-Heinz Florenz im Gespräch mit Ursula Mense | 19.07.2013
    Ursula Mense: Der Entwurf für eine neue Beihilferichtlinie von EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia für den erleichterten Ausbau von Kernenergie in Europa sorgt für Aufregung. Danach sollen der Ausbau und der Betrieb von Atomkraftwerken staatlich subventioniert werden können. Über solche möglichen Beihilfen sollten Investoren künftig von vornherein Rechtssicherheit haben. Mit einem klaren Regelwerk will Almunia dafür die Voraussetzungen festlegen. Die Bundesregierung quittierte diesen Affront gegenüber der deutschen Energiepolitik und der Energiewende gleich und hat dem Plan widersprochen. Auch Umweltorganisationen sehen die deutsche Energiewende bedroht.

    Am Telefon ist jetzt der CDU-Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz – ich grüße Sie.

    Karl-Heinz Florenz: Guten Morgen!

    Mense: Den ich gleich fragen möchte: Herr Florenz, sind Sie überrascht worden von diesen Plänen?

    Florenz: Na ja, dass die Kommission die einen oder anderen Beihilferegeln neu ordnet und bei dem Rumoren, was in einigen Ländern Europas zu hören ist, über neue Atomenergien, muss man da nicht unbedingt überrascht sein. Aber im Grundsatz bin ich natürlich dagegen, weil ich glaube, dass die Atomenergie bei Weitem nicht so preiswert ist, wie man uns das immer sagt. Es wird ja Tag für Tag deutlicher, wie teuer Atomenergie ist, wie gefährlich sowieso. Also es ist eine Unterstützung einer gefährlichen Technologie, die ich, glaube ich, von Europa so nicht gefördert sehen möchte.

    Mense: Und so was kann am Parlament vorbei dann beschlossen werden?

    Florenz: Ja, schlimm genug. Das ist ja der Grund, warum wir sagen, wir müssen eine Renaissance, eine Überarbeitung der Regeln in Angriff nehmen, wie wir in Europa miteinander umgehen. Das ist schlimm genug, dass der Kommissar das alleine regeln kann. Er ist aber schlecht beraten, wenn er das stur durchsetzt, und ich glaube auch, das wird er nicht tun. Er wird jetzt eine Menge an Reaktionen erhalten, insbesondere auch von den Ländern, die keine Nuklearenergie verwenden und die auch keine verwenden wollen. Also ich glaube nicht, dass es zu einer Renaissance der Nukleartechnologie kommt.

    Mense: Das heißt, Sie sind auch eindeutig dagegen, dass dieses Ziel, Atomenergie und grüne Energie gleichzustellen, von der EU verfolgt wird?

    Florenz: Ja. Da gibt es ja einige, die das versuchen, auch mit dem einheitlichen Reduktionsziel für nach 2020. Ich glaube, das wäre falsch, sondern man muss beiden Bereichen eine faire Chance geben, und deswegen wird das EEG ja auch in Brüssel überprüft. Das verstehe ich auch, dass man das prüfen will. Aber man muss da mit gleicher Elle messen und man darf da nicht hingehen und die Atomenergie mal so à la longue mit der Wind- oder der Solarenergie vergleichen. Das kann ja nicht funktionieren.

    Mense: Dass jetzt diese Pläne überhaupt bekannt werden, Herr Florenz, glauben Sie, dass die Atomlobby da stark dahinter steckt, vielleicht vor allen Dingen die französischen und die britischen Erbauer von Kernkraftwerken?

    Florenz: Die Lobby schläft in Europa zu keiner Zeit. Das haben wir bei Autos gesehen, das sehen wir jetzt bei Tabak, das ist bei Atom so. Die arbeiten sehr kontinuierlich an solchen Themen und zu einem richtigen Zeitpunkt, offensichtlich jetzt in der Sommerpause, bringt der Kommissar das ans Tageslicht. Der Umgang, das gefällt mir nicht besonders, das ist auch eine Missachtung des Parlaments, obwohl die Rechtslage klar ist. Das Parlament kann an dieser Sache nicht mit entscheiden.

    Mense: Aber Sie würden nicht so weit gehen und sagen, dass Almunia von der Atomlobby gekauft ist?

    Florenz: Na ja, das behaupte ich nicht, das kann ich auch nicht behaupten, und wenn ich das behaupten würde, dann müsste ich das ja auch belegen können, und das kann ich selbstverständlich nicht. Aber ich bestreite nicht, dass das eine beachtliche Kraft in Europa ist, gerade in Frankreich, in Tschechien und in Großbritannien, und dass die sich natürlich zu Wort melden, das ist demokratisch okay. Aber die Politik muss sich jetzt zu Wort melden, auch dann, wenn wir final nicht mitentscheiden können, und wir sollten doch wirklich mal herausfinden, was denn nun wirklich Atomenergie kostet. Die ist bei Weitem nicht so billig, wie man uns immer weiß macht. Und bitte nicht vergessen: wir produzieren Müll und kein Mensch weiß, wohin damit. Das sind doch Fragen, die müssen endlich mal in diesem modernen Zeitalter auch besprochen werden.

    Mense: Die Geschichte mit dem Vetorecht müssen wir vielleicht noch mal kurz erklären. Die Bundesregierung hat ja bereits gesagt, dass sie gegen diese Pläne ist, aber sie hat überhaupt kein Vetorecht in Brüssel. Richtig?

    Florenz: Das ist richtig. Das ist bei den Beihilfefragen generell so, dass die Kommission da das letzte Wort und das einzige Wort hat. Wenn man sehr abstrakt das sieht, ist das auch nicht falsch, weil man kann sich natürlich vorstellen, dass Wettbewerbsregeln eingeführt werden, die dennoch dann von den Mitgliedsländern nicht akzeptiert werden und trotzdem Wettbewerbsverzerrungen darstellen. Aber der Kommissar Almunia sollte das Ohr auch ins Parlament halten, er sollte es auch in den Rat halten und mal hören, was denn da die Mehrheit sagt. Die Franzosen sollten das ein bisschen behutsamer angehen. Denn Atomkraftwerke insbesondere an deutschen Grenzen zu bauen, das ist nicht gerade eine Grundvoraussetzung, ein angenehmes nachbarschaftliches Verhältnis zu haben.

    Mense: Schwächt denn nun dieser Vorstoß die deutsche Energiepolitik, oder vielleicht sogar das Erneuerbare-Energien-Gesetz?

    Florenz: Nein, es schwächt das deutsche Verfahren nicht. Die Deutschen müssen jetzt ernsthaft an ihrem Erneuerbare-Energien-Gesetz arbeiten. Das wird nach der Bundestagswahl geschehen. Und ich glaube, das muss auch sehr hart geschehen. So wie das bis jetzt weiterging, dass jeder sich da was aufs Scheunendach schrauben konnte oder ein Windrad hinstellen konnte, das muss kontrollierbar sein. Da muss irgendwann mal einer eingreifen und sagen, jetzt ist genug, wir können den Strom einfach nicht mehr absetzen. Das, glaube ich, gehört auch mit zur Marktwirtschaft, dass man da sagt, bis hierhin und nicht weiter. Das wird eine Menge Streit geben, aber ich glaube, ohne Streit ist das nicht zu lösen.

    Mense: Karl-Heinz Florenz, CDU-Abgeordneter im Europaparlament, danke für das Gespräch.

    Florenz: Ja, gerne geschehen.


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