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EU-Gipfel
Demonstrative Zuversicht nach dem Brexit

Am Dienstag beginnt der EU-Gipfel zum Brexit-Votum. Der zweite Tag soll kurzerhand zum informellen Treffen erklärt werden: Dann darf David Cameron daran nicht mehr teilnehmen. Aus Brüssel schlägt dem britischen Premier nach dem Brexit-Referendum ein kühler Ton entgegen. Demonstrativ verbreiten die verschiedenen EU-Akteure aber auch Handlungsfähigkeit.

Von Jörg Münchenberg | 27.06.2016
    Vor der halbverglasten Frontfassade wehen drei Flaggen mit den europäischen Sternen.
    Die Regierungschefs werden auf dem EU-Gipfel auf eine schnelle Erklärung Großbritanniens drängen. (dpa / Daniel Kalker)
    Es gibt derzeit auch in Brüssel viel mehr Fragen als Antworten nach dem britischen Yes für einen EU-Austritt. Doch gerade in ihrer wohl schwersten Krise will die Union keine Schwäche zeigen - zumindest nicht nach außen. Und so mühen sich die Verantwortlichen derzeit um Geschlossenheit, Handlungsfähigkeit und demonstrative Zuversicht, etwa die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gestern beim Kurzbesuch ihres US-Kollegen John Kerry in Brüssel:
    "Die EU ist so stark wie bisher; vielleicht wird die EU in der Zukunft sogar noch stärker."
    Das klingt ein wenig nach lautem Pfeifen im dunklen Wald. Zumal sich gleichzeitig längst abzeichnet, dass sich die britische Regierung mit dem notwendigen Austrittsgesuch nach Artikel 50 des EU-Vertrages Zeit lassen wird. Es droht also eine politische Hängepartie, allen Appellen der EU-Partner zum Trotz. Niemand rechnet damit, dass sich David Cameron heute erklären wird.
    Also erhöht die EU ihrerseits den Druck, zumal die britische Regierung noch vor einem Austrittsgesuch festzurren will, wie es um das künftige Verhältnis mit den einstigen Partnern bestellt sein wird. Hier aber lautet die Botschaft: Eine gewisse Übergangszeit kann es zwar geben, doch ohne offizielles Scheidungsgesuch nach Artikel 50 kein Beginn der Verhandlungen, wie es gestern auch Kommissionssprecher Magaritis Schinas noch einmal klar gestellt hat.
    Auch aus dem EU-Parlament heißt es, der Austritt müsse nun unverzüglich verhandelt werden, um schädliche Auswirkungen zu vermeiden. Dort wird sich heute Morgen in einer Sondersitzung auch EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker erklären, bevor dann am Nachmittag der reguläre EU-Gipfel beginnt, zunächst noch mit Cameron zusammen.
    Ein Krisengipfel in Brüssel
    Und fast hört es sich wie Gipfelroutine an: Migration, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit stehen auf der Agenda. Doch eigentlich ist es ein Krisengipfel und schon beim gemeinsamen Abendessen dürfte es dann zur Sache gehen.
    Cameron soll sich erklären: Umgekehrt werden ihm die 27 Staats- und Regierungschefs deutlich machen, dass die Scheidung nun auch offiziell eingereicht werden müsse. Von einem Ultimatum will allerdings niemand reden und auch US-Außenminister Kerry mahnte gestern angesichts der politischen wie wirtschaftlichen Bedeutung Großbritanniens eindringlich zur Mäßigung:
    "Ich glaube, es ist absolut entscheidend, dass in dieser Übergangsphase alle konzentriert bleiben, niemand den Kopf verliert und sich zu einem vorschnellen oder gar rachsüchtigen Verhalten hinreißen lässt."
    Allerdings ist der Tonfall zwischen der EU und der britischen Regierung bereits in den letzten Tagen erheblich kühler geworden. Auch auf dem Gipfel will EU-Ratspräsident Donald Tusk ein deutliches Zeichen setzen.
    Der zweite Tag wurde kurzerhand zu einem informellen Treffen erklärt: Dann sind die 27 nur noch unter sich, Cameron ist nicht mehr dabei. Die Themen für diesen denkwürdigen Mittwoch: die politischen wie praktischen Folgen des Brexit, aber auch die Zukunft einer EU mit nur noch 27 Mitgliedsstaaten.