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EU-Gipfel
Deutschland und Frankreich Schulter an Schulter

Nach dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel haben sich Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron einig in vielen Fragen gezeigt. Vor allem der Handelsstreit mit den USA kam zur Sprache, aber auch der anstehende Austritt Großbritanniens aus der EU und das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei waren Thema.

23.03.2018
    Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron nach dem EU-Gipfel in Brüssel am 23. März 2018
    Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron nach dem EU-Gipfel in Brüssel (AP via dpa/Geert Vanden Wijngaert)
    40 Tage reichen nicht - so die Quintessenz von Emmanuel Macrons Ausführungen über die Handelszölle auf Stahl und Aluminium, die die USA verhängen wollen. Denn lediglich für die Dauer von 40 Tagen hat die US-Regierung die Zölle für die EU ausgesetzt.
    Nach Macrons Einschätzung muss Europa vereint und entschlossen auftreten. Er sagte nach dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel, er erwarte eine langfristige und nachhaltige Lösung. Dies könne man von der jetzigen Regelung nicht behaupten. "Wir sprechen mit niemandem, der gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstößt und uns eine Pistole an die Schläfe hält". Der französische Präsident bezeichnete das amerikanische Vorgehen als schlechte Strategie, die allerdings auf ein Problem reagiere: Dumpingpreise in der Stahlproduktion. Er sehe dennoch die Lösung solcher Probleme nicht darin, mit Protektionismus zu reagieren. Ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Merkel. Die EU wolle den freien Welthandel verteidigen und halte sich an die Regeln der WTO. "Alle werden verlieren, wenn wir uns in eine Handels-Spirale begeben", so die Kanzlerin.
    Macron sprach sich indirekt dagegen aus, ein neues EU-Freihandelsabkommen mit den USA einzugehen. Die EU sollte keine Handelsabkommen mit Ländern schließen, die nicht Mitglieder des Pariser Klimaschutzabkommens seien, sagte er. US-Präsident Trump hatte die Beteiligung seines Landes an dem Abkommen aufgekündigt.
    Auch beim Thema "Brexit" zeigten Merkel und Macron große Einigkeit:
    Die Bundeskanzlerin sagte: "Der gesamte Prozess ist sehr bedauerlich". Man müsse den EU-Verhandlungsführer Michel Barnier nach Kräften unterstützen, die Interessen der verbleibenden 27 Staaten zu vertreten. "Wir werden uns nicht auseinanderdividieren lassen", sagte Merkel und betonte, sie halte es für sehr wichtig, die Gemeinsamkeit innerhalb der EU weiter aufrecht zu erhalten. Ein "intensives Freihandelsabkommen" mit Großbritannien für die Zeit nach dem Austritt des Landes aus der Staatengemeinschaft hält sie für erstrebenswert. Frankreichs Präsident Macron sieht da noch etliche Hürden: "Es gibt nur dann ein Abkommen, wenn es ein Abkommen über alle Fragen gibt - man kann nichts herauslösen". Großbritannien könne nicht verschiedene Bereiche des Binnenmarkts für sich herauspicken, wenn es nicht mehr Bestandteil dieses Maktes sei: "Wenn man draußen ist, ist man draußen", so Macron.
    Beide Politiker sehen einen großen Handlungsbedarf der EU darin, sich für die Zeit nach dem Austritt Großbritanniens wirtschaftlich zu wappnen:
    Die Eurozone muss nach Macrons Ansicht enger zusammenrücken. Länder innerhalb der Eurozone müssten verantwortungsbewusst und solidarisch handeln. Für die Zukunft wünscht sich der französische Präsident eine "bessere Konvergenz der Wirtschaftszone" und setzt auf die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion EU. Bundeskanzlerin Merkel fordert in diesem Zusammenhang ebenfalls Fortschritte: "Das wird die Eurozone und die EU kräftigen". Merkel stellte es als besonders wichtig heraus, dem Vorschlag von EU-Kommissionschef Juncker zu folgen und einen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. In dem Zusammenhang seien auch Fragen des Datenschutzes zu beantworten, so Merkel.
    Ein weiteres wichtiges Thema beim EU-Gipfel in Brüssel war der Giftanschlag auf den ehemaligen britisch-russischen Doppelagenten Skripal in der britischen Stadt Salisbury. Die Bundeskanzlerin und der französische Präsident sehen die Verantwortung dafür bei Russland und kündigten Konsequenzen an, die sie eng miteinander absprechen wollen.
    Ob sie russische Diplomaten ausweisen wollen als Antwort auf den Giftanschlag, wollten weder Merkel noch Macron konkret ankündigen. Sie stimmten aber beide der Einschätzung der britischen Regierung zu, aller Wahrscheinlichkeit nach stecke Russland hinter dem Anschlag. Die britische Premierministerin May habe auf dem EU-Gipfel sehr aussagekräftige Fakten vorgelegt. Macron und Merkel haben sich auch zu dritt mit May getroffen und die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Fall Skripal besprochen. Es sei nicht zu erwarten, dass die Untersuchung der Substanzen durch die Chemiewaffenkontrollbehörde OPCW zu anderen Ergebnissen komme, so die beiden Spitzenpolitiker. Der Anschlag sei so schwerwiegend für die Sicherheit, dass er unbedingt eine Antwort der Europäer erfordere, sagte der französische Präsident: "Deutschland und Frankreich werden sehr schnell koordinierte Maßnahmen gegen Russland verhängen."
    Ein weiteres Thema war das Verhältnis der Europäischen Union zur Türkei, das einerseits von massiver Kritik am Vorgehen der türkischen Streitkräfte in der syrischen Stadt Afrin geprägt ist - und andererseits vom Flüchtlingsdeal mit Ankara, der Migranten von der Flucht nach Europa abhalten soll.
    Die Bundeskanzlerin sagte, dieser Themenkomplex sei intensiv im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs besprochen worden. Man habe sich dazu entschlossen, die anstehende zweite Tranche von 3 Milliarden Euro an die Türkei zu zahlen - trotz des Vorgehens der türkischen Armee im Norden Syriens. Merkel sprach von "Fortschritten im europäischen Asylsystem". Insgesamt urteilte die Kanzlerin über die Gesprächsergebnisse des EU-Gipfels: "Wir meinen es sehr ernst mit unserer Agenda".
    (tep/wes)