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EU-Gipfel
Streit um Polens Justizreform droht zu eskalieren

Die EU-Kommission hatte der polnischen Regierung eine Chance eingeräumt, deren umstrittene Justizreform zur ändern. Jetzt ist die Frist abgelaufen, ohne das Warschau reagierte. Nun könnte der Streit vor dem EU-Gipfel am Donnerstag eskalieren.

Von Florian Kellermann | 21.03.2018
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der neue polnische Premierminister Matheusz Morawiecki bei einem Treffen in Brüssel am 9.1.18
    Wie reagiert die EU auf Polens Festhalten an der Justizreform? Kommissionspräsident Juncker und Polens Premierminister Morawiecki (imago/ZUMA Press)
    Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sieht weiterhin keinen Grund dafür, die umstrittene Reform zu ändern. Kurz, bevor die letzte Frist für seine Regierung ablief, erklärte er: "Die Änderungen im Justizsystem sind notwendig. Sie werden die Unabhängigkeit der Richter erhöhen, das System wird objektiver und effektiver. Wir wissen um die Zweifel der EU-Kommission. Wir werden auf sie sehr detailliert antworten."
    Inzwischen ist diese Antwort in Brüssel angekommen, außerdem ein von der Regierung sogenanntes "Weißbuch" zur Reform. Es legt dar, dass es alle Elemente des neuen Justizsystems in der einen oder anderen Form auch in einem anderen EU-Land gibt. Die konkreten Empfehlungen der EU-Kommission umzusetzen, kam für die Regierungspartei PiS nicht in Frage.
    Haufen von Lügen, Manipulation und Unsinn
    Die polnische Opposition zeigt sich entsetzt, so Borys Budka von der rechtsliberalen "Bürgerplattform": "Was die Regierung da nach Brüssel geschickt hat, ist ein Haufen von Lügen, Manipulation und Unsinn. Aber in Brüssel stützt man sich auf offizielle Dokumente, und die zeigen: Der Justizminister, der in Amtseinheit auch Generalstaatsanwalt ist, hat Gerichtsvorsitzende gegen ihm ergebene Personen ausgetauscht. Er hat die Staatsanwaltschaft nach seinem Gusto umgestaltet. Er hat in den Landesjustizrat Leute gesetzt, die im Justizministerium gearbeitet haben oder von ihm abhängig sind."
    Dass Polen die umstrittene Reform durchziehe, schade dem Land außenpolitisch, so Budka. Es habe keine starke Stimme in der Diskussion um die Zukunft der Europäischen Union.
    Sanktionen im zweiten Schritt
    Im nächsten entscheidenden Schritt müsste nun der EU-Rat tätig werden, also Regierungsvertreter aus allen Mitgliedsländern. Sie könnten die Gefahr feststellen, dass Polen die Grundwerte der EU schwerwiegend verletzt. Möglich wäre das mit einer Mehrheit von vier Fünfteln der Länder.
    Erst in einem folgenden Schritt würde der EU-Rat dann auch über Sanktionen befinden, bis hin zum Stimmrechtsentzug. Dem müssen jedoch alle Länder, natürlich abgesehen von Polen, zustimmen.
    Im Moment steht noch nicht einmal fest, ob der erste Schritt gelingt. Neben Ungarn hat auch Litauen klar gemacht, dass es das Verfahren nicht unterstützt, weitere Länder könnten sich anschließen.
    Antworten aus Polen analysieren und kommentieren
    Wohl auch deshalb äußerte sich der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans eher vorsichtig zum weiteren Vorgehen: "Wir werden die Antworten aus Polen analysieren und kommentieren. Und dann werden wir im kommenden Monat im Rat für allgemeine Angelegenheiten auf die Sache zurückkommen und prüfen, ob es Fortschritte gibt oder nicht. Das Weißbuch jedenfalls ist keine Antwort auf die Empfehlungen der EU-Kommission, es legt nur noch einmal die polnischen Positionen dar."
    Die Gespräche zwischen Polen und der EU-Kommission werden also auch nach der abgelaufenen Frist weitergehen. Beobachter meinen, dass der Druck auf Warschau nicht so sehr wegen des Artikel 7-Verfahrens steige. Wirkungsvoller sei die Debatte in der EU über den künftigen Finanzrahmen, der ab 2021 gelten wird: Einige Stimmen fordern, dass bestimmte Mittel nur noch dann ausgezahlt werden sollen, wenn das Empfängerland rechtsstaatlichen Prinzipien einhält.