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EU-Kommission
Visumspflicht für türkische Bürger soll Ende Juni fallen

Für türkische Bürger könnte die Einreise in die EU ab Ende Juni deutlich einfacher werden. Die EU-Kommission empfiehlt, die bislang geltende Visumspflicht dann aufzuheben. Allerdings müsse die Türkei vorher noch weitere Bedingungen aus dem Flüchtlingspakt erfüllen.

04.05.2016
    Das Schild "Passkontrolle" am Flughafen Münster-Osnabrück.
    Türkische Bürger können ab Ende Juni womöglich ohne Visum in die EU einreisen. (imago / Jochen Tack)
    In den vergangenen Wochen habe die Türkei deutliche Fortschritte gemacht, erklärte der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, in Brüssel. Das reiche aus, um jetzt eine Abschaffung der Visumspflicht Ende Juni in Aussicht zu stellen. Garantieren will das die EU-Kommission aber noch nicht. Insgesamt geht es um 72 Bedingungen - sogenannte Benchmarks -, die die Türkei erfüllen muss. Die meisten davon sind bereits erledigt.
    Fünf davon müsse das Land bis Ende Juni noch erreichen, so Timmermans in seiner Erklärung. Dabei geht es unter anderem um Maßnahmen im Bereich der Korruptionsbekämpfung, um die Zusammenarbeit mit der europäischen Polizeibehörde Europol, um die Anpassung von Datenschutzregeln und Anti-Terrorgesetzen sowie um die justizielle Zusammenarbeit mit den europäischen Mitgliedstaaten.
    Pässe müssen nachgebessert werden
    Timmermans betonte außerdem, dass die Türkei ihre Pässe auf europäischen Sicherheitsstandard bringen müsse. Nur mit den biometrischen Reisepässen sei es möglich sicherzustellen, dass eine Person auch die sei, die sie vorgebe zu sein.
    Die EU-Kommission legt ihre Vorschläge nun dem Europaparlament und den Mitgliedsstaaten vor, die letztlich über die Maßnahmen entscheiden müssen. Eine Zustimmung gilt aber als wahrscheinlich. Dann wären türkische Bürger berechtigt, ohne Visum für 90 Tage pro Halbjahr zu Geschäftsreisen, Urlauben oder Familienbesuchen in die EU einzureisen.
    Lob von der Bundesregierung
    Die Bundesregierung steht den Plänen positiv gegenüber. Die Türkei habe große Fortschritte bei der Umsetzung der Auflagen für die Visafreiheit gemacht, es müssten aber alle 72 Bedingungen erfüllt werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wichtig sei auch die Absicht der Kommission, den Notfallmechanismus für die Aussetzung der Visafreiheit zu verschärfen. Der Notfallmechanismus erlaubt es derzeit Ländern, die Befreiung von der Visumpflicht in bestimmten Notlagen für bis zu sechs Monate auszusetzen.
    Die Grünen-Politikerin Claudia Roth sprach vor der Entscheidung der EU-Kommission im Deutschlandfunk von einem "längst überfälligen Schritt." Roth betonte, dasss eine Liberalisierung keinen Kniefall vor dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bedeute. Sie forderte, die Diskussion darüber unabhängig vom Flüchtlingsdeal mit der Türkei zu sehen.
    Kritik von CSU-Europaabgeordneten
    Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber hält den Schritt dagegen für falsch. Aus seiner Sicht erfüllt die Türkei die 72 Kriterien nicht. Man dürfe bei der Türkei nicht "alle Augen zudrücken", schrieb er auf Twitter.
    Auch Partei-Kollege Manfred Weber hält die Entscheidung der Kommission für verfrüht. Es dürfe keinen Flüchtlingsrabatt für die Türkei geben.
    Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold hält dagegen und wirft der CSU Populismus vor. Man könne in einem Deal nicht nur nehmen, sondern müsse auch geben, twitterte er.
    Die Europaabgeordnete der Linken, Martina Michels, kritisierte die Empfehlung der Kommission ebenfalls. "Obwohl mindestens zehn der nötigen Bedingungen nicht erfüllt sind, deren Prüfung aussteht und viele praktische Fragen, wie die Passproduktion nach EU-Standards, ungeklärt sind, soll die Visabefreiung ab Juni eingeräumt werden", teilte sie mit. Sie sprach von "kopflosem Aktionismus" und warf der EU vor, weiter Politik "gegen Flüchtlinge statt gegen Fluchtursachen" zu betreiben.
    Der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei sieht vor, dass die Türkei die illegale Einreise von Flüchtlingen in die EU unterbindet und Flüchtlinge, die illegal nach Griechenland gelangt sind, wieder zurücknimmt. Im Gegenzug zahlt die EU mehrere Milliarden Euro an die Türkei für die Unterbringung der Flüchtlinge und nimmt außerdem syrische Flüchtlinge aus der Türkei auf. Auch der Fall der Visumspflicht ist Teil des Abkommens.
    Die türkisch-europäischen Vereinbarungen in der Flüchtlingskrise als Grafik.
    Die türkisch-europäischen Vereinbarungen in der Flüchtlingskrise. (picture-alliance / dpa-Grafik)
    (pr/am)