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EU-Kontrolleure in Griechenland
Angst vor neuen Sparauflagen

Europa braucht ein starkes Griechenland - so lautet der Konsens in Brüssel. Trotzdem fürchten sich viele Griechen davor, dass die frisch in Athen eingetroffenen EU-Kontrolleure eine Verschärfung des Sparkurses fordern könnten. Denn ein Drittel der Griechen muss mittlerweile mit weniger als 10.000 Euro pro Jahr auskommen.

Von Michael Lehmann | 28.02.2017
    Die griechische Flagge ist hier auf der Akropolis zu sehen, darunter stehen Menschen
    Griechenland ist noch nicht über den Berg - und das wird mit dem eisernen Sparprogramm allein auch nicht gelingen. Die Hauptfrage lautet, wie das Land mehr Geld erwirtschaften kann. (AFP / Andreas Solaro)
    Leise sind die sogenannten Kontrolleure in Athen wieder eingeflogen. Die Experten der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Europäischen Stabilitätsmechanismus werden auch diesmal eher im Verborgenen bleiben. Ihr neuer, alter Auftrag: Reformen in Griechenland und Kassenlage überprüfen. Vorerst nur als Berater dabei sind Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds. Kein Journalist und wohl auch kein Politiker weiß, was genau in den nächsten Tagen passiert - doch eines ist klar: Die letzten Botschaften aus Brüssel werden die Arbeit beeinflussen. Und diese Botschaften lauten:
    Griechenland auf jeden Fall im Euro halten - und: Europa braucht ein starkes Griechenland - deshalb keine weiteren Grexit-Spekulationen - so deutlich sagt es der EU-Währungskommissar.
    Kontrolleure werden wohl weitere Kürzung der Renten durchrechnen
    Die Hauptfrage bleibt: Wie könnte Griechenland noch mehr Geld in die Staatskasse bekommen, als durch das Sparprogramm der vergangenen Monate? Die wichtigste Antwort: Indem es noch mehr Steuern einnimmt. Also könnte der Freibetrag bei der Einkommenssteuer abgesenkt werden - von gut 8.600 auf nur noch etwa 6.000 Euro pro Jahr. Das würde auch ärmere Griechen weiter belasten. Besonders besorgt sind viele Rentner, weil die Kontrolleure wohl auch eine weitere Kürzung der Renten durchrechnen werden. Stavros Bokias, 75jähriger Rentner aus Athen, beschreibt was viele denken:
    "Wir leben in Armut und wir können den Spott, der hinter dem Sparprogramm unserer Regierung steckt, nicht so einfach schlucken: Sie geben uns ein paar Krümel von dem zurück von dem, was sie uns zuvor gestohlen haben".
    Mehrheit der Griechen steht hinter Tsipras
    Ein Drittel aller Griechen muss inzwischen mit einem Jahreseinkommen unter 10.000 Euro klarkommen. Regierungschef Tsipras muss also den Geldgebern erklären, warum die strikte Sparpolitik so nicht weitergehen kann. Die letzte große Umfrage des Meinungsinstituts Kapa Research scheint Tsipras zu stützen. Mehr als 60 Prozent der Griechen sagen danach, daß es keine Neuwahlen geben soll - und 65 Prozent wollen trotz Sparprogramm und Kürzungsprogramm im Euro bleiben.
    Die griechische Regierung äußert sich wie immer nur mit sehr allgemeinen Aussagen zum Prüfprogramm der Kontrolleure. Und Regierungschef Tsipras hat Anlass zu leichter Entspannung: Sein politischer Hauptgegner von der konservativen Ne a Demokraia, Oppositionsführer Mitsotakis, hatte Mitte des Monats in Berlin vergeblich für Neuwahlen in Griechenland geworben. Kanzlerin Merkel und andere Unionspolitiker gaben dem dynamisch auftretenden griechischen Konservativen zu verstehen: Neuwahlen sind nicht im Interesse der deutschen Bundesregierung.
    Finanzkontrolleure auf Sparkurs
    Tsipras selbst hat den Auftritt seines Gegners in Berlin am Wochenende mit einem kurzen Ausflug in die deutsche Sprache im Parlament kommentiert:
    "Wissen sie, es gibt in der deutschen Sprache einen Begriff, der sich auf Griechisch nicht wirklich übersetzen läßt. Fremdschämen … und es bedeutet sich für etwas zu schämen, was ein anderer gemacht hat. Und das ist es, was ich fühle, wenn ich sehe, wie sich Mitsotakis bei seinem Besuch in Berlin verhalten hat."
    Egal ob ironisch oder vorwurfsvoll - die Finanz-Kontrolleure in Athen werden sich vom innenpolitischen Streit in Griechenland nicht ablenken lassen. Sie müssen auf Sparkurs bleiben und das heißt für die nächsten Jahre: Noch mehr Disziplin, aber auch mehr Wachstum.