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Luxemburg übernimmt den Ratsvorsitz

Luxemburg übernimmt morgen den EU-Ratsvorsitz. Seit vergangenem Jahr steht Jean-Claude Juncker, der frühere Regierungschef, an der Spitze der EU-Kommission. Das könnte zur schnellen Verständigung und raschen Entscheidungsfindung zwischen den Institutionen beitragen. Selten war das so wichtig wie jetzt in der Griechenland-Krise.

Von Tonia Koch | 30.06.2015
    Flagge Luxemburg
    Flagge Luxemburg (picture alliance / Romain Fellens)
    "Es ist die Stunde der Wahrheit. Griechenland ist Teil der europäischen Familie und ich möchte, dass diese Familie zusammenhält", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestern in Brüssel. Er forderte die Griechen dazu auf, für das europäische Hilfspaket zu stimmen, das die eigene Regierung, die Regierung Tsipras, als unzureichend ablehnt.
    Doch trotz der zahlreichen wohlmeinenden Empfehlungen von allen Seiten in die auch der luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn einstimmt,
    "Ich sage auch, Griechenland muss sich auf helfen lassen", scheint die Athener Regierung gewillt, ihre Blockade aufrecht zu erhalten. Die Luxemburger übernehmen morgen für ein halbes Jahr den Vorsitz in der Europäischen Union. Ein kleines Land, das sich auf Mediation, auf Interessenausgleich versteht. Auch die Luxemburger wollen die Tür für weitere Verhandlungen zwischen der EU und Griechenland offen halten.
    "Luxemburg hat immer Brücken gebaut und wir müssen es fertigbringen, Brücken zu bauen, da wo Brücken nicht mehr so stabil sind wie sie vorher waren."
    Xavier Bettel, der luxemburgische Regierungschef kennt sich aus in Griechenland, er hat in Thessaloniki studiert. Ob das jedoch in dieser verfahrenen Situation von Nutzen sein kann, ist selbst aus seiner Sicht fraglich.
    "Ich verstehe nicht die Griechen besser oder weniger als andere. Ich glaube, dass wir Respekt gegenüber den Griechen haben müssen, gegenüber den Menschen."
    Die Griechenlandkrise wird nicht nur den morgigen Start der luxemburgischen Präsidentschaft bestimmen, sondern über Monate das beherrschende Thema der EU bleiben. Es geht längst nicht mehr allein darum, wie die Hilfsangebote aussehen. Es geht vielmehr um eine politische Dimension, um den Zusammenhalt in der EU. Denn auch woanders seien mächtige Fliehkräfte am Werk, sagt der luxemburgische Außenminister. Etwa in Großbritannien, wo viele Menschen und auch politisch Verantwortliche glaubten, dass es ihnen ohne die EU besser ginge.
    "Die Europäische Union darf ihre Essenz nicht verlieren."
    Über berechtigte Anliegen müsse geredet werden. Aber die Freizügigkeit zum Beispiel von der Millionen Europäer profitierten, stehe nicht zur Disposition, sie sei nicht verhandelbar, sagt Asselborn. Auf den Nägeln brennt der EU nach wie vor die Flüchtlingsproblematik. Bereits in der kommenden Woche werden sich die zuständigen Minister darum kümmern, wie 40.000 Flüchtlinge die in Italien und Griechenland ausharren, auf Basis freiwilliger Vereinbarungen auf die anderen EU-Mitgliedstaaten verteilt werden können. Keine leichte Aufgabe, nachdem sich die Staats- und Regierungschefs nicht auf verbindliche Quoten verständigen konnten. Ein Scheitern komme hier nicht in Frage, warnt Asselborn.
    "Denn das wäre doch ein ganz schlimmer Rückfall, wenn Europa, das seine Werte durch die ganze Welt trägt, seine Werte von Menschlichkeit und Solidarität, dass wir hier total versagen würden."
    Antworten werden im Verlauf des nächsten halben Jahres auch in der Steuerpolitik erwartet. Künftig soll es gerechter zugehen. Unternehmen sollen nicht jedes Schlupfloch nutzen, um am Ende gar keine Steuern zu zahlen. Und die Mitgliedstaaten sollen dem nicht länger Vorschub leisten, so wie das Luxemburg jahrelang getan hat. Neue Transparenzregeln liegen auf dem Tisch. Das Großherzogtum habe sich vom Saulus zum Paulus gewandelt und werde sich an die Spitze der Reformer setzten, verspricht der luxemburgische Finanzminister Pierre Gramegna.
    "Wir haben das Bankgeheimnis abgeschafft, zweitens haben wir ganz viele Gesetze geändert, das heißt, Luxemburg hat sich reformiert, hat sich geändert. Und unsere Präsidentschaft kommt in dem Sinne in einem sehr günstigen Augenblick, wo Luxemburg sich selbst reformiert hat und helfen wird, dass Europa auch in Sachen Steuern und in Sachen Transparenz nach vorne geht."
    Viel Verhandlungsgeschick benötigt auch die grüne Umweltministerin Carole Dieschbourg. Bis Anfang Dezember, bis zum Weltklimagipfel in Paris, wird sie alle Hände voll zu tun haben.
    "Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, die ich sehr leidenschaftlich auch mitmache, weil es eine Chance auch ist."
    Die Klimakonferenz von Paris soll keinesfalls scheitern, wie der Gipfel von Kopenhagen vor sechs Jahren.