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EU-Mitglied mit Vorbehalten
Dänische Ausnahmen

Mieten ja, kaufen nein: Die Sommerhausregelung macht es Ausländern fast unmöglich, in Dänemark eine Immobilie zu erwerben. Sie ist eine von mehreren Ausnahmen, die sich das Land bei seinem EU-Beitritt 1973 vorbehielt und die bis heute gelten. Daran wollen die Dänen auch nicht rütteln.

Von Gunnar Köhne | 14.01.2019
    Häuser auf einer Düne in Lönstrup, Jütland, Dänemark
    Die Vermietung von Ferienhäusern ist ein großes Geschäft in Dänemark. Der Kauf eines Hauses ist allerdings Dänen vorbehalten. (picture alliance/ dpa/ imageBROKER)
    Christopher Schultz Thimsen klickt sich durch die Fotos, die seine Immobilienfirma im dänischen Grenzort Aabenraa ins Internet gestellt hat: "Hier haben wir eins. Das liegt fast direkt an der Wasserkante. Und das kostet zwei Millionen." Zwei Millionen dänische Kronen, also umgerechnet 250.000 Euro, für ein Schmuckstück von dänischem Ferienhaus.
    Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Heimat, Hygge, Hochmut - Dänemark hadert mit der EU" in der Sendung "Gesichter Europas".
    Das 80-Quadratmeter-Häuschen hat eine blassgelbe Holzfassade und bodentiefe Fenster mit Aussicht auf die Weite des dänischen Wattenmeeres. Eine Idylle, die deutsche Touristen jeden Sommer zu hunderttausenden an die dänische Westküste lockt. Die Vermietung von Ferienhäusern ist ein großes Geschäft. Aber was, wenn ein Deutscher das Ferienhaus bei ihm gleich kaufen will? Der junge Immobilienmakler lächelt verlegen: "Als Deutscher geht das leider nicht. Die sind nur dänischen Käufern vorbehalten."
    "Forbeholdts" bei Ferienhäusern, Euro und Zusammenarbeit
    Denn mit seinem Beitritt zur EU 1973 setzte Dänemark eine Sonderregelung durch: Ausländer dürfen bei ihnen keine Sommerhäuser kaufen. Damit soll in erster Linie ein Ausverkauf der schönsten Strände an die wirtschaftsmächtigen deutschen Nachbarn im Süden verhindert werden. Nur wer einen Nachweis für eine "besonders starke Beziehung zu Dänemark" hat, kann beim Justizministerium in Kopenhagen eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Das könnte, so ist zu hören, ein dänischer Schwiegersohn sein oder ein Studium der Skandinavistik.
    Das Verkaufsverbot für Sommerhäuser ist nur eines von etlichen sogenannten Vorbehalten, die sich die Dänen in ihrem Verhältnis zur übrigen EU ausbedungen haben. Die anderen "forbeholdt", wie es auf Dänisch heißt, betreffen den Euro, die gemeinsame Verteidigungspolitik und die Zusammenarbeit in Justiz- und Polizeiangelegenheiten. Das sei aber keineswegs eine Mitgliedschaft à la carte, wie es die Briten lange pflegten, findet Peter Nedergaard, Professor am Europapolitischen Institut der Universität Kopenhagen. Nedergaard sitzt in der gebückten Haltung eines Gelehrten in seinem Büro und schaut verschmitzt als wolle er sagen: Das kleine Volk der Dänen mag es nicht, hinters Licht geführt zu werden.
    "Wenn die Dänen ihre Währung oder ihr Justizsystem oder ihre Verteidigungspolitik aufgeben müssten, dann würden sie das als eine Art von begrenzter Eigenständigkeit sehen. Auch wenn diese Haltung immer wieder von der Politik kritisiert wird: Die Mehrheit der Dänen empfände einen Abschied von diesen Vorbehalten als einen Schritt in Richtung Vereinigte Staaten von Europa."
    Dänen wollen ihre Ausnahmen behalten
    Und so ist bislang jeder Versuch, die Vorbehalte zu streichen, in Volksabstimmungen von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt worden. Während die Zustimmung zur EU mit 66 Prozent derzeit so hoch ist wie noch nie, wollen die Dänen ihre Ausnahmen den Umfragen zufolge aber behalten.
    Dabei würde die bürgerliche Regierung unter Lars Løkke Rasmussen besonders die Blockade einer EU-weiten Verteidigungszusammenarbeit gerne kippen. Angesichts von grenzüberschreitendem Terror und Kriminalität schwindet unter den Abgeordneten im Folketing, dem dänischen Parlament, auch das Verständnis, dass sich Dänemark nur in Teilen an der EU-weiten Polizeizusammenarbeit beteiligt. Doch das Volk will es so. Peter Nedergaard findet, die europäischen Partner sollten für diese und andere dänischen Eigenheiten Verständnis haben:
    "Es wird im übrigen Europa oft vergessen, dass Dänemark nicht allein aus Dänemark besteht, sondern auch aus den autonomen Färöer-Inseln und Grönland – beide sind der Verfassung nach gleichberechtigte Teile des Königreiches. Aber weder die Färöer noch Grönland sind Teil der EU. Nur Dänemark ist es – aber eben mit Vorbehalten."
    Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen in einer Aufnahme vom Mai 2018. Er steht auf einem offenen Platz und spricht zur Presse.
    Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen (imago/Francis Joseph Dean/Deanpictures)
    Konsens in der Flüchtlingspolitik
    Zu den dänischen Alleingängen kann auch die Wiedereinführung der Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland gezählt werden, beschlossen vor drei Jahren, als viele Flüchtlinge über Deutschland gen Norden weiterzogen. Seitdem hat zwar auch in Dänemark die Zahl der Asylsuchenden drastisch abgenommen, eine Aufhebung der Grenzkontrollen steht dennoch nicht zur Debatte.
    Im Gegenteil: Die rechtskonservative Partei 'Dansk Folkeparti' forderte Anfang Januar, auch an der Grenze zu Schweden wieder die Pässe zu kontrollieren. Schuld daran trage die deutsche Bundeskanzlerin Merkel und ihre vermeintliche Grenzöffnung für hunderttausende Flüchtlinge im September 2015. Diese Ansicht sei über Parteigrenzen hinweg im Land weit verbreitet, sagt Peter Nedergaard:
    "Diese Entscheidung war nicht im Einklang mit dem internationalen Recht. Ein Land trifft eine plötzliche Entscheidung zur Grenzöffnung und setzt damit andere Länder unter Druck. Es hätte über diese Frage vorher Verhandlungen unter den betroffenen Ländern geben müssen. Das ist die Meinung der meisten Dänen und auch sehr vieler politischer Entscheidungsträger."
    Makler Schultz Thimsen aus Aabenraa würde angesichts eines schwächelnden dänischen Immobilienmarktes gerne auch an Ausländer verkaufen. Dänen kauften ja auch Ferienhäuser in Spanien. Ein Vorschlag, das Verkaufsverbot abzuschaffen, scheiterte aber zuletzt 2016 im dänischen Parlament. Das wüssten nur viele deutsche Dänemark-Urlauber nicht: "Manchmal klopfen die doch an und fragen. Und dann müssen wir leider die dänischen Regeln erklären. So ist das halt."