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EU-Ökoverordnung
"Vorschläge der Kommission sind praxisfremd"

Jan Plagge, Vorstand im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, hält nichts vom Reformansatz für die EU-Ökoverordnung. Die Regelungen seien praxisfremd und dienten allein der Stärkung des Verbrauchervertrauens in Bioprodukte - unnötig, meint Plagge, denn das Problem sei nicht das Vertrauen der Verbraucher, sondern der Bauern.

Jan Plagge im Gespräch mit Georg Ehring | 29.07.2015
    Frisch geerntete Cocktailtomaten und junge Möhren als Bio-Erzeugnis
    Frisch geerntete Cocktailtomaten und junge Möhren als Bio-Erzeugnis (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    Georg Ehring: Immer mehr Menschen möchten Lebensmittel aus ökologischem Anbau, aber warum soll Bio eigentlich besser sein als Lebensmittel ohne Siegel? Die EU-Kommission will das Profil dieser besonders hochwertigen Lebensmittel schärfen, und sie will deshalb die Ökoverordnung reformieren. Gerade in Deutschland geht es der Ökobranche nicht gut, letztes Jahr ist die biologisch bewirtschaftete Fläche nach jahrzehntelangem Wachstum sogar geschrumpft. Telefonisch bin ich jetzt mit Jan Plagge verbunden, dem Geschäftsführer des Anbauverbandes Bioland und Vorstand im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Guten Tag, Herr Plagge!
    Jan Plagge: Guten Tag, Herr Ehring!
    Ehring: Herr Plagge, kann eine reformierte Ökoverordnung denn das Vertrauen der Verbraucher stärken und wieder für Wachstum sorgen bei der Biolandwirtschaft?
    Plagge: Das Vertrauen der Verbraucher ist ja unser geringstes Problem, weil der Ökomarkt und die Nachfrage der Verbraucher wächst von Jahr zu Jahr, zum Teil über zehn Prozent wachsen die Umsätze mit Biolebensmitteln. Wir können eigentlich in keinem Bereich feststellen, dass es uns an Vertrauen in die Biobauern mangelt. Unser größtes Problem ist das Vertrauen der Bauern in eine Umstellung auf Biolandwirtschaft in Deutschland. Da haben wir das Hauptproblem, dass die Hürden sehr hoch sind und dass die Rahmenbedingungen für viele Betriebe aktuell nicht passen, umzustellen.
    Bioenergie und Viehwirtschaft bremsen Ökolandwirtschaft
    Ehring: Warum stellen die Betriebe nicht um, sie hätten da doch eigentlich ganz gute Absatzchancen?
    Plagge: Genau. Also der Markt wächst, die Absatzchancen sind da und der Markt ist ja vor der Haustür – warum stellen viele Betriebe nicht um? In den letzten Jahren wurde vor allen Dingen über die Bioenergie- oder die Agroenergie-Förderung sehr viel Geld in den Ausbau der Maisflächen und der Biogasanlagen gesteckt, sehr viel öffentliches Geld ist dort festgelegt, und die Förderung für den Agroenergie-Mais, der trägt unter anderem dazu bei, dass sehr viel Fläche damit belegt ist, dass die Pachtpreise gestiegen sind und dass weniger Land für die Umstellung auf Ökolandwirtschaft zur Verfügung steht.
    Der zweite Bereich ist, dass in den letzten zehn Jahren die Tierhaltung sich in Deutschland extrem intensiviert hat, sehr viele Betriebe aufgestallt haben, die brauchen auch Land, und dadurch sind insgesamt die Pachtpreise gestiegen, und das ist ein wesentlicher Grund, warum die Bedingungen für die Biobauern schlechter in Deutschland geworden sind.
    Ehring: Die EU will aber ihre Ökoverordnung ändern, das Profil der Ökolebensmittel schärfen, was halten Sie denn davon?
    Plagge: Ja, mit dem Ansatz der Ökoverordnung, was die Kommission vorschlägt, da halten wir überhaupt nichts davon, weil die EU-Kommission geht davon aus, wie Sie eingangs gesagt haben, dass Verbrauchervertrauen gesichert oder ausgebaut werden muss, das ist aber ein Widerspruch in sich. Wenn immer mehr Verbraucher Bioprodukte kaufen wollen, dann ist das ja gerade ein Kennzeichen eines hohen Vertrauens in unsere Produkte. Und sie schlägt Regeln vor, die gerade die hiesigen Bauern – ich bin gerade auf einem Biolandhof in Oberschwaben mit Geflügelhaltung und Ackerbau –, die diese Betriebe nicht einhalten können oder die für sie auch nicht mehr praktikabel sind. Also was die Kommission vorschlägt, ist im Großen und Ganzen praxisfremd, ist nicht machbar, und dagegen wehren wir uns.
    Abdrift von Pestiziden wird Biobauern angelastet
    Ehring: Können Sie da ein Beispiel nennen, was praxisfremd ist?
    Plagge: Praxisfremd ist, dass man zum Beispiel die Biobauern, hier die Obstbauern am Bodensee, wo ich gerade bin, dass man die Bioobstbauern dafür verantwortlich machen will, was ihre konventionellen Nachbarn an Pestiziden ausbringen. So soll der Biobauern dafür haften, wenn geringste Spuren von konventionellen chemischen Pflanzenschutzmitteln auf eine Biofläche abwehen, dass dafür dann die Biobauern zahlen müssen. Das leuchtet keinem meiner Kollegen ein, und das ist eine Vorgabe, gegen die wir uns am massivsten wehren.
    Ehring: Und sehen Sie da Erfolg inzwischen?
    Plagge: Ja, zum Glück hat unser Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der sieht das ganz genau so, und auch jetzt hier der Unionsabgeordnete aus dem Wahlkreis, Norbert Lins, der im Europäischen Parlament sitzt, mit dem ich gerade gesprochen habe, die sehen das zum Glück alle genauso. Die wollen auch mehr Biolandbau in Deutschland, die wollen aber auch sicherstellen, dass konventionelle Bauern und Biobauern eine gute Nachbarschaft pflegen können und sich auch gemeinsam weiterentwickeln können und auch das Problem der Abdrift von Pestiziden auch gemeinsam angehen und lösen können und nicht mit irgendwelchen praxisfremden Regeln aus Brüssel.
    Ehring: Herzlichen Dank! Das war Jan Plagge von Bioland und auch Vorstand im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft zum Thema EU-Ökoverordnung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.