Zur Debatte um Olaf Scholz

"Politiker sind reich"

05:08 Minuten
Ein inszeniertes Porträt von Olaf Scholz. Er wird in einem dunklen Raum nur von einem Spotlicht angeleuchtet.
Als Finanzminister sollte Olaf Scholz wissen, dass er in Deutschland zu den Einkommensreichen gehört, meint die Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld. © laif / Daniel Hofer
Ursula Weidenfeld im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 06.10.2020
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Viel Kritik gab es für Olaf Scholz, als er sich im Interview als nicht reich bezeichnete, trotz 15.000 Euro Gehalt. Man könne ja darüber reden, ob Politiker fair bezahlt würden, meint Ursula Weidenfeld. Aber im Bevölkerungsvergleich seien sie reich.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kommt auf gut 15.000 Euro Gehalt im Monat – aber reich? Nein, das sei er nicht. Auch der Millionär und CDU-Politiker Friedrich Merz will nicht reich genannt werden, sondern bezeichnet sich als Mitglied der gehobenen Mittelschicht.
Sind einigen Politikern hier schlicht die Maßstäbe verlorengegangen?
"Tatsächlich ist es so, dass sich kaum jemand selbst als reich empfindet", sagt die Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld. "Weil man sich immer an denen orientiert, die noch mehr verdienen oder noch mehr Geld haben als man selber."

Nur sieben Prozent gehören zu Einkommensreichen

Als Finanzpolitiker sollte man es allerdings besser wissen, meint die Wirtschaftsjournalistin und betont: "Wer mehr als ungefähr 4000 Euro netto im Monat hat, gehört zu den [Einkommens-]Reichen, und als Finanzminister gehört man dazu."
Im Gegensatz zur Tendenz, den Grad des eigenen Reichtums zu unterschätzen, steht Weidenfeld zufolge die Neigung vieler, den Reichtum anderer zu überschätzen. So glaubten nach Umfragen die Deutschen, dass ungefähr 20 Prozent hierzulande reich sein. In Wirklichkeit gehörten aber nur sieben Prozent zu den Einkommensreichen.
Dem Argument, dass Politiker sich möglicherweise deshalb nicht für reich halten, weil sie für ihr Geld sehr viel Arbeit leisten, widerspricht Weidenfeld:
"Die Tatsache, dass jemand viel arbeitet, sagt nichts über sein Einkommen aus. Es gibt viele Menschen, die arbeiten 40, 50, 60 Stunden in der Woche auch sehr, sehr hart und verdienen deutlich weniger und sind noch nicht einmal im Durchschnittseinkommen."

Einkommensrechner zeigt, wie reich man im Vergleich ist

Insofern könne man zwar darüber reden, ob Politiker fair bezahlt würden. "Aber man kann nicht darüber reden, ob sie im Vergleich zu vielen anderen, nämlich zu 93 Prozent der deutschen Bevölkerung, eher reich oder weniger reich sind. Sie sind reich!"
Wer wissen will, wo er selbst mit seinem Einkommen im Vergleich zu anderen in Deutschland dasteht, dem empfiehlt Weidenfeld den Einkommensrechner des Instituts der Deutschen Wirtschaft:
"Da kann man eingeben, wie viel man verdient und dann weiß man hinterher, ob man reich ist."
(uko)

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin, Kolumnistin und Moderatorin in Berlin. Sie studierte Wirtschaftsgeschichte, Germanistik und Volkswirtschaft an den Universitäten Bonn und München und wurde in Bonn mit einer Arbeit über die Wirtschaftspolitik in der Ära Adenauer-Erhard promoviert.

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