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EU-Parlament debattiert Wilders-Webseite

Das Europäische Parlament hat die niederländische Regierung aufgefordert, sich von einer rassistischen Pranger-Webseite der populistischen Freiheitspartei PVV von Geert Wilders zu distanzieren. Auf einer Webseite ruft die PVV zur Denunziation von Osteuropäern auf. Die Wilders-Partei toleriert die Regierungskoalition aus Liberalen und Christdemokraten.

Von Doris Simon | 14.03.2012
    Eigentlich ging es um Geert Wilders, den Parteichef der populistischen Freiheitspartei PVV in den Niederlanden, und um deren Webseite, die zu Beschwerden über Bürger aus dem Osten der EU auffordert. Tatsächlich aber fand sich in Straßburg die niederländische Regierung auf der Anklagebank wieder: In einer Resolution forderten fünf Fraktionen im Europaparlament den liberalen Premier Marc Rutte und seinen christdemokratischen Koalitionspartner auf, die aufhetzende Webseite zu verurteilen und zu überprüfen, ob die Politik der Wilders-Partei nicht europäischen Grundwerten widerspricht. Von Rassenhass und Diskriminierung sprach Joseph Daul, der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, der auch CDU und CSU angehören:

    "Das ist eine ernste Sache, aber für den niederländischen Ministerpräsidenten anscheinend nicht ernst genug, um mit uns darüber zu debattieren. Ich bedauere aber vor allem, dass der niederländische Ministerpräsident sich weigert, sich klar abzusetzen von einer Webseite, die rassistisch, gewalttätig und verlogen ist."

    "Meldestelle Mittel- und Osteuropäer" heißt die umstrittene Webseite der Wilders-Partei PVV. Dort wird behauptet, die Arbeitsimmigration von Bürgern aus dem Osten der Europäischen Union, besonders aus Polen, habe zu vielen Problemen in den Niederlanden geführt. Dann folgen Fragen: Haben Sie Ärger mit Osteuropäern? Oder deretwegen Ihre Arbeit verloren? Anonym lassen sich die Klagen auf einem Formular spezifizieren: Probleme mit Falschparkern, mit Lärm, Verschmutzung, Trunkenheit von Osteuropäern. Seine Partei laufe nicht weg vor den Problemen der Menschen wie alle anderen, verteidigte ein Europaabgeordneter der Wilders-Partei die Webseite, seine Partei höre den Bürgern zu.

    Für das Europaparlament, den rechten Rand einmal ausgenommen, überschreitet die Webseite allerdings klar die Grenzen der freien Meinungsäußerung und des Erlaubten. Daher könne die niederländische Koalition nicht einfach weiter auf die Unterstützung des unberechenbaren Wilders für den Fortbestand der Regierung setzen, sagte Hannes Swoboda, der Fraktionschef der Sozialdemokraten:

    "Und wenn es vielleicht keine formal geschlossene Ehe ist, vielleicht nur ein Konkubinat: Das ist eine Beziehung, die sind gemeinsam in einem Bett, immer wieder, und das sollte eigentlich nicht der Fall sein mit einer Partei, die eine solche Webseite veröffentlicht."

    Als falsch bezeichnete die niederländische Christdemokratin Ria Oomen-Ruijten den Vorwurf auf der Wilders-Webseite, die offenen Grenzen und die Bewegungsfreiheit der Menschen innerhalb der EU verursachten nur Probleme: Sei es nicht eher so, dass die Niederlande erst durch die offenen Grenzen so wohlhabend geworden seien?

    Die grüne niederländische Europaabgeordnete Marije Cornelissen sagte, wenn gegen Gesetze verstoßen werde, dann sei das ein Fall für die Polizei und nicht für die Wílders-Partei. Cornelissen erinnerte an den deutschen Film "Das Leben der Anderen", der die Bespitzelung von DDR-Bürgern zeigt, und forderte, mehr Niederländer sollten sich diesen Film ansehen:

    "Denn dann würden sie verstehen, wie unglaublich verletzend es ist für Menschen, die hinter dem Eisernen Vorhang gelebt haben, dass es nun eine Meldestelle gibt, die Bürger auffordert, andere Bürger anzuzeigen."

    EU-Justizkommissarin Viviane Reding bezeichnete es als schlicht nicht hinnehmbar, dass EU-Bürger zur Zielscheibe von Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz würden, nur weil sie von ihrem Grundrecht Gebrauch gemacht hätten, sich in einem anderen Mitgliedsland niederzulassen. Auch Reding sieht jetzt die niederländische Regierung am Zug:

    "Für die Europäische Kommission fordere ich die niederländische Regierung auf, genau zu überprüfen, ob diese Webseite gegen niederländisches Recht verstößt, und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen."