Freitag, 19. April 2024

Archiv

EU-Politiker Ferber
"Viele wenden sich angewidert von der CSU ab"

Die CSU beschäftigt sich derzeit nicht nur mit den Sondierungen in Berlin, sondern auch mit internen Machtkämpfen. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber zeigte sich im Dlf enttäuscht darüber. Es sei vereinbart gewesen, bis zum kommenden Wochenende Ruhe zu geben, sagte er im Dlf.

Markus Ferber im Gespräch mit Dirk Müller | 13.11.2017
    Der CSU-Politiker Markus Ferber
    Der CSU-Politiker Markus Ferber (imago / reportandum)
    Die parteiinternen Probleme sollten nicht verdrängt, sondern lediglich bis zum Abschluss der Sondierungen verschoben werden, so Ferber. Es sei aber offenbar schwierig, alle Gruppierungen in der Partei zu motivieren, sich an die Abmachung zu halten. Ferber kritisierte anonyme Aussagen von Parteimitgliedern über die internen Uneinigkeiten gegenüber den Medien. In der Öffentlichkeit würden sie sich das nicht trauen, sagte er. "Ich gebe wenig darauf".
    Die CSU müsse sich mit dem schlechten Wahlergebnis befassen. "Wir müssen klarer werden in der Aussage, dass wir nicht für jeden ein Angebot haben müssen", so Ferber. Es gebe keine eindimensionale Antwort auf die Probleme. Bei der Bundestagswahl im September hatte die CSU viele Wähler verloren. Laut Ferber vor allem an die Gruppe der Nichtwähler, die FDP und die AfD.
    Im kommenden Jahr sind in Bayern Landtagswahlen. Ministerpräsident Horst Seehofer wird nicht noch mal antreten. Für seine Nachfolge sind mehrere Personen im Gespräch, als ein Favorit gilt Bayerns Finanzminister Markus Söder. Er ist parteiintern jedoch umstritten.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Wieder eine Marathonsitzung, wieder Jamaika-Sondierungen in kleiner Runde mit den Spitzen der Parteien, gestern an einem Sonntag. Keine Atempause für die potenziellen Partner, was auch daran liegt, dass die Beteiligten seit Wochen in vielen Feldern noch über Kreuz liegen, nicht nur in der Flüchtlingspolitik. Beratungen gestern bis 23 Uhr. Sieben Stunden lang hat das Ganze gedauert.
    Wir bleiben beim Thema Jamaika-Sondierungen und bei der Koalition. Das ist schon verflixt, vor allem auch für die CSU. Da wird sie in Berlin von den Grünen und von den Liberalen heftig attackiert, sich nicht genügend zu bewegen bei diesen Sondierungsgesprächen. Da scheint eine Personalfrage doch immer mehr in den Vordergrund zu rücken, die auch unmittelbare Auswirkungen auf die Richtung der CSU in Berlin hat. Soll und kann Horst Seehofer weitermachen, als Parteichef, als Ministerpräsident, oder soll es Markus Söder in die Hand nehmen, vielleicht sogar Manfred Weber, einige erwähnen auch Alexander Dobrindt. Viele Namen, die genannt werden, und auch wieder Ilse Aigner, Chefin des wichtigsten Bezirks Oberbayern. Ilse Aigner spricht von einem katastrophalen Bild, das die Partei zurzeit liefert. "Die Menschen bekommen das Gefühl, uns interessieren nur unsere Politikerkarrieren", sagt Ilse Aigner gestern der "Welt am Sonntag".
    Weitgehend frei von hierarchischen Karriereplänen, so habe ich das jedenfalls bislang verstanden, innerhalb seiner Partei ist Markus Ferber, Europaparlamentarier und Vorstandsmitglied der CSU. Guten Morgen!
    Markus Ferber: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Ferber, wie schnell muss die Seehofer-Frage gelöst werden?
    Ferber: Jetzt müssen wir zunächst mal die Sondierungsfrage klären, weil wir müssen ja wissen, wie es in Deutschland weitergeht, und erst wenn diese Frage sauber beantwortet ist – so haben wir das auch in allen Gremien besprochen -, werden wir uns mit unseren parteiinternen Dingen beschäftigen. Wir haben im nächsten Jahr eine Landtagswahl und es ist, glaube ich, in Deutschland bekannt, dass für die CSU die Landtagswahl von ganz entscheidender Bedeutung ist. Deswegen geht es darum, die bestmögliche Formation dafür zu finden. Das wird aber nicht gelingen, wenn wir in Berlin nicht einen ordentlichen Job machen.
    "Seehofer kann kraftvoll CSU-Interessen vertreten"
    Müller: Und Horst Seehofer ist da der Richtige, jetzt das zu verhandeln, was er hinterher vielleicht nicht mehr zu verantworten hat?
    Ferber: Nein, darum geht es überhaupt nicht, sondern es geht jetzt wirklich darum, das was wir gemeinsam als Partei verabredet haben – das Wahlprogramm ist ja keine Einzelleistung von Horst Seehofer, sondern eine Gemeinschaftsleistung, die wir miteinander erarbeitet haben im Vorstand, die wir miteinander auch tragen -, das jetzt bestmöglich umzusetzen.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht vor Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, einer Mitarbeiterin (Parteizugehörigkeit unbekannt), Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender, Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen (verdeckt) und Horst Seehofer, CSU-Parteivorsitzender am 07.11.2017 im Bundestag in Berlin zu einer weiteren Verhandlungsrunde der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Regierung aus CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen.
    Horst Seehofer könne CSU-Interessen bei den Sondierungsgesprächen kraftvoll vertreten, unterstrich Ferber im Dlf. (dpa-Bildfunk / Michael Kappeler)
    Und wenn Sie sich die bisherigen Verhandlungsrunden anschauen, dann hat Horst Seehofer schon bewiesen, dass er in der Lage ist, hier kraftvoll CSU-Interessen zu vertreten. Es geht nicht darum, ihn jetzt einen Job machen zu lassen und dann zu sagen, er hat seinen Dienst getan, Dankeschön, sondern für die CSU eine bestmögliche Aufstellung für das Wahljahr 2018 zu finden.
    Müller: Das heißt, Sie werden ihn weiter unterstützen?
    Ferber: Es geht darum, dass wir jetzt miteinander zunächst mal das eine tun, und dann werden wir das andere tun. Dafür haben wir einen Zeitplan verabredet. Und ich teile die Aussage von Frau Aigner: Wir müssen da jetzt alle ein bisschen uns zurücknehmen. Deswegen will ich da heute am Montag nicht über Dinge reden, die am Samstag bei uns im Vorstand auf der Tagesordnung stehen.
    "Ich weiß sehr genau, wie ich mich verhalten will"
    Müller: Weil Sie sich auch noch nicht so richtig klar darüber sind, wie Sie sich verhalten wollen?
    Ferber: Herr Müller! Ich weiß sehr genau, wie ich mich verhalten will, aber das werde ich nicht im Deutschlandfunk bekanntgeben, sondern am Samstag dann im Parteivorstand da sehr intensiv drüber reden.
    Müller: Ilse Aigner sagt, ein katastrophales Bild, was die Partei im Moment abgibt. Stimmt das?
    Ferber: Ich glaube schon, dass momentan viele gerade in Bayern sich nicht mehr amüsieren, sondern angewidert von der CSU abwenden und dieses Spektakel nicht mehr sehen wollen. Ich bin da auch etwas enttäuscht, weil wir hatten verabredet, bis zum nächsten Wochenende jetzt Ruhe zu geben, auch nach innen beruhigend zu wirken. Die Dinge werden nicht vergessen, nicht verdrängt, aber zunächst mal verschoben, und es ist doch sehr schwierig scheinbar, da alle Gruppen und Grüppchen in der Partei zu motivieren, das auch so zu tun.
    "Die meisten Wähler an die Nichtwähler verloren"
    Müller: Sie sind ja richtig verärgert.
    Ferber: Was heißt richtig verärgert? Man muss sich ja überlegen, was wollen wir am Ende erreichen. Für mich ist entscheidend, dass wir im nächsten Jahr gut aufgestellt in die Landtagswahl marschieren, mit einer Mannschaft, die in der Lage ist, den Menschen in Bayern zu zeigen, jawohl, die CSU hat verstanden, die CSU ist in der Lage, die Probleme zu lösen. Und wir müssen dann natürlich schon das Wahlergebnis uns ganz genau anschauen. Wir haben in Bayern die meisten Wähler an die Nichtwähler verloren, die zweitmeisten an die FDP und erst die drittmeisten an die AfD, und deswegen ist eine eindimensionale Antwort die völlig falsche Antwort.
    Müller: Jetzt sagen Sie, Herr Ferber, wir sollten uns an die Absprache halten, jetzt nichts öffentlich zu debattieren, sondern erst mal arbeiten und dann entscheiden. Aber Sie haben jetzt gerade gesagt, Sie ärgern sich darüber, dass viele nicht in diesem Konsens oder wie auch immer, in dieser Regelung bleiben. Wer spielt denn im Moment faul?
    Ferber: Ach, Herr Müller, ich mach‘ jetzt auch hier keine Schelte von einzelnen Personen. Das sind eine Reihe von Ereignissen …
    Ferber verurteilt Auftreten "anonymer Gruppen" in den Medien
    Müller: Sie Sagen Gruppierungen. Kennen wir die Gruppierungen? Sind das Geheimbünde?
    Ferber: Zunächst mal: In der Öffentlichkeit treten ja nur immer anonyme Gruppen auf. Die einzigen, die sich richtig positioniert haben, aber wahrscheinlich auch, weil sie verärgert waren wegen der kurzfristigen Absage, war die Junge Union. Aber wenn ich die Zeitungen aufschlage und dann heißt es, in irgendwelchen Vorständen, in irgendwelchen Parlamentariergruppen haben irgendwelche Leute, die nicht genannt werden wollen, etwas gesagt, das trägt ja nicht zur Verbesserung des Klimas bei.
    Müller: Haben die Journalisten das behauptet, oder ist das wirklich so?
    Ferber: Herr Müller! Sie wissen doch ganz genau, wie das funktioniert. Da ist man gerne bereit, ohne dass der eigene Name genannt wird, große heldenhafte Aussagen zu treffen. Wenn es dann konkret wird, ist der Heldenmut sehr gering, und deswegen gebe ich da wenig drauf.
    Müller: Aber dieser Unmut über Horst Seehofer ist ein Fakt?
    Ferber: Wir haben natürlich schon eine Herausforderung zu bewältigen, weil Fakt ist, dass die CSU bei der Bundestagswahl ein unterproportionales Ergebnis gebracht hat. Darüber muss zu reden sein. Das ist nach der Europawahl jetzt das zweite Mal, dass wir im Verhältnis zum CDU-Ergebnis unter unseren Möglichkeiten bleiben, und darüber muss man reden.
    "Eine eindimensionale Antwort ist nicht die Lösung"
    Müller: Weil der Chef ein bisschen undurchsichtig und inkonsequent agiert hat, oder, wie Sie eben sagen, weil die Partei die falschen Beschlüsse für den Wahlkampf beschlossen hat?
    Ferber: Nein. Ich glaube, dass wir etwas klarer in der Aussage werden müssen, dass wir nicht für jeden ein Angebot in unserem Wahlprogramm haben müssen. Das haben wir sowohl bei der Europawahl als auch bei der Bundestagswahl gemeinsam so verabredet. Da wird man insgesamt drüber reden müssen. Ich glaube nicht, dass auch hier eine eindimensionale Antwort, einer ist schuld und wenn das Problem gelöst ist, dann sind alle Probleme gelöst, dass das die richtige Antwort ist. Die Probleme liegen viel, viel tiefer.
    Welche Rolle wird Markus Söder spielen?
    Müller: Ich kann es nicht lassen. Sie wissen das, Markus Ferber. Immer, wenn wir beide miteinander reden.
    Ferber: Ja, ich weiß das, Herr Müller. Sie sollen nicht aufgeben, aber ich werde auch nichts sagen.
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (l) und der bayerische Finanzminister Markus Söder unterhalten sich am 18.07.2016 in München (Bayern) vor Beginn der CSU Vorstandssitzung.
    Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (l) und einer seiner potentiellen Nachfolger, der bayerische Finanzminister Markus Söder. (dpa/Sven Hoppe)
    Müller: Das ist ganz klar. Aber ich muss noch mal was in Erfahrung bringen. Was halten Sie denn von Markus Söder?
    Ferber: Markus Söder und ich, wir kennen uns seit fast 30 Jahren. Wir sind miteinander in der Jungen Union groß geworden. Wir sind ungefähr gleich alt. Ich bin ein bisschen älter wie er. Also wir kennen uns sehr, sehr gut. Wir wissen von jedem die Stärken und Schwächen. Und ich glaube, dass der Markus Söder einer ist, der jetzt auch mit gefordert ist, einen Beitrag dazu zu leisten, dass wir in eine beste Formation kommen.
    Müller: Wenn Markus Söder uns jetzt zugehört hat, weiß er nicht, was Sie meinen. Was soll er denn machen?
    Ferber: Markus Söder weiß selber ganz genau, was er zu tun hat. Der braucht von mir keine Ratschläge über den Deutschlandfunk.
    Müller: Dann warten wir auf die kommenden Tage und Wochen. Vielen Dank! – Markus Ferber, Europaparlamentarier und Vorstandsmitglied der CSU. Danke, dass Sie wieder Zeit für uns gefunden haben. Einen schönen Tag noch.
    Ferber: Gerne, Herr Müller.
    Müller: Auf Wiederhören.
    Ferber: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.