Donnerstag, 28. März 2024

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EU-Politikerin lehnt Kompromisse bei SWIFT-Verhandlungen ab

Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel lehnt eine Lockerung des Datenschutzes beim SWIFT-Abkommen mit den USA ab. Effektive Terrorismusbekämpfung sei auch mit einem "sehr guten Datenschutz" möglich.

24.03.2010
    Bettina Klein: Einen Monat nach dem Scheitern des SWIFT-Abkommens zur Weitergabe von Bankdaten an die USA unternimmt die EU heute einen neuen Anlauf. Die zuständige Kommissarin will ein neues Mandat für die Aufnahme von Verhandlungen vorschlagen. Im Februar hatte das Europaparlament bekanntlich einen fertig ausgehandelten Vertrag zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten gekippt. Die Abgeordneten bemängelten damals vor allem den fehlenden Datenschutz und fühlten sich übergangen.
    Wir bleiben beim Thema und wir bleiben in Brüssel. Dort begrüße ich am Telefon die sozialdemokratische Europaabgeordnete Birgit Sippel. Guten Morgen!

    Birgit Sippel: Schönen guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Wissen Sie denn, was genau die EU-Kommissarin heute vorschlagen wird?

    Sippel: Im Detail natürlich nicht, weil uns die Kommission leider das Papier im Vorfeld nicht zugeleitet hat, aber, wie das im Vorbericht (Audio) ja schon deutlich wurde, es gibt die Zusage, dass man die Datenmenge begrenzen will. Da bin ich gespannt, welche Vorschläge die Kommission hat, wie das geschehen soll, denn bisher ist uns immer mitgeteilt worden, dass die Firma SWIFT gar nicht in der Lage sei, technisch nicht in der Lage sei, bestimmte Daten herauszuziehen. Das wird also noch eine spannende Geschichte sein.

    Klein: Aber dass es dazu kommt, dass die Datenmenge begrenzt werden wird, davon gehen Sie dennoch aus?

    Sippel: Na ja, wie ich schon gesagt habe: Der gute Wille scheint da zu sein, übrigens auch aufseiten der Amerikaner. Allerdings glaube ich, dass man gut beraten ist, sich im Vorfeld der Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten darüber klar zu sein, in welcher Weise das denn funktionieren kann. Es gibt wohl die Bereitschaft zu sagen, dass sogenannte Sepa-Daten nicht übertragen werden. Das sind die reinen Inlandsüberweisungen. Das wäre natürlich schon mal ein Fortschritt. Inwieweit man auch andere Daten begrenzen kann, damit wirklich nur Geldtransfers von verdächtigen Personen übertragen werden, das wäre natürlich ein deutlich weiterer Fortschritt.

    Klein: Sie waren kürzlich als Europaparlamentarierin mit einer Delegation Ihrer Fraktion in Washington, um zu ergründen, inwiefern die amerikanische Seite kompromissbereit ist. Wo haben Sie Kompromissbereitschaft erkennen können?

    Sippel: Vor allem haben wir erst mal eine Gesprächsbereitschaft erkennen können. Das sagt natürlich noch nichts über die Verhandlungspositionen aus. Was deutlich geworden ist, ist, dass die US-Amerikaner erkannt haben, dass sie auch mit dem Europäischen Parlament reden müssen, dass da ein weiterer Beteiligter ist, den man ernst nehmen muss. Inwieweit sich das tatsächlich auf die Verhandlungspositionen auswirkt, muss man abwarten. Es gab die erkennbare Bereitschaft zu sagen, auch wir haben ein Interesse daran, die Menge der Daten möglicherweise zu begrenzen, weil das unübersichtlich wird, aber auch da gab es noch keine Hinweise, wie das tatsächlich umgesetzt werden soll.

    Klein: Aber bei den Grundsatzfragen, Frau Sippel, hat sich ja eigentlich nichts geändert, an den grundsätzlichen Erfordernissen aus Sicht der USA und den Bedenken Europas auf der anderen Seite. Mir ist noch nicht ganz klar geworden, wie ein neuer Anlauf jetzt die Probleme wirklich bewältigen kann.

    Sippel: Na ja, grundsätzlich ist es natürlich richtig, dass man bei tatsächlich terrorverdächtigen Personen, wo es eindeutige Belege gibt, die stehen unter Verdacht, auch den Geldtransfer untersuchen muss. Das Problem ist: Bin ich in der Lage, tatsächlich nur die Geldtransfers dieser bestimmten Personen oder Organisationen zu untersuchen, oder muss ich tatsächlich die Daten aller Bürger, so sage ich mal, an die USA geben, wo ich dann keine Kontrolle mehr darüber habe, was vor Ort in den USA mit den Daten geschieht. Das ist ja ein ganz großes Problem. Also Reduzierung der Datenmenge auf wirklich verdächtige Personen ist die eine Forderung, die bisher nicht umgesetzt ist, dann eine verstärkte Kontrolle, was passiert vor Ort in den USA mit den Daten, und es ist natürlich auch immer noch die Frage, wenn Daten tatsächlich nicht benötigt werden, oder man stellt fest, eine verdächtige Person kann man jetzt doch ausschließen aus dem Terrorismusverdacht, warum müssen solche Daten dann noch fünf Jahre gespeichert werden, wie das in dem alten Abkommen vorgesehen war. Da müssen sicher auch noch mal andere Löschfristen eingeführt werden.

    Klein: Sie haben jetzt Forderungen genannt, wo Sie sagen, da müssen die USA sich bewegen. Wo sind Sie denn als Europaparlamentarier bereit, auf gewisse Datenschutzbestimmungen möglicherweise zu verzichten?

    Sippel: Ja, gar nicht!

    Klein: Also die Amerikaner müssen sich bewegen, sonst gibt es kein Abkommen?

    Sippel: Ich glaube schon, dass man eine effektive Terrorismusbekämpfung machen kann mit einem sehr guten Datenschutz. Wir haben vorgeschlagen – und ich glaube schon, dass die Kommission das aufnehmen wird -, dass ein wichtiger Aspekt ist, dass man zunächst nicht bei SWIFT, sondern bei einer öffentlichen Behörde prüft, ob die Daten, die die USA tatsächlich überprüfen wollen, ob es sich hier wirklich um terrorismusverdächtige Personen handelt. Das wäre für uns schon eine zusätzliche Absicherung, um zu sagen, okay, in dem Fall müssen natürlich auch Finanzdaten überprüft werden. Das passiert bei uns in der ganz allgemeinen Polizeiarbeit ja auch. Das ist der eine Punkt.
    Der andere Punkt ist: Wie kann ich, wenn die Daten dann in den USA sind, sicherstellen, dass tatsächlich nur diese relevanten Daten überprüft werden. Derzeit ist es zum Beispiel so – das haben die Gespräche in den USA auch noch mal belegt -, dass ein Mitarbeiter von SWIFT noch mal prüft, ob wirklich nur Daten von terrorismusverdächtigen Personen getestet werden. Das halte ich schlicht für ein Unding, dass ein Mitarbeiter eines privaten Bankunternehmens diese Gegenkontrolle vornimmt. Hier wäre es sicher hilfreich, wenn da ein Mitarbeiter einer Behörde aus Europa diese Überprüfung noch mal übernehmen würde.

    Klein: Aber es bleibt dabei: Entweder die amerikanische Seite bewegt sich und geht auf das Europaparlament zu, oder es wird kein neues SWIFT-Abkommen geben?

    Sippel: Da gehe ich von aus, wobei ich gar nicht darauf bestehen würde, dass man dem Europäischen Parlament entgegenkommt, sondern es geht ja tatsächlich um die Einhaltung von Bürgerrechten und von Datenschutzbestimmungen. Und ich glaube, eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir ein wirklich verbessertes Abkommen hinbekommen – und nur einem wirklich verbesserten Abkommen könnten wir als Parlament zustimmen -, ist der Punkt, der in Ihrem Vorbericht anklang, dass natürlich auch die Mitgliedsstaaten gut beraten wären, sich im Vorfeld wirklich auf eine gemeinsame Verhandlungslinie zu einigen, um mit klaren Positionen in die Verhandlungen zu gehen, weil ich sicher bin, auch wenn die USA auf ihrer Position beharren, wenn die merken, die Europäer sprechen mit einer Stimme, die haben eine klare und klar begründete Linie, nur dann werden sich die USA auch tatsächlich bewegen und bereit sein, auf ihrer Seite noch mal Veränderungen vorzunehmen.

    Klein: Und wir halten fest: Diese klare, einheitliche Linie gibt es weiterhin nicht?

    Sippel: Na ja, sie war in der Vergangenheit bei den Verhandlungen aufseiten des Rates nicht immer in allen Punkten erkennbar. Inwieweit sich da jetzt etwas verändert hat, kann ich aus eigener Anschauung natürlich nicht beurteilen, weil wir bei den Ratssitzungen nicht dabei sind. Ich erkenne den Willen, eine solche gemeinsame Linie zu entwickeln, und wir werden sicher anhand des Verhandlungsmandates, das heute vorgestellt wird, und anhand der Diskussionen, die der Rat daraufhin führt, sehen, ob diese Linie dann tatsächlich da ist.

    Klein: Neuer Anlauf für ein neues SWIFT-Abkommen in Brüssel heute. Das war die sozialdemokratische Europaabgeordnete Birgit Sippel. Ich bedanke mich für das Gespräch.

    Sippel: Schönen Dank, Frau Klein. Schönen Tag noch.

    Hintergrund:
    SWIFT-Abkommen auf Website des Bundesfinanzministeriums