Freitag, 19. April 2024

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EU-Politikerin Reda zum Artikel 13
Vorschlag der CDU gegen Upload-Filter "absolute Nebelkerze"

Die EU-Parlamentarierin Julia Reda (Piraten) hält die von der CDU angekündigten Vorschläge zur Vermeidung von Upload-Filtern für europarechtlich nicht zulässig. Auch das vorgeschlagene Lizenzmodell sei keine Lösung, sagte sie im Dlf. Sie glaubt, dass eine Streichung des Artikel 13 noch möglich ist.

Julia Reda im Gespräch mit Mirjam Kid | 19.03.2019
Plakate mit "Dieselfilter statt Uploadfilter" bei einer Demonstration des Bündnisses "Berlin gegen 13" gegen Uploadfilter und EU-Urheberrechtsreform im Artikel 13.
Protest gegen Uploadfilter und EU-Urheberrechtsreform in Berlin (Christoph Soeder/dpa)
Mirjam Kid: Kaum ein europäisches Vorhaben ist in Deutschland so umstritten wie die EU-Urheberrechtsreform. Tausende gingen in den letzten Wochen dagegen auf die Straße. Genau deswegen werfen nun eine Woche vor der Abstimmung noch einmal die politischen Schwergewichte der Union ihr Gewicht in die Waagschale. So warnte CDU-Europapolitiker Axel Voss am Montag: Falls das Europaparlament dem Vorhaben in der kommenden Woche nicht zustimme, ginge die Zitat: "Machtprobe zugunsten amerikanischer Plattformen aus". Ein Scheitern würde bedeuten, dass eine Demokratie nicht mehr in der Lage sei, die Machtfülle einer Plattform entsprechend zu regulieren, so Voss. Flankiert wurden seine Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Ich halte es für vertretbar", sagte sie in Bremerhaven. "Wir wollen doch das Internet nicht beschneiden." Es müsse aber auch im Internet so sein, dass wie in der realen Welt geistige Produkte geschützt würden. Wer bei Streamingdiensten wie Spotify oder Apple Music Musik hören wolle, müsse dafür auch bezahlen. Dazu spreche ich jetzt mit einer Kritikerin dieser Reform, der Europapolitikerin Julia Reda. Sie ist Mitglied der Piratenpartei und stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament.
Frau Reda, Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte die EU-Urheberrechtsreform bei einem Besuch in Bremerhaven jüngst mit den Worten, auch im Internet müsse die geistige Tätigkeit noch irgendetwas bedeuten. Sind Sie da anderer Meinung?
Julia Reda: Auch heute schon gilt das Urheberrecht im Internet. Was durch diese Reform geändert werden soll, ist, dass Plattformen verhindern müssen, dass Urheberrechtsverletzungen überhaupt geschehen. Und das ist letzten Endes nur durch große Einschränkungen der Grundrechte möglich, die auch zum Beispiel vom Bundesdatenschutzbeauftragten oder vom UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit kritisiert werden.
Artikel 13 weiter in der Kritik
Kid: Im Zentrum der Kritik, Sie sprechen es gerade schon an, steht Artikel 13. Die Befürchtungen unter Gegnern der Reform sind groß, dass der Paragraph Tür und Tor öffnen könnte für Upload-Filter - und damit für die Implementierung einer technischen Struktur, die in den falschen Händen eine umfassende Zensur im Internet ermöglicht. CDU-Europapolitiker Axel Voss, der die Reform federführend ausverhandelt hat, teilt diese Sorgen allerdings nicht. Er glaubt, "dass man hier auch eine entsprechende Verpflichtung einführen kann, ohne dass sich das Internet angeblich so verändern würde". Sie widersprechen Voss hier deutlich. Wieso?
Reda: In den letzten Stunden der Debatte führte Herr Voss jetzt diese Idee ein, dass man den Plattformen ja Lizenzen anbieten kann, und sie dann nicht filtern müssen. Das ist eine Idee, die wir in den Debatten immer wieder vorgebracht haben, die er aber abgelehnt hat. Tatsächlich steht im Text, die Plattformen müssen versuchen, Lizenzen für alle möglichen Inhalte zu bekommen - aber die Rechteinhaber müssen den Plattformen überhaupt keine Lizenzen anbieten. Das heißt, es reicht, dass ein einziger Rechteinhaber sagt, ich möchte keine Lizenz anbieten, ich bestehe darauf, dass meine Inhalte gefiltert werden. Und natürlich wird es solche Rechteinhaber immer geben, man denke nur zum Beispiel an die Hollywood-Studios, die nicht wollen, dass ihre Filme auf Plattformen auftauchen. Deshalb wird es keine Möglichkeit für Plattformen geben, auf Upload-Filter zu verzichten.
Kid: Axel Voss wirft Ihnen ja vor, zu kritisieren, aber sich einfach nicht früh genug eingebracht zu haben in den Prozess. Sie sagen jetzt, dieser Vorschlag mit den Lizenzen kommt eigentlich von Ihnen.
Reda: Das ist richtig. Ich habe seit Jahren verschiedenste Vorschläge gemacht, wie man dazu kommen kann, dass große Plattformen wie Youtube oder Facebook mehr an die Urheber bezahlen, ohne dabei auf Upload-Filter zurückzugreifen und ohne kleine Plattformen einzuschränken, die den Urhebern eigentlich nützen. Und alle diese Vorschläge wurden seit Jahren abgelehnt. Selbst als das Europaparlament im letzten Sommer gegen den ersten Entwurf von Axel Voss gestimmt hat, hat er das leider nicht zum Anlass genommen, mit mir und mit anderen Kritikern einen fairen Kompromiss zu finden, sondern stattdessen die Kritiker zu diskreditieren.
Pläne der CDU "europarechtlich nicht erlaubt"
Kid: Sind Sie dann zufrieden damit, dass die CDU zumindest in Deutschland rechtliche Regelungen einführen will, die diesen Upload-Filtern einen Riegel vorschieben?
Reda: Der Vorschlag der CDU ist eine absolute Nebelkerze. Zunächst mal ist der europarechtlich überhaupt nicht erlaubt. Außerdem, wenn das ginge, also wenn es tatsächlich möglich wäre, so eine Pauschallizenz einzuführen, dann müssten alle Inhalte, die von außerhalb Deutschlands hochgeladen werden, automatisch geblockt werden. Das heißt, auf einen Verzicht von Upload-Filtern würde es nicht hinauslaufen, sondern nur deutsche Inhalte, die in Deutschland hochgeladen wurden, wären möglicherweise von dieser Pauschallizenz abgedeckt. Und das führt zu einer weiteren Zersplitterung des Internets und einer fehlenden Möglichkeit für grenzübergreifende Kommunikation.
Kid: Wo sehen Sie denn noch Spielräume, den Reformentwurf auf europäischer Ebene zu verändern?
Reda: Für Veränderungen am Text ist es jetzt gewissermaßen zu spät, wenn man die Richtlinie noch vor der Europawahl verabschieden will. Und es gibt ja durchaus positive Aspekte der Richtlinie, was den Bereich der Bibliotheken und Archive angeht oder auch was die Rechte von Urhebern gegenüber Verlegern angeht. Und diese positiven Aspekte der Reform sollte man, denke ich, verabschieden und die kontroversesten Aspekte streichen.
Kid: Gibt es Ihrer Meinung nach denn für eine Streichung der entsprechenden Passagen derzeit eine Mehrheit?
Reda: Ich glaube, dass eine Mehrheit für die Streichung von Artikel 13 durchaus in Reichweite ist, es haben schon viele Abgeordnete versprochen, dass sie Artikel 13 nicht zustimmen werden. Und auch im September, als die ursprüngliche Position des Parlaments verabschiedet wurde, war die Abstimmung zu Artikel 13 sehr knapp. Damals waren Kleinunternehmen noch vollständig von der Regelung ausgenommen, während das jetzt nur noch für Kleinunternehmen gilt, die jünger als drei Jahre sind. Also, in mancherlei Hinsicht wurde der Text sogar verschärft, obwohl er schon beim letzten Mal kaum eine Mehrheit gefunden hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.