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EU-Präsident im Iran
Eigentümliche Mischung aus Zu- und Misstrauen

Dem Iran wird von vielen eine entscheidende Rolle auf der Suche nach einem Frieden für Syrien zuerkannt. Auch deshalb interessiert sich die EU gerade sehr für Teheran. Als erster Präsident einer EU-Einrichtung reiste am Wochenende Parlamentspräsident Schulz in den Iran. Eine schwierige Mission.

Von Kai Küstner | 09.11.2015
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bei einer Pressekonferenz mit dem Chef des iranischen Parlaments Ali Larijani
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bei einer Pressekonferenz mit dem Chef des iranischen Parlaments Ali Larijani (dpa / picture alliance / Str)
    Gleich bei seinem ersten offiziellen Termin passierte es: Noch bevor sich EU-Parlaments-Präsident Schulz in einem diplomatischen Sprint innerhalb weniger Stunden durch die gesamte politische Führung des Iran arbeitete, ging's an die Universität von Teheran.
    Alles beginnt ganz harmonisch: Nach Jahrzehnten der Entfremdung sollten wir uns jetzt wieder näherkommen", wünscht sich Schulz. Die versammelte Professorenschaft lässt nicht erkennen, dass sie das anders sieht. Erster Schritt: ein Film bringt dem europäischen Gast die angesehene Universität ein wenig näher.
    Doch es dauert nicht lange, bis ein Professor sich beklagt: Das EU-Parlament nehme ständig die Menschenrechte im Iran auf's Korn, aber verschone die Saudis. Schulz kann erstens widersprechen und ist zweitens der Last enthoben, das sensible Thema‚Todesstrafe im Iran hier von sich aus anschneiden zu müssen. Aber die Klage ist ein erster Vorbote dessen, was dem EU-Vertreter an diesem Tag noch öfter begegnen sollte: eine eigentümliche Mischung aus Zu- und Misstrauen.
    "Ich spüre natürlich schon, dass ich als Repräsentant der Europäischen Unoin auch sehr kritisch empfangen werde. Aber Kritik heißt nicht feindlich."
    Es ist übrigens kein Zufall, dass der iranische Professor ausgerechnet Saudi-Arabien ansprach. Eine tief sitzende Abneigung bis hin zu Hass entzweit die Golfstaaten – die gleichzeitig in der Region und eben auch in Syrien um Einfluss kämpfen. Was eine Beendigung des Bürgerkriegs dort so schwierig macht:
    "Es geht nicht, dass Leute, die im Ausland sitzen, Lösungen in die Wege zu leiten versuchen."
    So die Worte des iranischen Parlamentschefs, Ali Laridschani. Heißt im Klartext: "Lasst den syrischen Machthaber Assad in Ruhe." Nicht einen Zentimeter, das musste Martin Schulz bei allen seinen Gesprächen in Teheran erfahren, ist der Iran bereit, von seinem wichtigen Verbündeten abzurücken:
    "Die Position des Iran, dass es eine Zukunft des syrischen Volkes nur unter Herrn Assad gibt, wird natürlich von uns nicht geteilt."
    Schulz: EU und der Iran müssen sich bewegen
    Und so bleibt es denn dabei: Es muss schon als Erfolg gefeiert werden, dass der Iran überhaupt mit am Tisch sitzt, wenn sich demnächst wieder all jene treffen, die als wichtige Spieler in diesem Kampf der Interessen gelten: Bei der letzten Zusammenkunft dieser Art in Wien soll der Iran, bestätigen EU-Vertreter bei abgeschaltetem Mikrofon, sich hilfreicher verhalten haben als die Saudis. Der Weg hin zu Frieden in Syrien, so viel ist klar, führt nur über Teheran, ist aber noch extrem weit:
    "Dabei werden wir alle Bewegung an den Tag legen müssen bei unseren Positionen – die EU genauso wie der Iran."
    Was die Dinge zusätzlich verkompliziert: Der Iran trägt derzeit nicht nur einen Machtkampf mit Saudi-Arabien aus, sondern auch mit sich selbst. Ob sich die auf Öffnung bedachten Kräfte im Land gegen die religiös-konservativen durchsetzen, ist nicht entschieden. Die Mischung von Zu- und Misstrauen, mit dem der Iran Europa beäugt, gilt übrigens auch umgekehrt: Für die Reise nach Teheran rüstete sich die Schulz-Delegation vorsichtshalber mit einem Satz neuer Smartphones aus. Die weder gespeicherte Kontakte noch E-Mails enthielten. Die EU-Vertreter mussten davon ausgehen, dass der iranische Geheimdienst nicht nur jedes Gespräch mithören, sondern alle Daten absaugen würde.