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Einfluss kritischer Facebook-Gruppen
Spott über Thailands König

Seit Monaten fordern Menschen in Thailand eine Reform oder sogar die Abschaffung der Monarchie. In den sozialen Medien werden sie dabei sehr kreativ - denn offiziell ist Kritik am König bei Strafe verboten.

Von Felix Lill | 10.11.2020
Thailands König Maha Vajiralongkorn wird in einer Prozession durch Bangkok getragen
Thailands König Maha Vajiralongkorn wird in einer Prozession durch Bangkok getragen (AFP / Manan Vatsyayana)
"Viele Leute sind mit Spott nicht einverstanden, aber ich finde es großartig", sagt Pavin Chachavalpongpun, "so können wir uns mit der Monarchie auseinandersetzen. Das ist nicht nur Spaß. Es ist eine intellektuelle Erkundung!" Der Politikprofessor der Universität Kyoto spricht von seinem Büro in Japan aus. Aber mit dem Herzen ist er seit Monaten in seiner Heimat Thailand, wo er die anhaltenden Proteste mit beeinflusst. Unter anderem durch Satire auf Facebook.
In einer Gruppe, deren Name sich mit "Königlicher Marktplatz" übersetzen lässt, tummelten sich bislang mehr als zwei Millionen Mitglieder, die sich täglich über Thailands Königsfamilie lustig machten: "Zum Beispiel der hier", erzählt Pavin Chachavalpongpun: "König Rama der Achte wurde 1946 tot aufgefunden. Menschen glauben, dass er von seinem Bruder getötet wurde, der dann König wurde. Aber wir dürfen nicht darüber sprechen. In der Gruppe wurde jetzt begonnen, über die Pistole zu reden: sie sei noch in gutem Zustand und wir könnten sie verkaufen. Oder der hier: Der Hund des aktuellen Königs, ein Pudel, hat tatsächlich den Militärrang eines Marschalls. Deswegen habe ich gepostet, dass ich eine passende Rasur anbiete: wenn er sich noch heute meldet, kriegt er 20 Prozent Rabatt!"
Der neue König Thailands, Vjiralongorn.
Verehrt und gehasst: der thailändische König Vjiralongorn (dpa/picture-alliance/Pool)
Hintergrund der Witze ist bitterer Ernst
Die Witze wären nicht mehr als Klamauk – wenn sie nicht so politisch wären. Seit Monaten protestieren vor allem junge Menschen in Thailand für mehr Demokratie, eine Reform oder sogar die Abschaffung des dekadenten Königshauses. Aber die Monarchie zu kritisieren, ist in Thailand per Gesetz verboten. Pavin Chachavalpongpun floh deshalb vor einigen Jahren aus seinem Land und erhielt Asyl in Japan.
Schon im April gründete er eine erste Facebook-Gruppe, die bald eine Million Mitglieder zählte. Dann aber drängte Thailands Regierung darauf, dass Facebook die Gruppe blockieren solle. Ende August gab der Konzern widerwillig nach. Auf die Anfrage, ob eine Zensur nicht gegen die Ideale des Konzerns gehe, schreibt eine Sprecherin per Email:
"Nach sorgfältiger Prüfung hat sich Facebook entschieden, dass wir gezwungen sind, den Zugang zu Inhalten, die von der thailändischen Regierung als illegal bezeichnet werden, einzuschränken. Wie wir damals schon sagten, sind solche Anfragen ernst, verstoßen gegen internationales Menschenrecht und haben einen abschreckenden Effekt auf die Möglichkeit der Menschen, sich zu äußern."
Neue Gruppe nach Löschung der ersten durch Facebook
Auf der Plattform gibt es unterdessen bereits eine neue Gruppe, unter dem fast gleichen Namen, mit dem gleichen Thema – aber mit mittlerweile fast doppelt so vielen Mitgliedern. 2,1 Millionen Menschen aus Thailand spotten nun über das Königshaus. Einer von ihnen ist Supakit, ein 20-jähriger Kunststudent aus Bangkok, der einen Nachnamen lieber geheim hält, weil er auch auf der Straße demonstriert:
"Ich bin froh über diese Gruppe. Neben den Witzen wird dort auch einfach Information über das Königshaus ausgetauscht, es werden Historiker oder ausländische Berichte zitiert. Zum Beispiel über das Geld, das sie für Fashion Shows ausgeben, oder wie viel und luxuriös sie reisen. Und das alles mit unserem Steuergeld. Die Zeitungen in Thailand berichten nur über die Aktivitäten des Königshauses. Aber diese Gruppe kritisiert."
"Meine Eltern haben mich angeschrien"
Analysen aus der Facebookgruppe hat Supakit letztens ausgedruckt und seinen Eltern zum Lesen gegeben. "Meine Eltern benutzen das Internet nie. Sie konsumieren Medien wie Daily News, die sind sehr königstreu. Meine Eltern verehren die Monarchie. Als ich ihnen einen Text über die Verschwendung des Königshauses vorgelegt habe, waren sie sauer auf mich. Sie haben mich angeschrien. Sie informieren sich anders als die jungen Leute."
Demonstranten in Bangkok
Seit Monaten demonstrieren Thailänder gegen ihre Regierung und die Monarchie (dpa / picture-alliance / Barbara Walton)
Der unterschiedliche Medienkonsum ist ein wichtiger Grund, warum die jungen Thailänder wesentlich skeptischer gegenüber der Monarchie sind als ihre Eltern. Thailands Regierung wiederum fürchtet den wachsenden Einfluss der Jugend und reagiert mit Blockaden des digitalen Raums. Aber gleichzeitig bewegen sich auch die traditionellen Medien, beobachtet Pavin Chachavalpongpun:
Soziale Medien werden immer wichtiger
"Lange Zeit haben sich die Menschen in Thailand auf die Mainstreammedien verlassen, aber jetzt werden soziale Medien wichtiger. Und um zu reagieren, werden auch die Mainstreammedien etwas kritischer. Nicht wirklich kritisch - aber auf ihren Websites zitieren sie die Forderungen der Demonstranten. Sie müssen einfach mit den Ereignissen aufholen, um relevant zu bleiben. Die neue Balance müssen sie noch üben. Ich würde aber sagen, dass es gerade besser wird. Sie können jetzt etwas mehr navigieren. Und das hat durch die Proteste der Studenten angefangen. Vorher hätte so keine Zeitung über die Monarchie gesprochen."
Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die zweite monarchiekritische Facebookgruppe blockiert werden wird. Aber dann werde eben die nächste gegründet, meint Pavin Chavalpongpun. Und die hätte dann vielleicht ein noch größeres Publikum. Und mit jedem weiteren Mitglied, hofft der thailändische Politikprofessor im japanischen Exil, würde der Druck auf die herkömmlichen Medien, kritischer zu berichten, weiter steigen.