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EU-Referendum in den Niederlanden?

Laut einer aktuellen Umfrage würden rund 52 Prozent der Niederländer gerne über einen Austritt aus der EU abstimmen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage. Doch rechtlich ist das zurzeit nicht möglich. Heute entscheidet das niederländische Parlament über ein neues Gesetz zur direkten Demokratie.

Von Kerstin Schweighöfer | 14.02.2013
    "Es gibt in den Niederlanden viel Unfrieden über Europa, deshalb wäre es gut, wenn auch wir uns in einem Referendum für oder gegen Europa aussprechen könnten. Ich bin sowieso für Referenden, sie sind Teil der Demokratie!”"

    ""Ja, es ist wichtig, dass das Volk um seine Meinung gefragt wird!"

    "Unsinn, wir brauchen keine Referenden, dafür haben wir ein Parlament!”"

    52 Prozent aller Niederländer würden sich so wie die Briten gerne in einer Volksabstimmung über einen Austritt aus der EU aussprechen. Das ergab eine Untersuchung Ende Januar. Doch ein Recht auf ein Referendum haben die Niederländer nicht. Sie können lediglich eine Parlamentsdebatte initiieren - vorausgesetzt, sie haben 40.000 Unterschriften gesammelt.
    Für ein Referendum braucht es eine Mehrheit im Parlament – und die ist nicht in Sicht. Was ganz im Sinne der rechtsliberalen Regierungspartei VVD von Premierminister Mark Rutte ist:

    ""Wir sind gegen Referenden – aber für eine Diskussion über Europa", so VVD-Fraktionschef Halbe Zijlstra."

    Mit der direkten Demokratie im Polderstaat sei es nicht weit her, schimpfen die Linksliberalen von der D66-Partie. Sie gehört zu den vehementesten Befürwortern eines Referendums und macht sich schon seit ihrer Gründung 1966 für mehr direkte Demokratie stark.

    "Wir haben ja noch nicht einmal einen demokratisch gewählten Bürgermeister!”" klagt D66-Senator Thom de Graaf: ""Denn der Bürgermeisterposten wird zentralistisch von Den Haag aus besetzt. In dieser Hinsicht seien die Niederländer das Albanien von Westeuropa."

    Zusammen mit den Grünen und den Sozialisten plädieren die Linksliberalen seit Langem für die Enführung eines korrektiven Referendums, das die Bürger selbst initiieren können, um über bevorstehende Gesetze angehört zu werden. Bislang ohne Aussicht auf Erfolg. Der Gesetzentwurf liegt seit Jahren in der Schublade. Bislang wird in den Niederlanden nach wie vor von oben herab entschieden, ob die Meinung der Wähler gefragt ist: Parlament, Gemeinderäte oder Provinzregierungen können ein konsultatives Referendum durchführen. Bindend ist es nicht. Auf kommunaler Ebene fanden in den letzten hundert Jahren rund 150 solcher konsultativer Referenden statt. Auf nationaler Ebene kam es nur einmal zu einer Volksabstimmung – und die ist ganz Europa in Erinnerung geblieben:

    Am 1. Juni 2005 sprachen sich die Niederländer gegen die Europäische Verfassung aus. Diese Volksabstimmung endete mit einem klaren Nee von 61,5 Prozent der Wähler.

    Freiwillig hätte es das damalige Kabinett nie so weit kommen lassen. Dass sich im Parlament erstmals eine Mehrheit für ein Referendum ausgesprochen hatte, lag am Hoge Raad, dem höchsten Rechtsorgan der Niederlande: Der Vertrag von Lissabon komme einer Änderung der nationalen Verfassung gleich, urteilte der Rat, dazu müssten die Bürger eigentlich bei Neuwahlen befragt werden. Da dies nicht möglich war, sollte zumindest von der Möglichkeit des konsultativen Referendums Gebrauch gemacht werden.
    Dass es nun nach britischem Vorbild ein zweites Mal so weit kommen könnte, ist so gut wie ausgeschlossen – sehr zur Empörung von Geert Wilders. Das niederländische Kabinett solle sich an Cameron ein Beispiel nehmen:

    ""Cameron hat Schneid”", so Wilders. Er traue, sich zu sagen: Nicht wir Politiker entscheiden, was geschieht, sondern das Volk!"

    Deswegen hat Wilders durchgesetzt, dass der Gesetzesentwurf der Linksliberalen zur Abstimmung aus der Schublade geholt wurde. Aber selbst wenn sich dafür eine Mehrheit findet: Zu einem Referendum über den Austritt aus der EU wird es dennoch nicht kommen. Der Gesetzesentwurf sieht lediglich Abstimmungen über geplante Gesetze vor. Außerdem geht es darum, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, selbst ein Referendum initiieren zu können, wenn sich dafür 300.000 Unterschriften sammeln lassen. Geert Wilders hat sich also zu früh gefreut, denn das Ansinnen der Linksliberalen ist ein anderes. D66-Senator Thom de Graaf:

    ""Uns geht es um ein Instrument zur Korrektur der parlamentarischen Demokratie – und nicht um eine Alternative, die von Parteien nach Belieben zu opportunistischen Zwecken missbraucht werden kann, in der Hoffnung, dass das Ergebnis in ihrem Sinne ist, obwohl es dafür im Parlament keine Mehrheit gibt.”"