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EU-Reform
Ringen um Milliarden für Eurozonen-Budget

Auf ein Eurozonen-Budget haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geeinigt. Was genau ein solches Budget kann und soll, ist aber weiter umstritten. Eine Einigung darüber, wofür im Krisenfall Geld fließen soll, steht noch aus.

Von Peter Kapern | 20.06.2018
    Zwei Männer sitzen sich auf einer zerbrochenen Wippe über einer Euromünze gegenüber
    Die Euroländer wollen sich besser gegen externe Schocks wehren können (imago stock&people)
    Ob der von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verkündete Durchbruch beim Projekt Eurozonen-Reform überhaupt ein Durchbruch ist - das wird sich erst noch zeigen müssen. Bislang besteht innerhalb der EU nicht einmal Einigkeit darüber, welche Reformen überhaupt notwendig sind.
    Wopke Hoekstra zum Beispiel, der niederländische Finanzminister, der gewissermaßen innerhalb der Eurozone der neue Wolfgang Schäuble ist, will vorläufig über das Thema Eurozonen-Budget nicht einmal sprechen. Das stehe weder beim morgen beginnenden Treffen der Finanzminister noch nächste Woche beim EU-Gipfel auf der Tagesordnung, so Hoekstra in einem Interview mit der "FAZ". Ob sich das durchhalten lässt, ist zweifelhaft, denn der Druck, die Wirtschafts- und Währungsunion krisenresistenter zu machen, ist enorm.
    Im Grunde dreht sich derzeit alles um drei Fragen: Um die Vollendung der Bankenunion, um einen Geldtopf zur Förderung von Investitionen, und um ein Instrument zur Stabilisierung von Volkswirtschaften, die durch externe Schocks ins Wanken geraten sind. Drei Fragen, dazu mindestens ein halbes Dutzend Vorstellungen, welche Antworten die richtigen sind. Dennoch zeigte sich Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis mit Blick auf den kommenden EU-Gipfel zuversichtlich.
    Ziel: möglichen Flächenbrand verhindern
    Vorsichtig optimistisch sei er, so Dombrovskis. Und die deutsch-französischen Vorschläge würden diesen Optimismus noch stärken. Frage Nummer eins: die Bankenunion. Zwei Komponenten fehlen noch, um elf Jahre nach Beginn der Krise ein gesamteuropäisches Bankensystem zu schaffen, in dem jede Bank in jedem Land Sparern und Investoren ein gleichgroßes Maß an Sicherheit bieten: zum einen der sogenannte Backstop. Den soll, Deutschland und Frankreich zufolge, künftig der Europäische Währungsfonds garantieren. Backstop, das heißt: Wenn alle Mittel zur Rettung einer ins Wanken geratenen Bank erschöpft sind, dann soll als letzte Instanz, nach Anlegern und Investoren, der künftige EWF einspringen. Um so einen erneuten, europaweiten Flächenbrand im Bankensektor zu verhindern. Im Grunde besteht über diesen Backstop Konsens. Umstritten ist aber noch die Frage, wie er im Falle des Falles interveniert. Insbesondere Deutschland beharrt darauf, dass in jedem Einzelfall eine einstimmige der Euroländer und die Zustimmung der nationalen Parlamente nötig sei.
    Valdis Dombrovskis
    EU-Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis (EPA/OLIVIER HOSLET)
    Die EU-Kommission hält dieses Verfahren für zu langwierig: "Der Backstop muss Entscheidungen über die Rettung einer Bank innerhalb sehr kurzer Zeit treffen können, manchmal über Nacht oder im Verlauf eines Wochenendes vor Öffnung der Märkte."
    Diese Meinungsverschiedenheiten lassen sich wahrscheinlich schneller überbrücken als der Dissens über die gemeinsame Einlagensicherung. Erst müssen die Risiken, die in den Bankbilanzen insbesondere in Italien, Griechenland und Portugal noch schlummern, auf Normalmaß reduziert werden. Erst dann ist man bereit über die gemeinsame Einlagensicherung zu sprechen. So die Position der nördlichen EU-Länder. Beraten wird über eine Art Fahrplan: Welche Risiken müssen bis wann in welchem Umfang reduziert sein, damit die Einlagensicherung starten kann. Deutschland und Frankreich schlagen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge vor, dass maximal vier Prozent aller Kredite einer Bank als notleidend gelten dürfen. Davon sind vor allem italienische Banken derzeit noch weit entfernt.
    Notkredite für Mitgliedsländer
    Frage Nummer zwei: Die sogenannte Stabilisierungsfunktion für wirtschaftlich angeschlagene Länder. Merkel und Macron wollen diese Aufgabe ebenfalls dem künftigen europäischen Währungsfonds zuweisen. Er soll im Bedarfsfall Kredite an Mitgliedstaaten vergeben können. EU-Vizekommissionpräsident Valdis Dombrovskis.
    "Die Stabilisierungshilfen sollen an einen Anstieg der Arbeitslosenquote gekoppelt sein. Sie sollen aus Krediten zu Vorzugsbedingungen bestehen, was einen dauerhaften Geldtransfer in diese Länder ausschließt."
    Und schließlich Frage Nummer drei: Das von Macron geforderte Eurozonen-Budget. Wofür dessen Gelder eingesetzt werden sollen, ist noch nicht klar. Im deutschen Koalitionsvertrag ist von Investitionen die Rede, die EU-Kommission spricht von Hilfen bei Strukturreformen. Das Ziel dürfte identisch sein: Es geht darum, den größten Fehler der Währungsunion zu beheben: Nämlich dass sich die Euroländer wirtschaftlich auseinanderentwickeln statt sich anzunähern. Woher das Geld für diesen Haushaltstopf kommen soll, ist unklar. Und wieviel es sein soll, auch.
    20 bis 25 Milliarden Euro Budget
    Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire schlug heute 0,2 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung als Ausgangspunkt vor. Das wären rund 20 Milliarden Euro.
    Der EU-Kommission, so Valdis Dombrovskis, schwebt eine höhere Summe vor. "Wir wollen Staaten bei ihren Reformen mit 25 Milliarden Euro in der Haushalsperiode von 2021 bis 2027 unterstützen", so der Vize-Kommissionspräsident. Außerdem sollen nicht nur die Euroländer, sondern alle EU-Staaten davon profitieren können. Von all dem, Eurozonenbudget und Stabilisierungsfunktion, hält die niederländische Regierung gar nichts. Was immer damit bezweckt werden solle, sei Aufgabe der einzelnen Mitgliedstaaten, nicht die der Gemeinschaft. Und die Niederlande stehen mit dieser Auffassung innerhalb der EU bei weitem nicht allein.