Dienstag, 16. April 2024

Archiv


EU streitet ums gemeinsame Geld

Alle sieben Jahre streiten die Mitglieder der Europäischen Union um die Verteilung der gemeinsamen Gelder. Vor allem Schweden sieht beim aktuellen Kompromissvorschlag der zyprischen Ratspräsidentschaft Verbesserungsbedarf und fordert moderne Reformen für ein zukunftsfähiges Europa.

Von Alexander Budde | 02.11.2012
    Birgitta Ohlsson ist um deutliche Worte nicht verlegen. Der jüngste Entwurf für den Haushalt der Europäischen Union sei ein einziges Ärgernis, schimpft Schwedens Europaministerin.

    "Der Vorschlag ist unrealistisch und für uns einfach nicht akzeptabel. Europa steckt tief in der Krise. Viele Länder sehen sich zu schmerzhaften Einsparungen bei der Bildung, der Altenpflege und im Gesundheitswesen gezwungen. Auch die Europäische Union muss jetzt die nötigen Reformen auf den Weg bringen."

    Auf dem Tisch liegt eine Tabelle mit Zahlen, die Unbehagen wecken. Die Ministerin hat von ihren Mitarbeitern ausrechnen lassen, wie teuer der Kompromissvorschlag der zyprischen Ratspräsidentschaft den Nettozahler Schweden zu stehen kommt. Von jeder an die Union überwiesenen Krone würden dem nordischen Land nur 54 Öre aus den diversen EU-Töpfen zurückfließen. Ein gutes Geschäft sieht anders aus.

    "Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten, damit Europa stärker wird. Aber wir wollen nicht für eine Politik zahlen, die wir nicht gutheißen. Der Vorschlag sieht vor, dass rund 40 Prozent der Mittel zur Förderung der Landwirtschaft eingesetzt werden sollen. Dabei trägt dieser Sektor in der Union nur zu 1,5 Prozent des Bruttonationalprodukts bei und beschäftigt nur fünf Prozent der Bevölkerung. Das bringt uns nicht weiter."

    Schweden gehört mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien zu einer Gruppe von Ländern, die mindestens 100 Milliarden Euro aus dem Haushaltsentwurf der EU-Kommission für die Jahre 2014 bis 2020 kürzen wollen. Sie drängen auf ein modernes Budget. Birgitta Ohlsson versteht darunter, weniger Geld zielgenauer für das Wachstum und für die wirklich bedürftigen Länder und Regionen einzusetzen.

    "Wir brauchen mehr Geld für Forschung, Klimaschutz, Innovationen und auch für Infrastrukturprojekte, die unsere Länder verbinden. Wenn unsere Europäische Union im Wettbewerb mit China, Indien und den USA bestehen soll, dann können wir keinen Haushalt haben, der den Geist der Fünfziger atmet."

    Die Interessen prallen hart aufeinander, wenn die Europäer alle sieben Jahre um die Verteilung des gemeinsamen Geldes streiten. Rein statistisch profitieren Polen, Griechenland und Ungarn derzeit am stärksten vom Transfer. Vor allem die Länder Ost- und Südosteuropas wollen keine Kürzungen hinnehmen. Die EU-Kommission verlangt sogar mehr Mittel, um ihren Aufgaben künftig gerecht zu werden. Auf Widerspruch stößt Ohlsson auch bei ihrer liberalen Parteifreundin Cecilia Wikström. Die ist Abgeordnete im Europarlament – und sieht die große Gefahr, dass im Zuge immer neuer Streichlisten das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird.

    "Im Streit um das Budget geht es auch darum, welches Europa wir in Zukunft haben wollen. Geht es uns um einen stärkeren Zusammenhalt oder wollen wir in eine andere Richtung gehen. Für uns hier im Parlament ist ganz klar, dass wir ein starkes Europa brauchen, um aus der Krise herauszufinden. Und dass wir die Fundamente stärken müssen, die allem zugrunde liegen, nämlich die Gemeinschaft und die Solidarität zwischen unseren Mitgliedsländern und ihren gemeinsamen Institutionen."

    Vor dem entscheidenden Gipfeltreffen Ende November werden bereits die üblichen Drohkulissen aufgebaut. Der britische Premier David Cameron droht mit seinem Veto, sollte der Finanzrahmen nicht beschnitten werden. Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt kündigt ihren Widerstand an, sollten die Steuerzahler ihres Landes für die Rabatte anderer reicher Staaten in die Pflicht genommen werden. Und auch Schwedens Regierungschef Fredrick Reinfeldt warnt eindringlich davor, den mühsam für sein Land ausgehandelten Rabatt anzutasten. Schwedens Europaministerin Birgitta Ohlsson rechnet mit harten Verhandlungen und langen Nächten im Kreise der europäischen Partner.

    "Uns allen sollte an einer Lösung gelegen sein. Aber ich schließe nichts aus. Wir Schweden haben ganz klare Prioritäten."